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Ende des Dornröschenschlafs
Von Silvia Adler
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Nach mehr als hundertjähriger Erfolgsgeschichte wäre sie beinahe in Vergessenheit geraten -
nun wurde sie doch noch wachgeküsst: Vom Staub befreit, feierte La dame blanche von Adrien Boieldieu an der Düsseldorfer Rheinoper ein mit viel Beifall bedachtes Comeback... Märchen gehen eben gut aus! Dass die Oper heute weitgehend von den Spielplänen verschwunden ist, scheint mit Blick auf die recht dürftige Handlung um ein verwunschenes Schloss, einen korrupten Verwalter und sein schlaues Mündel nicht weiter verwunderlich. Wenig inspirierend erscheint vor allem die harmlose Eindimensionalität der Charaktere. Umso erstaunlicher ist es, dass es Tobias Richter in seiner Düsseldorfer Inszenierung über weite Strecken gelingt, die in die Jahre gekommenen Opéra comique neu zu beleben. Mit leichter Hand werden die romantischen Versatzstücke der Schauer-Komödie in Szene gesetzt: Mal ironisch verfremdet, mal romantisch verklärt. Im ersten Bild wird der Ausblick in die verwunschene schottische Landschaft kurzerhand auf den Kopf gestellt. Stetig platzt dumpfes Blöken ins ländliche Idyll. Ein Schaf aus Pappmaché klebt kopfüber an der Decke. Unheimliches Pfeifen dringt aus dem Orchestergraben. Unverblümt wird der obligatorische Kamin ganz einfach aus der Wand geklappt. Ihren großen Effekt verdankt die Inszenierung nicht zuletzt dem extrem wandlungsfähigen Bühnenbild von Johannes Leiacker. In einer gelungenen Gradwanderung verbindet sich hintersinnige Abstraktion mit der faszinierenden Bilderwelt der Romantik. Geschickt wird das dominante Schottenmuster auf Vorhang, Bühne und Kostümen als integratives Element genutzt, um die gegensätzlichen Stilrichtungen miteinander zu verbinden. Auch musikalisch ist die Wiederentdeckung von La dame blanche ein voller Erfolg. Die abwechslungsreichen Musiknummern, die durch gesprochenen Dialog miteinander verbunden sind, bieten den Solisten erstaunlich viele Entfaltungsmöglichkeiten. Aus dem erfreulich homogenen Ensemble, sticht vor allem der leuchtende Sopran von Nataliya Kovalova hervor. Mit herrlichem Piano und aufblühender Dramatik gestaltet sie die Ballade der Weißen Dame mit großer Strahlkraft.
Ausgestattet mit einem idealen Timbre für französische Musik gelingt auch Michele Capalbo als Anna ein eindruckvolles Rheinoperndebüt.
Stimmlich profund und zugleich flexibel gestaltet der junge Bassist Michael Dries die Partie des verschlagenen Verwalters Gaveston. Schauspielerisch wie sängerisch überzeugend ist auch der walisische Tenor David Owen als Dickson.
Viel Beifall erntet Antonis Koroneos, der die Partie des jungen englischen Offiziers, George Brown sehr glaubhaft verkörpert. Allerdings fehlt es seinem warm timbrierten lyrischen Tenor während der ersten Szenen hörbar an Kern. Dass die Stimme manchmal etwas forciert klingt, liegt allerdings weniger an ihm als am dynamisch auftrumpfenden Orchester. Beachtlicher Mut zur Höhe und bravourös gemeisterte Spitzentöne bescheren Koroneos am Ende dennoch den verdienten Applaus.
Auch wenn das Orchester unter Baldo Podic dynamisch manchmal übers Ziel hinausschießt und die Tempi streckenweise etwas gehetzt erscheinen der farbenreichen Klang und erfreuliche Transparenz können schließlich darüber hinweg trösten.
Ein wirklich erfrischendes Wiedersehen also mit der Weißen Dame, die als wandelnde Persilreklame ihr Comeback ins Hier und Heute feiert.
Das Wachküssen hat sich gelohnt! Leichte Muse mit wenig Tiefgang; dafür aber brillant in Szene gesetzt und garantiert staubfrei! Ein neuer Farbtupfer auf der Palette des Opernrepertoires nicht mehr, aber auch nicht weniger.
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Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne und Kostüme
Chor
Solisten* Besetzung der rezensierten Aufführung
Georges Brown,
Gaveston,
Dikson, Pächter
Mac Irton, Friedensrichter
Anna, Mündel Gavestons
Jenny, Diksons Frau
Margherite, Haushälterin
Gabriel, Diksons Knecht
Paysan, ein Bauer
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