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Ein tiefer Griff in die Klamottenkiste
Von Martin Rohr
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Fotos von Michael Hörnschemeyer
Das Thema ist so alt wie die Menschheit selbst: Machtstreben, politischer Mord, seine
Rechtfertigung sowie seine Folgen aus Gewalt und Gegengewalt werden idealtypisch verkörpert in
Giuseppe Verdis Macbeth und seinen Akteuren. Dementsprechend drängt sich für die
Regisseurin Inga Lenvant eine Deutung des Dramas im Sinne aktueller
zeitgeschichtlich-politischer Bezüge geradezu auf, wie im Programmheft zu lesen ist: Einem solchen Anspruch folgend erwartet man als Zuschauer tiefe Einblicke in die inneren Vorgänge der Protagonisten, ihr Beziehungsgeflecht, ihre Motivationen, Zweifel oder Konflikte. Man macht sich gefasst auf düstere Entdeckungen und diabolische Züge - keinesfalls jedoch erwartet man einen bunten Mummenschanz von karnevalesker Heiterkeit. Bunter Mummenschanz: Macbeth (Stefan Adam) und der Chor der Hexen.
In ihrer Neuinszenierung von Verdis Oper im Rahmen der letzen Opernpremiere der Spielzeit 2001/2002 an den Städtischen Bühnen Münster sucht Inga Levant nach einer Verbindung von realistisch-naturalistischer Darstellung des grausamen Geschehens, politisch-moralischen Appellen und distanziert-ironischer Betrachtung des unabänderlichen Weltgetriebes. Bei diesem wenig aussichtsreichen Unterfangen erleidet sie hoffnungslos Schiffbruch. Denn die unzähligen mehr oder weniger bedeutungs-, aber auch klischeebeladenen Details und plakativen Einzeleffekte können sich bei so unterschiedlichen dramaturgischen Intentionen nicht zu einem schlüssigen Gesamtbild zusammenfügen. So treffen Symbole schierer körperlicher Grausamkeit - die demonstrativ gezeigten abgeschlagenen Köpfe der Mordopfer - auf eine aufgedreht bunte Darstellung der Hexen als Karnevalsgesellschaft. Die Akteure sind verloren zwischen Requisiten, die den Blick für das Wesentliche verstellen: die von Verdi mehr als alles andere gesuchte "Wahrhaftigkeit des Ausdrucks". Folge ist, dass der Zuschauer zu keinem Zeitpunkt wirklichen Einblick in die seelischen Vorgänge der Tragödie erhalten. Die Person des Macbeth bleibt ein Fragezeichen, wirkliche Konflikte sind nicht zu erkennen. Vorn: Attila Wendler (Macduff ), dahinter Mineo Magata (Malcolm ) und der Chor der Städtischen Bühnen.
Ihr übriges tut die allzu hölzerne Personenführung in den großen Chorszenen, insbesondere die Darstellung des von endlosen und sinnlosen Schlachten zerschundenen und ermüdeten Volkes am Beginn des ersten und am Ende des vieren Aktes. Auf allzu unangenehme Weise erinnert sie in ihrer ziel- und bewegungslosen Bewegung an Schülertheater, das nicht selten der Gestik der Musik zuwiderläuft und sie untergräbt. Um so bemerkenswerter, dass die musikalische Leistung des Ensembles eine ganz andere Sprache spricht. Stimmlich sind Solopartien wie Chor sehr gut besetzt, allen voran Auke Kempkes als Banco und Ruth-Maria Nicolay als Lady Macbeth, die musikalisch zu einer Expressivität gelangen, welche die Bühnendarstellung zu keinem Zeitpunkt erreichen kann, nicht zuletzt in der Wahnsinnsarie zu Beginn des vierten Aktes. In einer Komposition jedoch, die formal noch weitgehend der traditionellen Nummernoper verhaftet ist, vermag auch eine solch spannende musikalische Leistung nicht über die dramaturgischen Unzulänglichkeiten der Münsteraner Inszenierung hinwegzuhelfen. Vorn: Stefan Adam (Macbeth) und Ruth-Maria Nicolay (Lady Macbeth).
Spätestens im dritte Akt wird die ausgezeichnete sängerische und musikalische Leistung durch eine absurde Inszenierung der Lächerlich preisgegeben. Lady Macbeth erscheint als eine Art Seeräuberjenny und ist weiter als je zuvor von der durch Verdi gewünschten hässliche Kraft einer diabolischen Triebfeder des Geschehens entfernt. Das geknechtete schottische Volk erscheint als höchst klischeehafte Darstellung morbider Hospitalsinsassen, für die Krieg und Mord nur noch ein absurdes und belangloses Spiel sind, womit die abgeschlagenen Köpfe der Tyrannen endgültig ihrer dramaturgischen Wirkung beraubt werden. Dass am Ende alles ist wie immer und auch der neue König sich nur als Tyrann offenbart, versteht sich da schon von selbst und ist mehr als voraussehbar. So verwundern auch nicht die wiederholt entstehenden heiteren Reaktionen im Publikum, die als deutliches Indiz für die mißlungene Inszenierung gewertet werden können.
Die Inszenierung scheitert an ihren eigenen Ansprüchen: Die Frage nach Motivationen und psychologischen Mechanismen beleibt unbeantwortet. Eine höchst entbehrliche Inszenierung, deren musikalische Qualität die dramaturgischen Mängel leider nicht kompensieren kann! Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Regie
Bühnenbild und Lichtdesign
Kostüme
Chorleitung
Dramaturgie
SolistenMacbethStefan Adam
Banco
Lady Macbeth
Kammerfrau der Lady Macbeth
Macduff
Malcom
Herold
Fleance
Drei Erscheinungen
Nathalie de Montmollin Solist der Essener Domsingknaben Weitere Informationen erhalten Sie von den Städtischen Bühnen Münster (Homepage) |
- Fine -