Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Ballett
Homepage Musiktheater-Startseite E-mail Impressum



Taboo or Not /
Patch of Grass /
Move

Drei Choreographien von Marguerite Donlon

Premiere im Saarländischen Staatstheater Saarbrücken am 2. Februar 2002



Homepage des Staatstheaters Saarbrücken
(Homepage)

Gelungener Start für Marguerite Donlon

Von Sebastian Hanusa / Fotos von Bettina Stöß



Ironie, virtuos vorgetragen - oder abstraktes Tanzgeschehen? Ein vermeindliches Gegensatzpaar oder gar Extrema eines weitgefächerten Horizonts? Erste Eindrücke von der neuen Saarbrücker Ballettdirektorin Marguerite Donlon, die mit drei verschiedenen Choreographien ihre erste abendfüllende Produktion im großen Haus des Staatstheaters präsentierte. Während zwei der Arbeiten ursprünglich für die Wiener Staatsoper bzw. die Deutsche Oper Berlin entstanden waren, nahm den zweiten Teil des Abends die ca. einstündige Uraufführung des Stückes Move ein.

Die beiden älteren Produktionen - Taboo or Not und Patch of Grass – gruppieren in lockerer, assoziativer Manier Szenenfolgen um den jeweiligen thematischen Schwerpunkt: Patch of Grass handelt von Donlons irischer Heimat, präsentiert eine mitunter federleicht ironische, manchmal skurril-sarkastische Auseinandersetzung mit jenem "Flecken aus Gras". Allgegenwärtig sind steppende Schafshirten im Stil der Riverdance-Shows und die Kostüme sowie manch eine Balzszene - mit explodierendem Spielzeugauto! – erinnern an den Stil des jungen britischen Films. Mal tauchen zwei zänkische Weiber mit einer aberwitzigen, comic-strip-artigen Streiterei auf - in den Stiefeln der beiden Tänzerinnen verbergen sich Federn, die es ermöglichen, sich über den Körperschwerpunkt hinaus nach vorne und hinten zu neigen, und in Verbindung mit einer temporeichen Choreographie der restlichen Körperteile entsteht ein Spiel atemberaubender, scheinbar unmöglicher Verrenkungen - mal klingt der endlose irische Bruderzwist an, wenn Toby Kassell und Frank Laizet einen atemberaubenden, temporeichen und fast artistischen Fight tanzen, dessen stilisierte Aggression außerordentlich beeindruckt.

Vergrößerung Solo im Schottenrock: Die Poesie der Körpersprache

In vergleichbarer Weise kreist die Choreographie von Taboo or Not um Einhaltung und Bruch des qua Konvention Verschwiegenen. Aber auch hier ist die Perspektive eher eine ironisch gebrochene denn die harter Provokation oder kritischer Hinterfragung. Schon der Anfang setzt einen humoristischen Akzent: Während das Ensemble auf einer Stuhlreihe am Bühnenrand stille Post spielt, erfreut die erstaunliche Tatsache, dass einer der Tänzer ungefähr zwei Köpfe größer ist als seine sämtlichen Kollegen, dabei aber mindestens ebenso beweglich ist wie diese. Zudem mit großem humoristischen Talent begabt sind es seine virtuos choreographierten, witzigen Auftritte, die zu Glanzlichter des Stückes waren. Doch es folgen weitere Heiterkeiten: So unter anderem das skurrile Schlusssolo von Ignacio Martinez auf den Song "Sex with flies", diverse Texteinlagen makaber-satirischen Inhalts oder das geistreiche Spiel mit der eigenen Sichtbarkeit - dem An und Aus einer Glühbirne.

Vergrößerung Schlampenstreit im Comic-Strip

Neben den zahlreichen ironischen Einfällen fanden sich aber auch immer lyrische Soli, schwebend zwischen klassischem Tanz und den überbordenden Ausdrucksmitteln der Gegenwart, feinfühlige Passagen eher formalisierten, fast abstrakten Charakters. In einer ähnlichen Ambivalenz zwischen Ironie und Abstraktion bewegt sich die Musikauswahl, die neben den Songs der Tiger Lillies (unter anderem "Sex with Flies") in Taboo or Not oder einigen Stücken von Meredith Monk in Patch of Grass auch elektroakustische Stücke des Experimental-Elektronik-Duos Sam Auinger und Bruce Odland enthielt. Beeindruckend und für die Choreographin sprechend ist die hohe Qualität der ausgesuchten Musik, aber auch der Mut zu nicht für jeden leicht verdaulichen Klängen.

Die kleine Schwäche der beiden Stücke war indes die Gefahr, sich zu sehr im Detail zu verlieren, während man als Zuschauer das eine oder andere einheitsstiftende Moment vermisste. Ein Mangel, der in der Neuproduktion Move nicht nur vermieden werden konnte, sondern wo gerade die Synthese scheinbar völlig widersprüchlicher Materialien auf kongeniale Art und Weise gelang. Kern des Stückes ist die doppelte Bedeutung des englischen Wortes "move" in der deutschen Sprache. Während sich aber dem "Umziehen" widerum mit geistreich-ironischen Versatzstücken genähert wurde, realisierte sich "Bewegung" in einem beeindruckenden abstrakten Bewegungsspiel.

Vergrößerung Foto links:
Eine hemdenfressende Blume und ein Tanzpartner

Ein weiterer Glücksgriff für diese Synthese dürfte die Zusammenarbeit mit dem Video-Künstler Oliver Möst und dem Komponisten Rolf Theo Schulte gewesen sein. Während ersterer neben dem zusammen mit Donlon entworfenen Bühnenbild noch Video-Projektionen als zusätzliche mediale Ebene produziert hatte, war von Schulze extra für die Produktion die quadrophone, elektroakustische Komposition geschrieben worden. Neben einer gelungenen Abstimmung der verschiedenen Ebenen miteinander, wirkte wohl auch deshalb das ganze Stück viel mehr "aus einem Guss" als die beiden anderen. Dabei gelang es auch dem Video-Künstler und insbesondere Komponist Schulte, eine ganze Bandbreite von Material zu verarbeiten. So schöpfte Schulte in seiner quadrophon realiserten elektronischen Komposition das ganze Arsenal zeitgenössischen elektronischen Komponierens aus. Neben treibenden Techno-Beats und Progedy-Anklängen fanden sich luftige Synthziser-Klänge und minimalistische Passagen aus Klicks und Störgeräuschen. Die große Kunst des Komponisten war hierbei eine doppelte: Einmal in der Produktion und Gestaltung seines Klangmaterials, dann aber auch in der Wahl des gelingenden Übergangs oder des richtig gewählten Kontrast. In beiderlei Hinsicht war das Stück sehr überzeugend.

Während in den ersten Choreographien jene genannte Synthese nicht immer ganz ausgereift erschien, gelang Donlon dies in Move in Perfektion. Nunmehr war die Selbstverständlichkeit im Nebeneinander von kühl-abstraktem Bewegungs-Lyrismus und clownesken Einlagen mit Luftballons und Schwimmflossen gegeben, das Heterogene ergab eine neue Einheitlichkeit, jeder Anschluss wirkte stimmig und gelungen. Substanzielle Basis aller drei Choreographien war aber die ausufernde Bewegungsphantasie der Choreographin, die indes auf dem hohen technischen Können, dem faszinierenden Zusammenspiel und der großen individuellen Ausstrahlung vieler Ensemble-Mitglieder aufbaute.


FAZIT
Diese Frau ist ein Gewinn für Saarbrücken.


Ihre Meinung ?
Schreiben Sie uns einen Leserbrief

Produktionsteam

Konzept, Choreographie,
Bühne, Kostüme
Marguerite Donlon

Konzept, Video,
Projektion
Oliver Möst

Bühne
Steffen Goth

Kostüme
Christophe Linéré

Assistenz, Abendspielleitung
Laura Graham

Einstudierung
Toby Kassell, Ilka von Häfen

Dramaturgie
Matthias Kaiser


Ensemble

Nina Burri, Dorothée Delabie,

Amy Fabris, Ilka van Häfen,

Anna Hagermark, Nicole Kohlmann

Hitomi Kuhara, Toby Kasell,

Harald Krytnar, Franck Laizet,

Ignacio Martinez, Leo Mujic,

Rubens Renier, Zhong Yi Shi,

Maxim Simonetti


Weitere Informationen
Staatstheater Saarbrücken (Homepage)



Da capo al Fine

Homepage Musiktheater-Startseite E-mail Impressum
© 2002 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de

- Fine -