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La Fanciulla del West
(Das Mädchen aus dem goldenen Westen)


Oper in drei Akten
Text von Guelfo Civinini und Carlo Zangarini
nach dem Drama von David Belasco
Musik von Giacomo Puccini

In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h 10' (zwei Pausen)

Premiere im Aalto Musiktheater Essen
am 10. März 2002


Logo:  Theater Essen

Theater Essen
(Homepage)
Karl-May-Festspiele mit Puccini-Klängen

Von Thomas Tillmann / Fotos von Jörg Landsberg



"Das Theater hat seine festgelegten Gesetze: es muss interessieren, überraschen, bewegen oder lachen machen", hat Giacomo Puccini ganz zurecht postuliert. Guy Joostens hausbacken-konventionelle, über weite Strecken nichts als Langeweile produzierende Neuinszenierung der zuletzt 1958/59 in Essen herausgebrachten Fanciulla del West erfüllte keine dieser Forderungen. Um Missverständnissen vorzubeugen: Es spricht absolut nichts dagegen, ein Werk in der von seinen Autoren vorgesehenen Handlungszeit zu belassen, aber dann muss die Geschichte spannend erzählt werden, dann müssen die ja gar nicht so eindimensionalen Figuren zu wirklichem (Bühnen-)Leben erweckt werden, dann muss die Personenführung faszinieren, zumal wenn ein Regisseur im Programmheft verkündet, ihn interessierten besonders "die Figuren, die Konstellationen der Figuren und ihre Geschichte". Stattdessen schleppt sich die an sich nicht unspannende Handlung - die Wiesbadener Produktion, die vor wenigen Wochen herauskam, hat es bewiesen - zäh und langweilig dahin bis zum fast peinlichen Schlussbild:

Vergrößerung Foto links:
Minnie (Francesca Patané) pokert mit Sheriff Jack Rance (Wolfgang Brendel) um ihr Leben und das ihres Geliebten.

Klangbeispiel Klangbeispiel: Aus dem 1. Akt, Sheriff Jack Rance (Wolfgang Brendel)
(MP3-Datei)

Nicht wirklich unerwartet hebt sich der hölzerne Eisenbahntunnel, um den sich die zuvor rauen Minenarbeiter, von "ihrer" Minnie bezwungen, friedlich lagern und der Abreise des Paares wehmütig zuschauen, dem der den American Dream verkörpernde Jack Wallace (Heiko Trinsinger spielt und singt ihn ohne Charisma) den fein bemalten Panoramavorhang mit obligatorischem Sonnenuntergang und sanften Hügeln hebt, bevor es verklärt im Gegenlicht als Schatten noch einmal zu bestaunen ist - kitschiger und platter geht es nicht, und eine ironische Brechung konnte ich jedenfalls bei all dem nicht entdecken.

Von ähnlich zweifelhafter Qualität waren auch das alberne Tuten einer nicht gezeigten Dampflok nach jedem Aktschluss oder auch Minnies steifer letzter Auftritt zu Pferde - wenn sie nicht reiten kann oder darf, dann lässt man das arme Tier eben im Stall, das Stück hängt nicht an diesem Detail! Nein, das kann das Personal der Karl-May-Festspiele in Elspe oder Bad Segeberg besser, das sich sicher auch in den der Handlungszeit verpflichteten Kostümen von Klaus Bruns und in Johannes Leiackers sehr naturalistisch gehaltener Ausstattung wohlgefühlt hätte, die sich an Daguerreotypien orientiert (der goldene Bilderrahmen, der die Szene einfasst, unterstreicht diese Idee) und auf der mit viel Nebel weichgezeichneten und von Davy Cunningham brav ausgeleuchteten Bühne wuchtige Holzbauten zeigt, wie sie in der Uraufführung vor gut neunzig Jahren vermutlich auch benutzt wurden, inklusive der pseudosymbolischen Bahnschienen, der unverzichtbaren Schwingtür oder dem braunen Saloonvorhang.

Vergrößerung Foto rechts:
Hinter dem herabgefallenen Zwischenvorhang erscheint Minnie (Francesca Patané) als "Dea ex machina".

Klangbeispiel Klangbeispiel: Aus dem 1. Akt, Minnie (Francesca Patané)
(MP3-Datei)

Wenig Spannung erzeugte aber auch Stefan Soltesz, der für meinen Geschmack die melodiösen Momente zu sehr betonte, so dass manches allzu süßlich klang und das Aufspüren der "modernen" Tendenzen in dieser Partitur einfach zu kurz kam. Überhaupt empfand ich das Spiel der Essener Philharmoniker einmal mehr als oberflächlich brillant (was nicht bedeutet, dass man nicht im ersten Akt einige Spielfehler und klappernde Einsätze bemerken konnte), sehr glatt, allgemein und kalt, an Tuttistellen nicht ausreichend transparent, unkonturiert und nicht selten auch zu laut und damit die Solisten zudeckend, wobei insgesamt der Kontakt zur Bühne erheblich besser funktionierte als in mancher in der letzten Zeit besuchten Vorstellung (sieht man vom Beginn des "Ch'ella mi creda" ab).

Und doch: Im Aalto-Theater klingt bei aller technischen Perfektion und dem unbestreitbar hohen Gesamtniveau inzwischen vieles gleich und zu wenig idiomatisch - Verdi und Puccini sind eben nicht Mozart, Wagner oder Strauss, und so fragt man sich, ob nicht im italienischen Repertoire ein kompetenter Gastdirigent frischen Wind in die Essener Oper bringen könnte.

Vergrößerung Foto links:
Mit ihrem Gewehr ertrotzt sich Minnie (Francesca Patané) das Leben ihres Geliebten Dick/Ramerrez (Mikhail Davidoff).

Klangbeispiel Klangbeispiel: Aus dem 3. Akt, Dick Johnson/Ramerrez (Mikhail Davidoff)
(MP3-Datei)

Restlos glücklich konnte man auch mit den Akteuren auf der Bühne nicht werden, die ihre Partien zwar studiert hatten, sie aber musikalisch nicht recht zum Leben zu erwecken vermochten:
Die darstellerisch sehr bemühte, streckenweise durchaus faszinierende Francesca Patané bewältigte die diffizile Titelpartie mit ihrem zweifellos lyrischen, wenn auch mitunter zu beträchtlicher Lautstärke anwachsendem, aber in Pianomomenten viel angenehmer klingenden Sopran weitgehend mühelos, was nicht wenig ist. Den merkwürdigen, doch wohl der Callas nachgeahmten "Flaschentönen" in der unteren Mittellage standen durchdringende, hell-metallische Spitzentöne gegenüber (das heikle Cis konnte sie wie viele andere nur anreißen), das nicht geringe Klingeln in der hohen Lage bleibt dabei Geschmackssache.

In Mikhail Davidoff hatte sie keinen ebenbürtigen Partner: Die Stimme des Russen klingt inzwischen ziemlich verbraucht und hat den noch vor wenigen Jahren geschätzten Glanz und ihre Farbe weitgehend eingebüßt, wobei höhere Töne überhaupt nur noch unter hohem Krafteinsatz erreicht werden - eine traurige Entwicklung. Nicht recht einleuchten wollte mir, warum man für die Partie des Jack Rance einen so teuren Gast wie Wolfgang Brendel engagieren musste. Mit Károly Szilágy hat man doch ein kompetentes Ensemblemitglied zur Verfügung, das sich nun mit der kleineren Rolle des Sonora begnügen musste, der er freilich einiges an vokalem Format mitzugeben verstand. Dem prominenteren Kollegen indes fehlte es bei aller Wertschätzung mancher Interpretationen im deutschen Fach an der dunklen Farbe und der nötigen Italianità, und mit seiner überdeutlichen Artikulation konnte er wenig ausgleichen.

Daneben gab Herbert Hechenberger mit brüchiger Comprimariostimme den Nick, Marcel Rosca mit markantem, inzwischen ein bisschen in die Jahre gekommenen, aber immer noch prächtigen Bass den Ashby; solides Niveau bot der Herrenchor, was man von einigen der weiteren Solisten nicht behaupten kann (so etwa Almas Svilpa als Larkens mit Höhenproblemen oder Richard Medenbach als Castro mit mehr Sprechgesang als vom Komponisten notiert).


FAZIT

Einmal mehr wurde an diesem Premierenabend der verschenkten Chancen deutlich, dass nicht alles Gold ist, was am Aalto-Theater glänzt, aller Publikums- und Kritikerkollegenbegeisterung zum Trotz!


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Stefan Soltesz

Inszenierung
Guy Joosten

Bühnenbild
Johannes Leiacker

Kostüme
Klaus Bruns

Lightdesign
Davy Cunningham

Choreinstudierung
Alexander Eberle

Dramaturgie
Ina Wragge



Herrenchor des
Aalto-Theaters

Statisterie des
Aalto-Theaters

Essener
Philharmoniker


Solisten

Minnie
Francesca Patané

Sheriff Jack Rance
Wolfgang Brendel

Dick Johnson
(Ramerrez)
Mikhail Davidoff

Nick, Kellner
Herbert Hechenberger

Ashby, Agent einer
Versandgesellschaft
Marcel Rosca

Sonora
Károly Szilágyi

Trin
Rainer Maria Röhr

Sid
Peter Bording

Bello
Andreas Baronner

Harry
René Aguilar

Joe
Friedemann Hecht

Happy
Bruce Cox

Larkens
Almas Svilpa

Billy Jackrabbit,
Indianer
Piet Vansichen

Wowkle,
Indianerweib
Marie-Helen Joel

Jake Wallace,
Bänkelsänger
Heiko Trinsinger

José Castro,
Mestize
Richard Medenbach

Ein Postillion
Ulrich Wohlleb





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