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Don Giovanni rotiert im Schuhkarton
Von Gerhard Menzel
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Fotos von Jürgen Diemer Mit dieser Don Giovanni-Premiere begann - nach der kurzen, ungeliebten Theaterehe mit Gelsenkirchen (alias "Schillertheater NRW") - eine neuen Ära der Wuppertaler Oper. Kein Wunder also, dass diese erste Visitenkarte des neuen Leitungsteams und Ensembles mit besonderer Spannung erwartet wurde. Foto links:Donna Anna (Melba Ramos) bestärkt Don Ottavio (Raphael Pauß), den gemordeten Vater zu rächen.
Und in diesem Don Giovanni ging es wirklich rund. Nicht, dass das Stück als solches schon genügend dramatisches Potential mitbringt, nein, hier kam - seit langer Zeit - die Drehbühne wieder einmal so richtig zum Einsatz. Die von Silke Kosbü bestückte Bühne machte den Eindruck, als seien beim herumschleudern einer Kinderspielkiste zahlreiche Sachen herausgefallen, zum Beispiel ein "Piratenschiff" und eine Madonna im Vordergrund, Modellhäuschen im Hintergrund etc., und alles beleuchtet. Dazu kam noch das große "Puppenhaus", das aus einem Schuhkarton gefertigt schien. So addierte sich ausstatterisch Überflüssiges, was den hoch gesteckten Ambitionen von Regisseur Niels-Peter Rudolph nicht gerade entgegenkam. Foto rechts:Nachdem Donna Elvira (Kristen Strejc) ihren lang gesuchten Don Giovanni (Florian Boesch) endlich gefunden hat, wiegelt dieser sie gleich wieder ab, um der unglücklichen von Leporello seine zahlreichen Geliebten aufzählen zu lassen.
Klangbeispiel:
aus der "Registerarie" des Leporello (Luca Pisaroni)
Niels-Peter Rudolph hatte schon lange im Vorfeld darauf hinweisen lassen, dass er "immer aus dem genauen Lesen der Noten und des Textes" sein Konzept entwickele und das daher seine Inszenierungen manchmal vom "Herkömmlichen" abweichen. Das Ergebnis dieser Produktion relativierte diese Ansprüche leider sehr schnell, vor allem vor dem Hintergrund, da noch vor kurzem Dietrich Hilsdorfs wirklich geniale Inszenierung dieser Oper, die im Rahmen seines Mozart-Zyklus am Musiktheater im Revier Gelsenkirchen entstand, auch in Wuppertal zu erleben war. Foto links:Das glückliche Hochzeitspaar Zerlina (Elena Fink) und Masetto (Thomas Laske) wird durch Don Giovanni auf eine harte Probe gestellt.
Klangbeispiel:
aus dem Duett Zerlina (Elena Fink) und Don Giovanni (Florian Boesch)
So lässt sich zum Beispiel weder aus Noten noch aus dem Text herleiten, dass Don Giovanni den Komtur mit einem Tafelmesser ersticht, während Leporello auf die beiden kämpfenden - im Wegsehen - schießt. Auch das schon im Vorspiel pantomimisch vorgeführte Diner Don Giovannis mit Donna Anna, Don Ottavio und dem Komtur in dessen Hause mit der anschließenden "Verführungsszene" und dass das Abendgelage Don Giovannis neben dem Grabe des Komturs auf dem Friedhof stattfindet, sind eigene Zutaten des Regisseurs. Aber warum auch nicht, wenn sie zum Verständnis des Stückes beitragen. Leider ist dieses nur selten der Fall. Trotz vieler Einwände muss Niels-Peter Rudolph zu Gute gehalten werden, dass er mit diesem jungen, stimmlich sehr begabten und spielfreudigen Ensemble hervorragend gearbeitet und die einzelnen Personen klar und deutlich entwickelt hat. Dazu tragen auch die Kostüme von Birgit Hamann bei, die eine Zweiklassengesellschaft auch dadurch kenntlich macht, dass die Gesichter der "feinen" Herrschaften alle weiß geschminkt sind. Foto rechts:Don Giovanni (Florian Boesch) lässt sich seine Tafel und das Abendessen neben dem Grabe des Komturs bereiten.
Klangbeispiel:
aus dem Finale des I. Aktes
Wesentlich schlüssiger und überzeugender fiel die musikalische Seite der Aufführung aus. GMD George Hanson, der diesen Don Giovanni zur Chefsache machte, ließ keinen Zweifel daran, wie er die Musik Mozarts verstanden wissen will. Er brachte das Sinfonieorchester Wuppertal dazu, so gut es ging, auf ihren "modernen" Instrumenten einen Klang "im Sinne Mozarts" zu produzieren: transparent, spritzig, lebendig, affektgeladen und immer die Singstimmen tragend. Auch wenn nicht alle Details gelangen und es zu gelegentlichen Wacklern kam, der sehr positive Gesamteindruck lässt für die Zukunft hoffen. Aus dem insgesamt ganz homogenen Sängerensemble ragten trotz allem der vitale und vor Kraft strotzende Florian Boesch als Don Giovanni und der herrliche Legatobögen singende und perfekt artikulierende Luca Pisaroni als Leporello heraus. Die nach Jahren wieder nach Wuppertal zurückgekehrte Melba Ramos als Donna Anna hatte dagegen einige Mühe, ihre Höhe unter Kontrolle zu bringen und Kristen Strejc als Donna Elvira schien sich nicht recht frei singen zu können, wodurch die dramatischen Akzente der Partie nur bedingt zum tragen kamen. Neben dem treffsicheren, aber etwas einfarbig timbrierten Raphael Pauß (Don Ottavio) und dem vitalen Thomas Laske (Masetto) sorgte noch die junge Elena Fink als entzückend berückende Zerlina für besonderes Aufsehen und Aufhorchen. Der seit langem zu den tragenden Stützen des Ensembles der Wuppertaler Oper gehörende Hartmut Bauer (Il Commendatore) vervollständigte das Ensemble, das vom Publikum zu Recht gefeiert wurde. Niels-Peter Rudolph - der sich vor dem Publikum unnötig provozierend gab - und sein Ausstattungsteam wurden dagegen mit kräftigen Buhsalven abgefertigt.
Szenisch in vielen Belangen ärgerlich, musikalisch hoffnungsvoll bis hervorragend. George Hanson und sein Ensemble sind auf dem richtigen Weg. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühnenbild
Kostüme
Licht
Dramaturgie
Chor
SolistenDon GiovanniFlorian Boesch
Leporello
Donna Elvira
Donna Anna
Don Ottavio
Il Commendatore
Zerlina
Masetto
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