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Viel Lärm um ein bisschen Spaß
Von Angela Mense
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Fotos von Klaus Baqué
Die Sorge um den Zuschauer scheint auch ein wesentliches Merkmal der Inszenierung des Zarewitsch am Kaiserlauterer Pfalztheater zu sein. Eigentlich wollte Léhar als Opernkomponist in die Musikgeschichte eingehen. Schon allein deswegen ergehen sich im Programmheft sämtliche wichtigen Dichter und Denker über den Sinn und Unsinn des Kitsches. Um eine ernsthafte Auseinandersetzung mit Léhar Werk bemüht, wettert Dramaturgin Christina Schmidt in ihrem Beitrag gegen jene "Aufführungstradition, welche sich im Reproduzieren bloßer Klischees erschöpfte und so die Figuren Léhar zu einem Panoptikum erstarren ließ." Und sie fährt fort: "Es gilt also einerseits, die Figuren mit ihren Nöten ernst zu nehmen, sie nicht bloßzustellen, und andererseits ihre oft geradezu anarchische Spielfreude nicht aus den Augen zu verlieren." Fast meint man, die Organisatoren wollten sich für die Aufführung eines volkstümlich anmutenden Werkes entschuldigen. Die Message ist angekommen. Der oft verlachte Kitsch soll ernst genommen werden und in die Sphären höherer Kunst aufsteigen.
Was am Pfalztheater dabei herauskommt, ist eine Lehrstunde über die Relativität des Kunstbegriffs. Als ob der Zuschauer nicht schon beim bloßen Anhören des melodramatischen Märchens vom Zarensohn und der Tänzerin in der Lage wäre, die fließenden Grenzen zwischen Kunst und Kitsch selber zu erkennen. Das ohnehin schon opulent ausgestattete Bühnenbild wirkt symbolisch überladen. Nach jedem der drei Akte senkt sich das Zarenwappen, einem mit Zacken überladenen Kronleuchter gleich von der Decke, um den Liebenden den Weg zueinander zu versperren. Die Protagonisten selbst agieren inmitten eines klobigen Bilderrahmens, so wie er den röhrenden Hirsch über Hempels Sofa schmückt. Der Vergleich hinkt bei der musikalischen Leistung. Chor und Orchester unter der Leitung von Eckhart Wycik bringen die von russischen Weisen und exotischer Instrumentierung geprägte Musik Léhars temperamentvoll und farbig herüber. Auch die gesangliche Leistung vor allem von Steffen Schwantz (Zarewitsch) und Violetta Kowal (Sonja) lässt keine Wünsche offen.
Allerdings unterliegt die Inszenierung genau jenen Klischees, vor denen die Dramaturgin in ihrem Text warnt. Starr und steif reagiert der Zarensohn auf die Enthüllung von Sonjas langen Haaren und rundlichen Formen. Nichts ist zu sehen von der Seelenregung eines von der Liebe bisher unberührten Jünglings und seiner Not, sich dennoch würdig zu verhalten. Im Neapolitanischen Exil erfreuen sich die Liebenden dann so unbedarft ihres Schäferstündchens auf Zeit, als hätten sie die höhere Bestimmung der Politik vergessen, die in Form des Zarenwappens über ihnen im Kulissenhimmel hängt. Die auffallend undynamisch choreographierte Balletteinlage aus Tschaikowskys "Nußknacker" ist hier ganz im Sinne der steifen Bewegungen der Helden, die die Lichttechnik oft nur mit Spots hervorzuheben weiß. Da wirken die erfrischenden Slapstick-Einlagen des Leiblakaien Iwan und seiner eifersüchtigen Frau Mascha regelrecht befreiend. Wenn die beiden sich zusammen mit einem italienischen Kellner und dessen Frau auf ein temperamentvolles Verwechslungsspiel einlassen, kann man sich endlich schmunzelnd zurücklehnen.
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ProduktionsteamMusikalische LeitungEckhart Wycik
Inszenierung
Choreographie
Choreographische Assistenz
Balletteinstudierung
Bühne
Kostüme
Dramaturgie
Regieassistenz und Abendspielleitung
Solisten*Besetzung der rezensierten AufführungDer Zarewitsch Steffen Schantz* / Bernd Gilman
Der Großfürst
Der Ministerpräsident
Gräfin
Der Oberhofmeister
Sonja
Iwan
Mascha
Bordolo
Kammerdiener
Manfred Pietschmann
Olga
Lina
Grand pas des deux
Felicity Hader / Constantin Mateescu
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- Fine -