Veranstaltungen & Kritiken Musiktheater |
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Zweifelhafte Verdi-Würdigung
Von Thomas Tillmann
Im Mittelpunkt der diesjährigen Internationalen Maifestspiele standen - nicht weiter überraschend - Werke des vor hundert Jahren gestorbenen Giuseppe Verdi; neben Aufführungen von Rigoletto, La Traviata und der Messa da Requiem gab es am 19. Mai eine Galavorstellung der pünktlich zum Todestag des Komponisten herausgebrachten Neuproduktion des Maskenball, "mit Spitzenkräften der größten Bühnen der Welt besetzt", wie der künstlerische Leiter des Festivals und Intendant des Hessischen Staatstheaters, Achim Thorwald, in seinem Grusswort in der Festspielbroschüre betont. Nun ist der Rezensent nach einigen Jahren des regelmäßigen Opernbesuchs skeptisch geworden, wenn mit Superlativen geworben wird, und Auftritte an den großen Renommierhäusern in Wien, Mailand oder New York sind auch längst kein wirkliches Gütesiegel mehr, haben doch auch diese zunehmend Probleme, gerade Verdiopern adäquat zu besetzen. Francisco Casanova hat den Riccardo im April diesen Jahres unter Leitung von Plácido Domingo an der Met gesungen, und man fragt sich, wie er dieses Riesenhaus mit seiner eher kleinen Stimme gefüllt haben mag. Natürlich freute man sich über die Geschmeidigkeit seines legato- wie pianostarken Tenors, die dem aus der Dominikanischen Republik stammenden Sänger eine sensible, elegante Ausgestaltung der lyrischen Passagen und der schnelleren Notenwerte ermöglichte, aber die Partie kennt auch andere Momente, in denen man Volumen und Durchschlagskraft braucht, und da mußte der mit Pavarotti-Ausmaßen aufwartende Künstler passen, verliert doch die Stimme im Forte und bei länger zu haltenden Tönen oberhalb des Systems erheblich an Farbe und Präsenz. Dies wurde umso evidenter, als er (statt der angekündigten Carol Vaness) mit Ana Maria Sanchez eine Amelia an seiner Seite hatte, der der Sinn so gar nicht nach gestalterischen Feinheiten stand, was angesichts der Behäbigkeit ihres robusten, ungehobelten, glanzlosen und nur mit großem Kraftaufwand solide Spitzentöne abliefernden Soprans kaum wunderte. Auch Elisabetta Fiorillo liess den sensiblen Zuhörer angesichts der barschen Brusttöne manches Mal erschrocken zusammenzucken, während die restlichen Lagen der Stimme unangenehm gepresst und unruhig klangen. Den besten Eindruck unter der Stargästen hinterliess Vladimir Stoyanov als dunkelgeschminkter Renato, auch wenn das Timbre ziemlich allgemein ist und die gebrüllten Töne in der Höhe auch nicht gerade ein Indiz für technische Souveränität sind. Immerhin bemühte er sich aber um eine expressive Textgestaltung und erntete dann für sein "Eri tu" zurecht auch den grössten Applaus. Eine Pein war dagegen der gnadenlos lustige Page von der mit einer penetrant-plärrenden, scharfen und in der Tiefe ungemein vulgär tönenden Soubrettenstimme gestraften Raphaela Weil, während man in den mit Hausmitgliedern besetzten Partien immerhin solide Hausmannskost geboten bekam. Dem Orchester ist zudem ein über weite Strecken delikates, transparentes Spiel zu bescheinigen, aus dem einzelne Momente grosser Akkuratesse und gestalterischer Sorgfalt herausragten; die Tempi von Enrico Dovico waren mir allerdings häufig zu breit und schleppend. Angesichts des darstellerischen Unvermögens der Mehrheit der Protagonisten, die entweder an der Rampe herumstanden oder Kostproben einer eigentlich überwunden geglaubten Darstellungskunst vergangener Epochen gaben, und angesichts meines sichtbehinderten Randplatzes verbietet es sich, Aussagen über die Regie von Chris Alexander zu machen - interessante Ansätze waren aber immerhin zu erahnen, und so wage ich die Behauptung, daß die tödliche Langeweile des Bühnengeschehens ebenso wenig ihm anzulasten ist wie etliche peinliche Momente (etwa wenn Amelia sich nach dem Liebesduett den Schleier erst überwirft, wenn Renato schon neben ihr steht). Auch das mit wenig Aufwand veränderbare Bühnenbild von Walter Jahrreis im Stil des 18. Jahrhunderts hatte seine Reize; der Blick auf die Produktionsphotos im Programmheft schließlich belegt, dass die in derselben Epoche angesiedelten Kostüme von Ute Frühling den weniger üppig gebauten Haussolisten besser stehen.
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Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Regie-Mitarbeit
Bühne
Kostüme
Licht
Chor
SolistenRiccardo, Graf von Warwick, GouverneurFrancisco Casanova
Renato, sein "Staatssekretär des Inneren"
Amelia, Renatos Gattin
Ulrica, Voodoo-Priesterin
Oscar, Page
Silvano, Matrose
Samuel
Tom
Richter
Diener
Amelias Kind
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