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Musiktheater
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Mörder, Hoffnung der Frauen

Oper in einem Akt op.12
Text von Oskar Kokoschka
Musik von Paul Hindemith


Sancta Susanna

Oper in einem Akt op.21
Text von August Stramm
Musik von Paul Hindemith


Das Nusch-Nuschi

Spiel für burmanische Marionetten in einem Akt op.20
Text von Franz Blei
Musik von Paul Hindemith

Premiere im Opernhaus Köln
am 29. September 2001

Logo: Oper Köln

Bühnen der Stadt Köln
(Homepage)

Klang- und Bilderrausch im Absurden als Test auf die Toleranzbereitschaft der Heutigen

Von Ralf-Jochen Ehresmann / Fotos von Klaus Lefebvre


Der Kölner Oper scheint in bislang einmaliger Weise eine Aufführung von Hindemiths expressionistischem Triptychon von 1919-1921 gelungen zu sein, die ausnahmsweise einmal nicht im Skandal endete. Damit übt sie eine Wiedergutmachung am nie ganz vergessenen Werk auch gegen den Komponisten selbst, der mit seinem Aufführungsverbot selbst über 1945 hinaus maßgebliche Schuld daran mitträgt, dass diese Werke solange kaum zu hören waren.

Allerdings muss man zum Lob der Kölner Intendanz hinzufügen, dass die Rezeptionsgeschichte der bisherigen Aufführungen nicht eben Mut machend wirkt, löste doch noch 1977 eine Inszenierung des wohl problematischsten Einzelwerkes „Sancta Susanna“ in Rom Turbulenzen in Parlament und Vatikan aus, begleitet von Versuchen, das Unterfangen auch juristisch zu bekriegen

Entstanden zwar nicht separat aber doch nacheinander, zieht sich durch die 3 Werke mehr als nur ein verbindender roter Faden, und Analysen am Detail belegen sogar reziproke Proportionen zwischen Gesagtem und Ausgespartem, Komplementäranalogien der Situationen und Variationen identischer Themen im Umfeld von Triebunterdrückung als gesellschaftlichem Phänomen. Wie bei expressionistischer Dichtung nicht anders zu erwarten, bietet keines der Stücke eine logisch gestaffelte Handlung im Sinne klassischer Dramentheorie, und der Zusammenhang von Einzelszenen erschließt sich schon bei der Lektüre nicht vordergründig.

„Mörder, Hoffnung der Frauen“ tut sich gewiss amschwersten hinsichtlich der Vermittlung des Inhalts an den modernen Menschen, steht doch Gewalt in zwischengeschlechtlichen Verhältnissen heute unter viel weitgehenderer Beobachtung und Ächtung. Die beiden – also solches freilich nicht eigens gekennzeichneten Sprecheinlagen aus Frederike Roths „Das Ganze ein Stück“ vor und nach op.12 stellen eine mythische Aura her und geben den nötigen Rahmen zum Verständnis einer Entwicklung, in deren Verlauf aus mythischer Ur-Einheit ein Kampf um Konfitüre versus Marmelade werden konnte, um letztlich im bettlagernden Gefuttere von Chipstüten vor dem heimischen Video zu enden. Kölle alaaf!

In op.21 inspiriert ein burschikoses Bauernjungpaar eine Nonne zu körperlichen Vereinigungsphantasien mit dem Gekreuzigten, um derentwillen bereits vor ihr Schwester Beata eingemauert worden war, doch anstatt den beichtweise gebotenen Ausweg zu beschreiten, wählt sie freiwillig dasselbe Schicksal, um der gewonnenen Erkenntnis nicht abschwören zu müssen.


Szenenfoto Szenenfoto aus Sancta Susanna

Die ‚Burmanischen Marionetten’ in der Gestalt von Sumo-Ringern geben in op.20 nach der Pause ihr quasi konzertantes Stelldichein vor einem auf der Hauptbühne platzierten Großorchester, wobei ihre Existenz als biologische Requisite mit überbordend grotesker Komik grandios gelingt und einen geistreich-humorvollen Kontrast abgibt zu jenen affenbegleiteten Bajaderen, denen Krämer eine dritte ‚schweigende’ Diva hinzuerfunden hat, die permanent in ihrem Klavierauszug herumsucht, mit dem Federbusch in Nachbars Seite piekt und auch sonst so ziemlich alles falsch macht, bis sie zuletzt einen wohlberechneten Anfall von Theaterhusten erleidet, den zu stillen gar Gerd Albrecht sein Dirigentenpult verlässt, um ihr Klömpkes zu verabreichen. Vorgezogener Karneval auch hier!

Die ungeheuerliche Leistung des Gürzenich-Orchesters zeigt zugleich, wie gut es selbst einem Spitzenklangkörper tut, geleitet zu werden von einem Taktstockmagier wie Gerd Albrecht, dessen beharrlichem Einsatz die Wiedererweckung dieser Werke hauptsächlich zu verdanken ist, dirigiert er doch auch all diese und weitere Werke bei den Aufnahmen der „Edition Paul Hindemith“ vom Hause Wergo. Derartige Präzision, spannungsgeladene Präsenz in allen Stimmen und nahezu patzerfreie Spielfreude ergeben einen Ohrenschmaus sondergleichen und im Ensemble mit solchen SängerInnen, auf die identisches Lob durchgängig und ausnahmslos ebenso anwendbar ist, eine kaum mehr steigerbare Gesamtleistung!

Ganz ungeteilt, wie Ulrich Schreiber bei seiner Besprechung in WDR3 behauptete, war die Zustimmung des Kölner Publikums aber doch nicht, waren doch in den Pausen- und Nachgesprächen auch jene Stimmen deutlich zu hören, die „dot janze perverse Jedöns am liebsten jenerell verboten“ sehen wollten. Doch wie es sich für gute Kölner ziemt, fügen sie sich der allgemeinen Freude und feiern am Ende auch mit.

Das Sängerensemble der Kölner Oper setzt das Geschehen auch schauspielerisch exzellent um. Der Beifall belegt, dass dieses Triptychon heute zum Publikumserfolg taugen könnte, zumindest dort, wo derartige 1A-Leistungen kräftig mithelfen.


FAZIT
Gelungene Wiederbelebung eines fast vergessenen Werkes mit bunter Inszenierung und wunderbarer Klangproduktion, mutig noch immer, doch längst überfällig – 150 Jahre nach Feuerbach! Dank an Gerd Albrecht, der sich von Hindemiths auch über den eigenen Tod hinaus erteiltem Aufführungsverbot nicht schrecken ließ und diese herrlichen Stücke dem Weltgeist der Musik zurückerobert hat!


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Gerd Albrecht

Regie
Günter Krämer

Bühne
Paul Steinberg

Kostüme
Falk Bauer

Licht
Manfred Voss

Choreinstudierung
Horst Meinardus

Dramaturgie
Hans-Joachim Wagner



Gürzenich-Orchester
Kölner Philharmoniker

Opernchor der
Bühnen der Stadt Köln


Solisten

Mörder, Hoffnung der Frauen

Der Mann
Thomas Mohr

Die Frau
Dalia Schaechter


Sancta Susanna

Susanna
Julie Kaufman

Klementia
Dalia Schaechter

Eine alte Nonne
Katja Boost

Eine Magd
Dirk Müller

Ein Knecht
Daniel Schüßler

Ein Gekreuzigter
Andreas Grötzinger


Das Nusch-Nuschi

Mung Tha Bya, Kaiser
Dieter Schweikart

Ragweng der Kronprinz
Robert Milla

Feldgeneral Kyce Waing
Tómas Tómasson

Zeremonienmeister
Tómas Tómasson

Der Henker
Karl Huml

Ein Bettler
Andrew Collis

Susulü, der Eunuch des Kaisers
Thomas Mohr

Der schöne Zatwai
Andreas Grötzinger

Tum Tum
Gerhard Siegel

Kamadewa
Isun Min

Herold
Colin Judson

Bajaderen
Banu Böke
Katja Boost

Diva
Traute Hoess

u.v.a.


Weitere Informationen
erhalten Sie von den
Bühnen der Stadt Köln
(Homepage)




Da capo al Fine

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