Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musiktheater
Homepage Musiktheater-Startseite E-mail Impressum



Der Zarewitsch
Operette in drei Akten
von Franz Lehár
frei nach dem Schauspiel von
Gabryela Zapolska
Text von Béla Jenbach
und Heinz Reichert

Premiere im Pfalztheater Kaiserslautern
am 13. Oktober 2001



Logo: Pfalztheater Kaiserslautern

Pfalztheater Kaiserslautern
(Homepage)

Viel Lärm um ein bisschen Spaß

Von Angela Mense / Fotos von Klaus Baqué



Zu welchem Genre gehört dieser Stoff? Ein Zarensohn, der Zarewitsch, lebt zurückgezogen und verschmäht alles, was ihn auch nur im entferntesten von seiner spartanischen Lebensführung ablenken könnte. Das weibliche Geschlecht steht ganz oben auf der Liste. Die Gründe seien einmal dahingestellt, die Interpretationsmöglichkeiten reichen da von der Ehrfurcht gegenüber der Berufung über postpubertäre Komplexe bis hin zu latent vorhandenen homosexuellen Neigungen. Es hilft eh nichts - das Erbe muss gesichert sein, eine Frau muss her. Die wird ihm in Gestalt der als Mann verkleideten Tänzerin Sonja zugeführt. Der Schwindel ist bald aufgedeckt, doch die beiden treffen sich von nun an regelmäßig, um den Schein zu wahren. Aus der Zweckgemeinschaft wird bald echte Liebe, und damit fangen die Probleme an. Für eine zukünftige Zarin ist Sonjas Blut nicht blau genug. Auch eine vorübergehende Flucht nach Neapel schützt die beiden nicht vor dem Schicksal höherer Bestimmungen. Als die Nachricht vom Tod des alten Zars eintrifft, müssen die Liebenden einander entsagen. "Ich suche Stoffe, die schon durch sich selbst die Operettenform erweitern, und sprenge ich damit die Überlieferung, so freue ich mich dieses Vergehens. Nur durch solche Vergehen kommt man weiter." So rechtfertigte einst der Komponist Franz Léhar seine Gewohnheit, die üblichen Operettensujets wie z.B. das Märchen des Zarewitsch und seiner Aschenputtel-Sonja mit ernsten, dramatischen Elementen zu bespicken. Da bleibt dem Liebhaber populärer Singspielkunst schon mal das Lachen im Halse stecken.

Vergrößerung So lieblich - die Balletteinlage zu einem Musikausschnitt von Tschaikowskys "Nußknacker"

Die Sorge um den Zuschauer scheint auch ein wesentliches Merkmal der Inszenierung des Zarewitsch am Kaiserlauterer Pfalztheater zu sein. Eigentlich wollte Léhar als Opernkomponist in die Musikgeschichte eingehen. Schon allein deswegen ergehen sich im Programmheft sämtliche wichtigen Dichter und Denker über den Sinn und Unsinn des Kitsches. Um eine ernsthafte Auseinandersetzung mit Léhar Werk bemüht, wettert Dramaturgin Christina Schmidt in ihrem Beitrag gegen jene "Aufführungstradition, welche sich im Reproduzieren bloßer Klischees erschöpfte und so die Figuren Léhar zu einem Panoptikum erstarren ließ." Und sie fährt fort: "Es gilt also einerseits, die Figuren mit ihren Nöten ernst zu nehmen, sie nicht bloßzustellen, und andererseits ihre oft geradezu anarchische Spielfreude nicht aus den Augen zu verlieren." Fast meint man, die Organisatoren wollten sich für die Aufführung eines volkstümlich anmutenden Werkes entschuldigen. Die Message ist angekommen. Der oft verlachte Kitsch soll ernst genommen werden und in die Sphären höherer Kunst aufsteigen.

Vergrößerung So romantisch - der lang erwartete erste Kuß zwischen dem Zarewitsch und Sonja

Was am Pfalztheater dabei herauskommt, ist eine Lehrstunde über die Relativität des Kunstbegriffs. Als ob der Zuschauer nicht schon beim bloßen Anhören des melodramatischen Märchens vom Zarensohn und der Tänzerin in der Lage wäre, die fließenden Grenzen zwischen Kunst und Kitsch selber zu erkennen. Das ohnehin schon opulent ausgestattete Bühnenbild wirkt symbolisch überladen. Nach jedem der drei Akte senkt sich das Zarenwappen, einem mit Zacken überladenen Kronleuchter gleich von der Decke, um den Liebenden den Weg zueinander zu versperren. Die Protagonisten selbst agieren inmitten eines klobigen Bilderrahmens, so wie er den röhrenden Hirsch über Hempels Sofa schmückt. Der Vergleich hinkt bei der musikalischen Leistung. Chor und Orchester unter der Leitung von Eckhart Wycik bringen die von russischen Weisen und exotischer Instrumentierung geprägte Musik Léhars temperamentvoll und farbig herüber. Auch die gesangliche Leistung vor allem von Steffen Schwantz (Zarewitsch) und Violetta Kowal (Sonja) lässt keine Wünsche offen.

Vergrößerung So einTausendsassa, der Neffe - der Onkel ruft den Zarensohn zur Pflicht

Allerdings unterliegt die Inszenierung genau jenen Klischees, vor denen die Dramaturgin in ihrem Text warnt. Starr und steif reagiert der Zarensohn auf die Enthüllung von Sonjas langen Haaren und rundlichen Formen. Nichts ist zu sehen von der Seelenregung eines von der Liebe bisher unberührten Jünglings und seiner Not, sich dennoch würdig zu verhalten. Im Neapolitanischen Exil erfreuen sich die Liebenden dann so unbedarft ihres Schäferstündchens auf Zeit, als hätten sie die höhere Bestimmung der Politik vergessen, die in Form des Zarenwappens über ihnen im Kulissenhimmel hängt. Die auffallend undynamisch choreographierte Balletteinlage aus Tschaikowskys "Nußknacker" ist hier ganz im Sinne der steifen Bewegungen der Helden, die die Lichttechnik oft nur mit Spots hervorzuheben weiß. Da wirken die erfrischenden Slapstick-Einlagen des Leiblakaien Iwan und seiner eifersüchtigen Frau Mascha regelrecht befreiend. Wenn die beiden sich zusammen mit einem italienischen Kellner und dessen Frau auf ein temperamentvolles Verwechslungsspiel einlassen, kann man sich endlich schmunzelnd zurücklehnen.


FAZIT
Der im Zarewitsch nun mal vorhandene Kitsch wird zu ernst genommen und wirkt dadurch etwas fade. Zu wünschen wäre eine gewisse ironische Würze, die den Kitsch erst erträglich macht und wieder zur Kunst erhebt.


Ihre Meinung ?
Schreiben Sie uns einen Leserbrief

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Eckhart Wycik

Inszenierung
Holger Klembt

Choreographie
Eva Reinthaller

Choreographische Assistenz
Adonis Daukajew

Balletteinstudierung
Nadezda Tumova / Eva Reinthaller

Bühne
Otto Sujan

Kostüme
Annette Heraeus

Dramaturgie
Christina Schmidt

Regieassistenz und Abendspielleitung
Christa Leiffheidt



Chor, Orchester, Ballet und
Statisterie des Pfalztheaters


Solisten

*Besetzung der rezensierten Aufführung


Der Zarewitsch
Steffen Schantz* / Bernd Gilman

Der Großfürst
Dieter Hofinger

Der Ministerpräsident
Hans-Joachim Müller

Gräfin
Marina Schörning

Der Oberhofmeister
Hubertus Bohrer

Sonja
Violetta Kowal* / Vera Wenkert

Iwan
Bernd Könnes

Mascha
Astrid Vosberg* / Andrea Chudak

Bordolo
Bernd Schreurs

Kammerdiener
Michael Pietsch
Manfred Pietschmann

Olga
Andrea Zabold

Lina
Galina Poutintseva

Grand pas des deux
Olga Anikejenko / Adonis Daukajew
Felicity Hader / Constantin Mateescu



Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Pfalztheater Kaiserslautern
(Homepage)




Da capo al Fine

Homepage Musiktheater-Startseite E-mail Impressum

©2001 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de

- Fine -