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Gefährliche Liebschaften light
Von Silvia Adler / Foto von Matthias Jung Spätestens seit der erfolgreichen Verfilmung des Romans Liaisons dangereuses von Chloderlos de Laclos ist das breite Interesse am barocken Liebesabenteuer wiedererwacht. Erotische Freizügigkeit und leidenschaftliche Galanterie verspricht auch Antonio Vivaldis Opernerstling Ottone in villa, der 1713 am Theatro di Piazza in Vicenza uraufgeführt wurde. Weit entfernt von bürgerlichen Moralvorstellungen besitzt das Libretto von Domeniko Lalli - zumindest auf den ersten Blick - alle Zutaten für ein delikates barockes Verwirrspiel. Marcela de Loa (Cleonilla) und Elisabeth Scholl (Caio). Überwältigt von den Reizen seiner Maitresse lässt Kaiser Ottone die Staatsgeschäfte ruhen - nicht ahnend dass die schöne Cleonilla schon längst einen neuen Liebhaber gefunden hat. Doch auch der leidenschaftliche Caio soll schon bald durch ein jüngeres, schöneres Objekt ihrer Begierde ersetzt werden: Ostilio der junge Page wirkt auf Cleomilla einfach unwiderstehlich. Zu dumm, dass sich hinter dem hübschen Pagen in Wahrheit Caios verstoßene Geliebte Tullia verbirgt... Was als erotisches Amüsement beginnt, endet schließlich in einer gehörigen Konfusion der Gefühle - so verspricht es wenigstens das Programmheft. Marcela de Loa (Cleonilla) und Gritt Gnauck (Ottone). Regisseur Philipp Himmelmann - der mit der Inszenierung von Ottone in villa sein Regiedebüt am Aalto-Theater gibt - verlegt die Handlung - die auf ein Sujet um die berüchtigte Kaiserin Messalina zurückgeht - von der römischen Antike in die Welt des Barock. Eine herrschaftliche Tafel, ein paar vornehme Sitzgelegenheiten, eingetaucht in silbrig gleißendes Licht - das galante Spiel kann beginnen! In imposanter Robe erscheint Cleomilla auf der Galerie. Schon in ihrer ersten Arie knistert erotisches Feuer. Mit ihrem angenehm dunkel timbrierten Sopran verleiht Marcela de Loa der schillernden Figur die nötige Raffinesse. Marcela de Loa (Cleonilla), Elisabeth Scholl (Caio) und Christina Clark (Tullia). Äußerst sparsam in ihren Mitteln verzichtet die Regie auf überflüssige szenische Effekte. Meist genügt Himmelmann ein Requisit, um den Inhalt der Arien zu versinnbildlichen. Ein Glas zerbirst in den Händen der verzweifelten Tullia; anzüglich räkelt sich Cleonilla auf der üppigen Tafel. So sehr dieses Konzept zunächst auch überzeugt, schon bald stößt es an seine Grenzen. Schuld daran ist jedoch weniger die Regie als vielmehr die statische, den Konventionen der Opéra séria verpflichtete Struktur der Oper selbst. Genrebedingt spiegeln die Arien in Vivaldis Ottone keine individuellen Empfindungen sondern stilisierte, typenhafte Affekte. Ohne belebende Impulse von außen wirkt die austauschbare Skala aufeinanderfolgender Eifersuchts-, Triumph-, Lamento-, und Rachearien, die im 18. Jahrhundert vor allem der Profilierung der Gesangsvirtuosen diente - ausgesprochen monoton. Vor allem die fehlende Individualität der Charaktere lässt - trotz hervorragenden Leistung der Solisten - die Spannung während der Arien häufig abflauen. Zunehmend fällt es der Regie schwerer, den Mangel an innerer Psychologie auszugleichen und die szenische Beliebigkeit des Librettos notdürftig zu bemänteln. Trotz des barocken Pathos bleiben die auf der Bühne gezeigten Konflikte seltsam konturlos. An keiner Stelle will der Funke wirklich überspringen. Der Eindruck emotionaler Eindimensionalität wird durch die glattpolierte, kühle Ästhetik des Bühnenbildes noch verstärkt. Wie in einem Hochglanz-Magazin agieren die Protagonisten auf der perfekt durchgestylten Bühne. Unter dieser glatten Oberfläche brodelt es nicht. An keiner Stelle entzündet sich vor diesem reibungslos-schönen Hintergrund echte dramatische Emotion. Marcela de Loa (Cleonilla) und Christina Clark (Tullia), oben Elisabeth Scholl (Caio). Etwas mehr Leidenschaft und Eindringlichkeit hätte man sich auch im Orchester gewünscht. Obgleich die Barocksolisten der Essener Philharmoniker unter der einfühlsamen Leitung von Andreas Spering sehr stilbewusst und durchsichtig musizierten, mangelte es häufig an zupackender Intensität. Etwas zu verhalten klangen auch die Secco-Rezitative, denen es streckenweise an Mut zu Farbe und origineller Verzierung fehlte. Dennoch gelang es dem Orchester, die musikalische Schönheit des weitgehend unbekannten Werkes mit erfreulicher Präzision zu vermitteln. Klangbeispiel 1: Aus der Arie des Caio: "Gelosia, tu giá rendi l'alma mia". Klangbeispiel 2 : Aus dem Schlussensemble.
So sehr die Begegnung mit der eingängigen, mitreißenden Musik des Ottone eine musikalische Wiederbelebung des Werkes auch rechtfertigen mag - dramaturgisch hat Vivaldis erste Oper eine Neuinszenierung nur sehr bedingt verdient. Als einem der bedeutendsten Instrumentalkomponisten des Barock blieb Vivaldi der große Durchbruch als Opernkomponist verwehrt. Keine seiner mehr als 50 Opern konnte auf den bedeutenden europäischen Bühnen wirklich Fuß fassen. Ein Grund dafür ist sicher das Fehlen der wirklich großen Namen unter seinen Librettisten. Leider gelingt es auch der Essener Inszenierung nicht, die Substanzlosigkeit der dürftigen Handlung auszugleichen und so der eindruckvollen, unbedingt hörenswerten Musik zu ihren Recht zu verhelfen.
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Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Licht
Dramaturgie
SolistenCleonilla, Mätresse OttonesMarcela de Loa
Ottone, Kaiser
Caio, verliebt in Cleonilla
Tullia, Caios Verlobte
Decio, Ottones Vertrauter
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