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Kleinere Pannen am Flughafen
Von Stefan Schmöe
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Fotos von Matthias Stutte Irgendwo in den Tiefen eines Flughafens, in fensterlosen, blutrot glänzenden Gängen, herrscht Don Giovanni. Er gehört offenbar zum Bodenpersonal, ein adretter Herr mit Anzug und Krawatte, und einen Gehilfen, Leporello, hat er auch den Mann fürs Grobe sozusagen. Einer Stewardess, Tochter des Piloten und Verlobte des Co-Piloten, gegenüber ist er wohl etwas aufdringlich geworden. Als deren Vater ihn in die Schranken weisen will, rammt er ihm ein Messer in den Bauch. Der Mönchengladbacher Don Giovanni beginnt furios wie ein Krimi. Dabei kommt auch die Komik nicht zu kurz; durch viele witzige Episoden am Rande auf einem Flughafen treiben sich die merkwürdigsten Leute herum bleibt das Gleichgewicht zwischen Tragödie und Komödie (das Werk trägt die Bezeichnung Dramma giocosa) gewahrt. Stewardess Donna Anna ringt mit - oder um? - Don Giovanni, den charmanten Herrn vom Bodenpersonal.
Diese Aktualisierung fordert allerdings schnell ihren Preis. Die sozialen Hierarchien sind in Mozarts Oper sehr genau festgelegt und eben nicht auf die Gegenwart übertragbar; das zeigt sich am deulichsten im Verhältnis von Giovanni zu dem Bauernmädchen Zerlina: Für diese bedeuten die Avancen des Padrone ja auch eine immense soziale Anerkennung über die Klassengrenzen hinweg, und ohne dieses ist wohl nicht nachvollziehbar, warum sie am Tage ihrer Hochzeit beinahe dem Charme des Verführers erliegt. In dieser Inszenierung sind Zerlina und Masetto ein türkisches Paar. Damit rettet Regisseur Thomas Krupa die Situation szenisch gerade noch: Masetto kann mit einer subtilen Geste Giovannis auf die Polizisten im Hintergrund eingeschüchtert werden (damit sind die Machtverhältnisse festgelegt), und Zerlina nimmt eine der originalen Konstellation vergleichbare soziale Rolle ein, wenn auch in einem anderen Kulturkreis (hier ändert sich also nicht viel, eine Aktualisierung ist das allerdings nicht). Die Musik steht diesem konstruierten Bühnenrealismus aber völlig entgegen, denn Zerlina singt bei Mozart alles andere als türkische Musik. Natürlich müssen Operninszenierungen nicht glaubwürdig im Sinne eines Fernsehkrimis sein; aber da der Regisseur zu Beginn eine solche Glaubwürdigkeit suggeriert, gerät das Konzept ins Stottern, sobald es widersprüchlich wird und die Musik widerspricht doch ziemlich deutlich. Herrengespräch am Flughafen: Masetto (links) und Don Giovanni
Das eigentliche Problem ist aber noch ein anderes: Krupa erzählt die Geschichte über weite Strecken zwar in die Gegenwart transformiert, ansonsten aber ziemlich brav nach. Die Oper ist dadurch lediglich neu einkostümiert worden. Der Ansatz ist in dieser Hinsicht durchaus konventionell, bringt keinen Erkenntnisgewinn und birgt auch keine Um- oder Neudeutung des Stückes In der Friedhofsszene gibt der Regisseur dann auch auf: Irgendwo im Orchestergraben muss wohl die Statue stehen (ein bildliches Äquivalent aus der Flughafenwelt war wohl nicht zu finden), und die Höllenfahrt wird auch nicht gezeigt - ein schwarzer Vorhang markiert das Ende des liebestollen Herrn. Diese weniger konkreten Momente hinterlassen aber stärkeren Eindruck als die leidlich funktionierende Krimi-Handlung. Sie verweisen auf eine zweite Ebene der Inszenierung. In dem engen, trotz vieler Türen verschlossen wirkenden Raum kann man die Hölle erahnen, in der sich Giovanni längst befindet. Während der von der Mandoline begleiteten Canzonette (Deh vieni alla finestra) Giovannis in den leeren Raum hinein gesungen sieht man in einer Vitrine im Hintergrund dessen lebloses Ebenbild mit blutverschmierter Hose. Das harmlose Liedchen wird hier zum Bekenntnis innerer Qual, nämlich dem Zwang zur Verführung, und ist der Punkt, an dem das Drama kippt. Hier wird die Zerissenheit Giovannis deutlich und auch das Bedrohliche, das hinter der spiegelglatten Fassade lauert. Nur hätte es keines Flughafens gebraucht, um dieses zu zeigen. Terroristen? Nein, Giovanni, Leporello, Zerlina, Masetto und der Rest der türkische Hochzeitsgesellschaft wagen maskiert ein Tänzchen
Christoph Erpenbeck gestaltet die Titelpartie sehr differenziert und spielt den unangreifbaren, nach außen hin sehr korrekten Herrn im Anzug glaubwürdig, zeigt allerdings wenig von der anderen Seite Don Giovannis die glatte Fassade dominiert zu sehr. Michael Tews singt und spielt einen sehr vitalen, stimmlich etwas rauen, aber sehr präsenten Leporello. Elena Nebera (Donna Anna) ist im Auftreten die Inkarnation einer Stewardess schlechthin. Ihre tragfähige Stimme verspricht viel für die Zukunft, ist aber noch zu unbeweglich. Zwar ist die Partie mit großer Intensität gesungen, aber oft zu sehr buchstabiert dennoch zweifelsohne eine eindrucksvolle Gestaltung. Carola Gruber (Elvira) und Judith Arens (Zerline) neigen beide bei durchaus schönen Stimmen zu einem undifferenzierten Einheits-Forte. Schwächer sind die Herren: Ist Ulrich Schneider ein akzeptabler Komtur, so bleiben sowohl Mikhael Lanskoi (Masetto) als auch Man-Taek Ha (Ottavio) recht blass. Mein Name ist Hase - Don Giovanni mit einer tierisch guten Verkleidung (die aber nur von Leporello genutzt wird)
Dirigent Anthony Bramall und die Niederrheinischen Sinfoniker überzeugen am meisten in den düsteren, von den Blechbläsern dominierten Passagen. Ansonsten spielt das Orchester zuverlässig, aber oft auch recht pauschal. Insgesamt ist die musikalische Umsetzung durchweg solide, geht aber auch nur selten darüber hinaus.
Wie so oft bei Mozart-Inszenierungen verläuft der forsch aktualisierende Regie-Ansatz schnell im Sande. Was übrig bleibt, ist eindrucksvoller als das eigentliche Flughafen-Brimborium. Alles in allem keine schlechte, aber auch keine wirklich überzeugende Aufführung. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Dramaturgie
Choreinstudierung
Solisten*Besetzung der PremiereDon Giovanni Christoph Erpenbeck* Philip Rock
Donna Anna
Don Ottavio
Komtur
Donna Elvira
Leporello
Masetto
Zerlina
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