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Pelléas et Mélisande
Drame lyrique von Claude Debussy
Libretto von Maurice Maeterlinck


Premiere im Theater Basel am 28. Februar 2003


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Theater Basel
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Nach dem Ende des Erzählens

Von Ina Schabbon



Ein dunkles, geheimnisvolles Märchen von zwei Liebenden, die nicht zueinander kommen können und deren Liebe tödlich endet: Aus diesem Stoff schuf Maurice Maeterlinck vor gut 100 Jahren sein symbolistisches Drama Pelléas et Mélisande, das Claude Debussy als Textvorlage für seine gleichnamige Oper diente. Es gibt kaum feste Bezugspunkte außerhalb der Handlung, unbestimmt sind Zeit und Ort. Ein Märchen also. Und wie in den Märchen geht es auch hier nur vordergründig um das Erzählen einer Geschichte. In Wirklichkeit aber werden Grundzüge des menschlichen Wesens dargestellt, geht es ums Sichtbarmachen und die Verarbeitung von Unbewusstem.

In der Basler Inszenierung von Joachim Schlömer nimmt sich das fast wie eine wissenschaftliche Versuchsanordnung aus. Auf der einen Seite die hierarchische, von einem Klima dumpfer Gewalt geprägte Familie des alten Königs Arkel, in Röcke und Jacken aus grobem Tuch gekleidet, auf der anderen die geheimnisvolle Gestalt der verängstigten Mélisande in hellem weiß. Schlömer vermeidet es bewusst, eine Geschichte zu erzählen. Selten kommt es bei seinen Figuren zu echter Interaktion, meist richtet sich Mimik und Gestik ins Leere und drückt zudem nicht unbedingt das aus, was die Personen gerade äußern, sondern vielmehr etwas, was sie vielleicht meinen könnten. Verstärkt wird dies noch durch den Einsatz einer Tänzerin, die die Befindlichkeit der Personen zu tanzen scheint aber auch in die Versuchsanordnung eingreift, indem sie Personen führt, ihre erstarrten Gesten verändert und zum Schluss eine Figur nach der anderen zudeckt und damit ausblendet.

Jens Kilian unterstützt mit seiner Bühne die Laborwirkung noch, indem er die Figuren in eine Art überdimensionierte, seitlich gekippte und auf eine Konstruktion von Stäben gesetzte, schwimmbad-türkisene Wanne stellt. Aus diesem Käfig ist Flucht nur schwer möglich. Sie führt entweder über schmale, schwer zu erreichende Stege ins Abseits oder durch enge Löcher im Boden in die Unterwelt, in die auch die Verhungernden brutal zurückgestoßen werden. Variabel eingesetzte Säulen und das magische Licht von Hermann Münzer sind die einzigen Zugeständnisse an so etwas wie "Szene", deuten mal den Wald, mal das Gewölbe an und suggerieren die Tageszeiten. Künstlichkeit herrscht vor, mit den Zeichen der Geschichte wird gespielt und das Erzählen dadurch verweigert, etwa, wenn der Brunnen, in den Mélisandes Ehering fällt, eine Glasschüssel ist, aus der ein Kind den Ring wieder herausfischen könnte.

Unfreiwillig auf die Spitze getrieben wurde diese Künstlichkeit am Premierenabend noch durch die Tatsache, dass Vincent Karche die Partie des Pelléas aus gesundheitlichen Gründen nur spielen konnte, während ihm der in letzter Minute eingesprungene Bernd Valentin von der Bühnenseite aus die Stimme lieh, eine überaus schöne, lyrische und höhensichere Stimme. Als Kontrast dazu der kräftige, geerdete Bariton Andrew Murphys, der den sich immer stärker ins Gewalttätige steigernden Golaud sehr überzeugend und mit viel Körpereinsatz gestaltet. Konsantin Gorny stellt seinen Arkel mit markigem, manchmal fast knarrendem Bass sehr autoritär an die Spitze der königlichen Familie. Maya Boog gibt eine wunderbar zarte, fragile Mélisande mit schlankem, tadellos geführtem Sopran, dem man die Schulung an Alter Musik und historischer Aufführungspraxis dankbar anhört. Das gleiche gilt für Nuria Rial, die, obwohl nur die kleine Rolle des Yniold gestaltend, am eindringlichsten im Gedächtnis bleibt. Rita Ahonen bildet als Geneviève mit ihrem gut geführten Alt das dunkle Gegengewicht in den Frauenstimmen.

Der erstmals in Basel dirigierende Japaner Tetsuro Ban gibt mit dem wie immer exzellent vorbereiteten Sinfonieorchester Basel einen ungemein leisen Debussy. So analytisch und künstlich die Inszenierung ist, so analytisch genau beleuchtet Ban jede Linie und Klangfarbe, arbeitet er die nach Wagners Tristan nochmals erweiterter Chromatik der Partitur heraus. Selten, dafür um so eindrücklicher die großen Gefühlsaufwallungen, wie etwa in der Abschiedsszene, in der fast der Atem stockt vor so viel Stauen und Entladen.


FAZIT

Ein sehr verkopfter Abend, der den Geheimnissen von Pelléas und Mélisande durchaus noch weitere hinzufügt und einlädt, sich die Produktion nochmals anzusehen.



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Produktionsteam

* alternative Besetzung

Musikalische Leitung
Tetsuro Ban
/ Oswald Sallaberger *

Regie
Joachim Schlömer

Bühnenbild und Kostüme
Jens Kilian

Licht
Hermann Münzer

Videogestaltung
Robert Lehniger

Dramaturgie
Bettina Auer

Chor
Henryk Polus



Chor des Theater Basel
Sinfonieorchester Basel
Statisterie des Theater Basel


Solisten

Arkel
Konstantin Gorny

Geneviève
Rita Ahonen

Pelléas
Vincent Karche
und Bernd Valentin

Golaud
Andrei Murphy
/ Bjørn Waag *

Mélisande
Maya Boog

Der kleine Yniold
Nuria Rial

Ein Arzt
Hendrik J. Köhler

Flüchtige Erscheinung
/ Tänzerin
Alice Gartenschläger
/ Christina Johnson



Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Basel
(Homepage)



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