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Ein Mittsommernachtsopernweltwundertraum
Von Stefan Schmöe
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Fotos von Eduard Straub Die Musik des Schlauen Füchslein schlägt ein wie ein Blitz, der Funken sprühend für einen winzigen Moment den ganzen Kosmos aufleuchten lässt. Einen Augenblick lang gibt er den Blick frei auf Tiere, die eigentlich verkleidete Menschen sind, und Menschen, die eigentlich verkleidete Tiere sind; gerade lang genug, um in Windeseile eine kleine und doch ganz große Geschichte vom Leben und Lieben und Sterben zu erzählen. Dabei hat diese Musik nie Zeit, sich zu verströmen; sie huscht rasend schnell vorüber, und sie muss tausend Dinge gleichzeitig berichten. Wenn die Menschen oder die Tiere anfangen zu reden, dann wird sie beinahe unwirsch, will weiter voran und von Dingen sprechen, die wichtiger sind als der Mensch: Von der Schöpfung, mehr im pantheistischen als im theologischen Sinn, und darum braucht sie keine Logik und Entwicklung, sondern blitzt nur eben diesen einen kurzen Moment auf, in dem alles eingefangen ist. Traumwelten (I): Das Füchslein und die Hühner
Vom ersten Takt an ringen John Fiore und die Düsseldorfer Symphoniker mit höchster Intensität um jede einzelne Note, suchen in scheinbar harmlosen Tonmalereien nach dem tieferen Sinn und formen diese hinreißende, wie die Aufführung lehrt: bisher hoffnungslos unterschätzte Partitur mit unerhörtem Farbreichtum plastisch nach, dass man alle andere Musik vergessen möchte. Fiore besitzt viel Gespür für die Gleichzeitigkeit von gelassener Ruhe und innerer, stets voran treibender Nervosität. Er lässt keinen Zweifel, dass in dieser Oper das Orchester alles beherrscht, ohne deshalb das Werk zur Symphonie zu degradieren. Aber er trumpft nicht mit äußerem Orchesterglanz auf, sondern hebt die vielen überraschenden Wendungen, die aberwitzigen Details hervor, in deren gegenseitigen Durchdringungen die Modernität dieser Musik liegt. Man kann das Schlaue Füchslein fast eine Anti-Oper nennen, so wenig theatralisch dürfen die Tiere und Menschen agieren. Kaum wird es einmal etwas opernhaft, dann karikieren Text und Musik das Geschehen: Über dich wird man noch eine Oper schreiben, stellt der Fuchs auf dem Höhepunkt des Liebesduetts ironisch fest, wo Puccini edles Melos hätte verströmen lassen (Janacek tut das auch, aber immer nur ein paar kleine Noten lang). Die Lebensgeschichte der Füchsin Bystrouska als Kind vom Förster gefangen, später ausgerissen, ein Liebesabenteuer samt Hochzeit mit einem Fuchs, zuletzt erschossen wird geradezu provokativ knapp erzählt. Beim Tod der Füchsin hält die Musik einen Generalpausenmoment lang inne dann folgt ein kleiner Aufschrei im Orchester, auch ein Klagegesang, aber darüber liegt bereits die komponierte Botschaft: es geht weiter. Alles Schicksal (was sonst stets Gegenstand in der Oper) ist unbedeutend gegen die Schöpfung an sich und geht darin auf. Traumwelten (II): Die Menschen in der Schenke
Die Gefahr ist groß, dass Regisseure diesen Stoff entweder verniedlichend in die Tierwelt oder psychologisierend in die Menschenwelt transkribieren - und damit entstellen. Das Schlaue Füchslein ist nichts von beiden, sondern etwas unerhört anderes, kaum Fassbares, und das macht die szenische Umsetzung so schwer. Regisseur Stein Winge verzichtet auf jede konkrete Darstellung von Wald und Natur. Herabhängende Taue, Strickleitern und Trapeze deuten ein Zirkuszelt an, und auch die Kostüme verlagern das Geschehen in die Zirkuswelt, eine andere Metapher für eine Zwischenwelt zwischen Realität und Traum. Aber an diesen Tauen klettern Akrobaten wie Käfer an riesigen Grashalmen: Gerade in dem Verzicht auf die naturalistische Naturdarstellung kann Winge immer wieder die Assoziation von Natur hervorrufen, ohne in den sonst fast unvermeidlichen Naturkitsch zu verfallen. Und weil Menschen und Tiere wie Clowns und Akrobaten agieren, erhält das Spiel Elemente der Pantomime und ordnet sich wie selbstverständlich der (Orchester-)Musik unter. Traumwelten (III): Füchslein und Schulmeister
Die Geschichte des Füchsleins ist die Geschichte eines jungen Mädchens und dem erwachenden Liebesbegehren. Winge gelingt es ausgezeichnet, die erotische Atmosphäre einzufangen, und Marlis Petersen ist stimmlich wie darstellerisch eine äußerst attraktive Füchsin, die mit koketten und fordernden, gleichzeitig auch schüchternen Blicken um sich wirft, und immer auch die rechte ironische Distanz beibehält. Und Nataliya Kovalova singt einen berückend schönen Verführer, der seiner Füchsin alle Blumen dieser Zirkuswelt aus dem Hut zaubert. Die anderen Sänger, durchweg solide, fallen fast zwangsläufig ein wenig hinter diesem hinreißenden Paar, dessen Liebesspiel Winge mit viel Witz inszeniert, zurück. Traumwelten (IV): Füchslein und Fuchs
In dieser phantaschen Welt, die in ihrer brodelnden Mischung aus Eros, Tragik und Komik manchmal an Shakespeares Sommernachtstraum erinnert, lässt sich die recht komplizierte Geschichte nicht immer in allen Details nachvollziehen, aber das ist keineswegs ein Nachteil, denn wichtiger als die Logik der Handlung ist die verträumte, oft auch groteske Grundstimmung, und vor lauter Tempo auf der Bühne kommt man kaum dazu, die deutschen Übertitel (gesungen wird in tschechischer Sprache) nachzuvollziehen. Auch die Inszenierung feiert mit ihren Mitteln für diesen kurzen Moment die Schöpfung, vor allem im übermütigen, etwas zu bunt geratenen Finale (aber was macht das schon), in dem er noch einmal alles in Bewegung versetzt, bevor diese viel zu kurze Musik wieder erlischt. In ihrem kurzen Aufblühen aber hat sie nicht weniger gezeigt als ein Opernwunder.
Mit einer exzellenten musikalischen Interpretation und einer starken Inszenierung erobert die deutsche Oper am Rhein ein Meisterwerk für die deutsche Opernbühne: Vorläufiger Höhepunkt im ohnehin starken Düsseldorfer Janacek-Zyklus.
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Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Chor
SolistenFörsterStephan Bronk
Försterin / Eule
Schulmeister / Mücke
Pfarrer / Dachs
Haraschta
Pasek
Gastwirt / Specht
Pepik / Frosch
Frantik
Füchslein
Fuchs
Das junge Füchslein
Dackel
Hahn / Eichelhäher
Schopfhenne
Heuschreck
Grille
Columbine
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