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Veranstaltungen & Kritiken Musiktheater |
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Klang- und Bilderrausch im Absurden als Test auf die Toleranzbereitschaft der HeutigenVon Ralf-Jochen Ehresmann / Fotos von Klaus Lefebvre
Der Kölner Oper scheint in bislang einmaliger Weise eine Aufführung von Hindemiths expressionistischem Triptychon von 1919-1921 gelungen zu sein, die ausnahmsweise einmal nicht im Skandal endete. Damit übt sie eine Wiedergutmachung am nie ganz vergessenen Werk auch gegen den Komponisten selbst, der mit seinem Aufführungsverbot selbst über 1945 hinaus maßgebliche Schuld daran mitträgt, dass diese Werke solange kaum zu hören waren. Allerdings muss man zum Lob der Kölner Intendanz hinzufügen, dass die Rezeptionsgeschichte der bisherigen Aufführungen nicht eben Mut machend wirkt, löste doch noch 1977 eine Inszenierung des wohl problematischsten Einzelwerkes „Sancta Susanna“ in Rom Turbulenzen in Parlament und Vatikan aus, begleitet von Versuchen, das Unterfangen auch juristisch zu bekriegen Entstanden zwar nicht separat aber doch nacheinander, zieht sich durch die 3 Werke mehr als nur ein verbindender roter Faden, und Analysen am Detail belegen sogar reziproke Proportionen zwischen Gesagtem und Ausgespartem, Komplementäranalogien der Situationen und Variationen identischer Themen im Umfeld von Triebunterdrückung als gesellschaftlichem Phänomen. Wie bei expressionistischer Dichtung nicht anders zu erwarten, bietet keines der Stücke eine logisch gestaffelte Handlung im Sinne klassischer Dramentheorie, und der Zusammenhang von Einzelszenen erschließt sich schon bei der Lektüre nicht vordergründig. „Mörder, Hoffnung der Frauen“ tut sich gewiss amschwersten hinsichtlich der Vermittlung des Inhalts an den modernen Menschen, steht doch Gewalt in zwischengeschlechtlichen Verhältnissen heute unter viel weitgehenderer Beobachtung und Ächtung. Die beiden – also solches freilich nicht eigens gekennzeichneten Sprecheinlagen aus Frederike Roths „Das Ganze ein Stück“ vor und nach op.12 stellen eine mythische Aura her und geben den nötigen Rahmen zum Verständnis einer Entwicklung, in deren Verlauf aus mythischer Ur-Einheit ein Kampf um Konfitüre versus Marmelade werden konnte, um letztlich im bettlagernden Gefuttere von Chipstüten vor dem heimischen Video zu enden. Kölle alaaf! In op.21 inspiriert ein burschikoses Bauernjungpaar eine Nonne zu körperlichen Vereinigungsphantasien mit dem Gekreuzigten, um derentwillen bereits vor ihr Schwester Beata eingemauert worden war, doch anstatt den beichtweise gebotenen Ausweg zu beschreiten, wählt sie freiwillig dasselbe Schicksal, um der gewonnenen Erkenntnis nicht abschwören zu müssen.
Die ‚Burmanischen Marionetten’ in der Gestalt von Sumo-Ringern geben in op.20 nach der Pause ihr quasi konzertantes Stelldichein vor einem auf der Hauptbühne platzierten Großorchester, wobei ihre Existenz als biologische Requisite mit überbordend grotesker Komik grandios gelingt und einen geistreich-humorvollen Kontrast abgibt zu jenen affenbegleiteten Bajaderen, denen Krämer eine dritte ‚schweigende’ Diva hinzuerfunden hat, die permanent in ihrem Klavierauszug herumsucht, mit dem Federbusch in Nachbars Seite piekt und auch sonst so ziemlich alles falsch macht, bis sie zuletzt einen wohlberechneten Anfall von Theaterhusten erleidet, den zu stillen gar Gerd Albrecht sein Dirigentenpult verlässt, um ihr Klömpkes zu verabreichen. Vorgezogener Karneval auch hier! Die ungeheuerliche Leistung des Gürzenich-Orchesters zeigt zugleich, wie gut es selbst einem Spitzenklangkörper tut, geleitet zu werden von einem Taktstockmagier wie Gerd Albrecht, dessen beharrlichem Einsatz die Wiedererweckung dieser Werke hauptsächlich zu verdanken ist, dirigiert er doch auch all diese und weitere Werke bei den Aufnahmen der „Edition Paul Hindemith“ vom Hause Wergo. Derartige Präzision, spannungsgeladene Präsenz in allen Stimmen und nahezu patzerfreie Spielfreude ergeben einen Ohrenschmaus sondergleichen und im Ensemble mit solchen SängerInnen, auf die identisches Lob durchgängig und ausnahmslos ebenso anwendbar ist, eine kaum mehr steigerbare Gesamtleistung! Ganz ungeteilt, wie Ulrich Schreiber bei seiner Besprechung in WDR3 behauptete, war die Zustimmung des Kölner Publikums aber doch nicht, waren doch in den Pausen- und Nachgesprächen auch jene Stimmen deutlich zu hören, die „dot janze perverse Jedöns am liebsten jenerell verboten“ sehen wollten. Doch wie es sich für gute Kölner ziemt, fügen sie sich der allgemeinen Freude und feiern am Ende auch mit. Das Sängerensemble der Kölner Oper setzt das Geschehen auch schauspielerisch exzellent um. Der Beifall belegt, dass dieses Triptychon heute zum Publikumserfolg taugen könnte, zumindest dort, wo derartige 1A-Leistungen kräftig mithelfen.
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Produktionsteam
Musikalische Leitung
Regie
Bühne
Kostüme
Licht
Choreinstudierung
Dramaturgie
SolistenMörder, Hoffnung der FrauenDer Mann Thomas Mohr Die Frau Dalia Schaechter Sancta Susanna Susanna Julie Kaufman Klementia Dalia Schaechter Eine alte Nonne Katja Boost Eine Magd Dirk Müller
Ein Knecht
Ein Gekreuzigter
Das Nusch-Nuschi
Mung Tha Bya, Kaiser
Ragweng der Kronprinz
Feldgeneral Kyce Waing
Zeremonienmeister
Der Henker
Ein Bettler
Susulü, der Eunuch des Kaisers
Der schöne Zatwai
Tum Tum
Kamadewa
Herold
Bajaderen
Katja Boost
Diva
u.v.a.
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- Fine -