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Musiktheater
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La Calisto
Dramma per musica in zwei Akten
Musik von Pier Francesco Cavalli
Libretto von Giovanni Faustini
Nach der Bearbeitung von Raymond Leppard
und der Übersetzung von Karl Robert Marz


In italienischer und deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 2h 15' (eine Pause)

Premiere im Kleinen Haus des Musiktheaters im Revier Gelsenkirchen
am 22. September 2001


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Musiktheater im Revier
(Homepage)
Barockoper mit Lust und Leidenschaft

Von Ingo Negwer / Fotos von Rudolf Finkes



Das Gelsenkirchener Musiktheater im Revier startet mit einem neuen Leitungsteam und - nach der eher unglücklichen Theaterehe mit Wuppertal - mit neuen Ambitionen in die Saison 2001/2002. Generalintendant Peter Theiler spricht von "Aufbruchstimmung", die sich im Haus am Kennedyplatz breit mache. Eine der Säulen dieses Neuanfangs soll neben der italienischen Belcanto-Tradition - man höre und staune - u. a. die Barockoper sein. Hier drückt der neue Musikdirektor, Samuel Bächli, dem Institut unübersehbar seinen Stempel auf, hat er doch schon in der Vergangenheit durch sehens- und hörenswerte Interpretationen Alter Musik (Matthäus-Passion, Ulisses) seine Kompetenz auf diesem Gebiet in Gelsenkirchen unter Beweis gestellt.

Im Kleinen Haus des MiR präsentierte man zum Auftakt der "Barock-Schiene" Francesco Cavallis 1651 uraufgeführte "La Calisto", eine Rarität der frühen venezianischen Oper. Sie handelt von der in Ovids "Metamorphosen" überlieferten Geschichte der Nymphe Calisto, die einem neuerlichen Verwandlungskunststück des Göttervaters Jupiter und damit dessen Wollust zum Opfer fällt. Juno, die hintergangene Gattin Jupiters, stillt ihre Rache an der ebenfalls Betrogenen, in dem sie die Nymphe in einen Bären verwandelt, den Jupiter schließlich als Zeichen seiner Liebe als unsterbliches Sternbild (den Großen Bären) in den Himmel versetzt.

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Rosenbestückt Jupiter (Joachim G. Maaß) steigt mit Merkur (Nyle P. Wolfe) auf die Erde hernieder.

Klangbeispiel Klangbeispiel:
(MP3-Datei)


In Venedig entstanden Mitte des 17. Jahrhunderts die ersten kommerziellen Opernhäuser, in denen für ein zahlendes Publikum gespielt wurde, das auf seine Kosten kommen wollte. Vor diesem Hintergrund ist auch "La Calisto" zu sehen. Nicht nur die Bewohner Arkadiens, Schäfer und Nymphen, sondern auch die Götter haben bemerkenswert menschliche Züge: aus der Ferne mythischer Welten sind sie zum Greifen nahe in die (Theater-) Wirklichkeit gerückt.

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Jupiter (Joachim G. Maaß) hält sich bei seinen Verführungsversuchen bei Calisto (Claudia Braun) nicht lange auf, zunächst aber vergebens.

Andreas Baesler belässt der Oper in seiner Gelsenkirchener Inszenierung weitgehend ihr historisches Gewand. Jupiter agiert in den Kulissen einer antiken Theaterruine im Habit eines absolutistischen Herrschers à la Louis XIV. Mit ein wenig Verständnis für die leidende Welt und etwas mehr für seine eigene Lust agiert er mit kaum eingeschränkter Machtfülle. Die "keusche" Jagdgöttin Diana steht dem Göttervater quasi in nichts nach. Juno, eine janusköpfige ältere Schwester der Königin der Nacht, spendet einmal Trost, ein andermal sendet sie ihre Furien. Pan, Gott der Hirten und ein Außenseiter seit jeher, kommt zusammen mit seinen Kumpanen Sylvanus und Satirino als Punk daher und greift derbe in das Ränkespiel um Liebe und Libido ein. Merkur, der Götterbote, Sohn und treuer Begleiter Jupiters, scheint einem Science-Fiction-Film entsprungen zu sein. Er verfolgt das Geschehen mit zynischer Distanz.

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Diana, die Göttin der Jagd (Noriko Ogawa-Yakate), erscheint hier als Göttin des Mondes.

Nicht nur Calisto, sondern auch der Schäfer Endymion geraten in das Räderwerk dieser Mächtigen; sie gleichen Schachfiguren im lüsternen Intrigenspiel der Götter und sind letztlich auf deren Gnade angewiesen. Hier hält die Fabel der Realität - nicht nur derjenigen des Barockzeitalters - den Spiegel vor. Einzig die Nymphe Linfea, als typische komische Nebenrolle der venezianischen Operntradition mit einem Tenor besetzt, weiß sich in der Götterwelt zurecht zu finden.

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Diana (Noriko Ogawa-Yakate) und Endymion (Mark Adler) verlieren sich fast in gegenseitiger Liebe.

Was diese Inszenierung auszeichnet, ist die gelungene Mischung aus Versatzstücken historischer Aufführungspraxis und vitalem, komödiantischem Theaterspiel. Barocke Gestik wird beispielsweise Teil der Kostümierung, wenn Jupiter sich in Gestalt der Diana Calisto nähert oder sich vor der Gattin Juno verbirgt. Gesungen wird im Rezitativ auf deutsch, lediglich in den ariosen Partien hält man am italienischen Original fest. - Wer angesichts dieser Opern-Rarität musealen Mief aus verstaubten Archiven befürchtet hatte, wurde mit dem prallen Leben auf der Bühne überrascht.

Auch musikalisch ist diese "Calisto" ein vielversprechender Aufbruch in das Abenteuer "Barockoper". Aus den Reihen der Neuen Philharmonie Westfalen rekrutiert sich unter der Leitung von Samuel Bächli ein erster Kern eines auf Originalinstrumenten musizierenden Barockorchesters, das in Zukunft - so Bächli - erweitert werden soll. Dass da noch nicht alles so perfekt klang, wie man es inzwischen von den spezialisierten Ensembles hören kann, ist verständlich. Auch hätte ich mir, etwa beim Auftritt der Furien, manchen Akzent im Orchester zupackender gewünscht.

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Juno (Anna Agathonos) erkennt das schändliche Treiben ihres untreuen Gatten. Auch Jupiters Verkleidung als Diana (Joachim G. Maaß) kann sie nicht täuschen.

Angesichts der großen Breite des Repertoires eines städtischen Musiktheaters ist es selbstverständlich, dass auch die Sängerinnen und Sänger nur bedingt in der Lage sind, sich den spezifischen Anforderungen des Barockgesangs anzupassen. Mit leichter, flexibler Stimme gestaltete insbesondere Claudia Braun in der Titelrolle ihre Partie mit sicherem stilistischem Gespür. Ihr gleichwertig zur Seite agierte Mark Adler in der Rolle des Endymion. Joachim G. Maaß konnte in der stets sich verwandelnden Figur des Jupiter sein komödiantisches Talent ausleben, sei es als Göttervater oder, falsettierend, in der Gestalt der Diana. Die Jagdgöttin selbst wurde von Noriko Ogawa-Yatake souverän, aber ohne den Mut, bekanntes gesanglich-stilistisches Terrain zu verlassen, verkörpert. Aufhorchen ließen die junge Anna Agathonos als Juno und Nyle P. Wolfe in der Rolle des Merkur. Elise Kaufman (Satirino), Burkhard Fritz (Linfea) sowie Si Jae Lee (Pan) und Jerzy Kwika (Sylvanus) gönnten sich hör- und sichtbar den Spaß ihrer Rollen als mythologische Rauf- und Saufkumpanen.


FAZIT

"La Calisto" ist ein vielversprechender Anfang, ein Aufbruch eines jungen, motivierten Ensembles auf einem Weg, den mitzuverfolgen sich lohnen dürfte. Barockoper in Gelsenkirchen, so wie mit dieser Inszenierung dargeboten, ist kein Griff in die Mottenkiste der Operngeschichte, sondern lebendiges, sich dem Publikum mit Lust und Leidenschaft unmittelbar mitteilendes Musiktheater. Weiter so!


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Samuel Bächli

Inszenierung
Andreas Baesler

Bühnenbild
Hermann Feuchter

Kostüme
Susanne Hubrich

Dramaturgie
Wiebke Hetmanek



Mitglieder der Neuen
Philharmonie Westfalen
(auf Originalinstrumenten)
André Henrich (Chitarrone, Barockgitarre)


Solisten

Jupiter
Joachim G. Maaß

Merkur
Nyle P. Wolfe

Calisto, eine Nymphe
Claudia Braun

Endymion, ein Schäfer
Mark Adler

Diana, Göttin der Jagd
Noriko Ogawa-Yakate

Linfea, eine Nymphe
Burkhard Fritz

Satirino
Elise Kaufman

Pan, Gott der Hirten
Si Jae Lee

Sylvanus, Gott des Waldes
Jerzy Kwika

Juno, Gattin Jupiters
Anna Agathonos

Furien
Sabine Detmer
Gabriele Ernesti



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