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Das Leben der Bohème - die Idylle bleibt aus
Von Meike Nordmeyer
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Fotos von Michael Hörnschemeyer Wie wäre ein Bohème-Leben, wie es bei Puccini besungen wurde, heute vorstellbar? In einer großen, kalten und kahlen Fabrikhalle vier nicht etablierte junge Männer, die sich emsig bemühen, Kunst zu produzieren? Man schreibt zwar noch mit Schreibmaschine hat aber natürlich auch einen Fernseher, man will den Anschluss ja nicht verpassen. Nichts von Idylle findet sich hier in der modernen Zeichnung der Bohème von Regisseur Peter Beat Wyrsch im variabel ausgestatteten Einheitsbühnenbild von Anna Kirschstein. Munter und bewegt gespielt wird das improvisierte Leben, das Frieren und Feiern der vier Künstler Rodolfo, Schaunard, Marcello und Colline. In Unschulds- und Brautweiß tritt dann Mimi auf. Ganz brav und schlicht ist die Begegnungszene Mimi-Rodolfo. Etwas überraschend ist da allein der Klang der Mimi, Birgit Beckherrn bietet mit ihrer leicht dunkel timbrierten Stimme eine überraschende Charakter-Mimi. Wenngleich es stimmlich nicht ganz ihre Partie ist, wie sich in der Höhe verständlicherweise etwas bemerkbar macht, bietet sie eine wohlklingende, intensive Darstellung der Mimi. Ein guter Partner ist ihr Attila Wendler als Rodolfo. Glitzernd, lärmig und geschmacklos geht es darauf auf dem Weihnachtsmarkt zu. Ganz in rot, vampartig und mit gekonnt leicht ordinärem Touch erscheint Musetta, dargestellt von Stephanie Kühne. Das weißt voraus auf das Folgende: in einer großen Halle gibt es nun ein Unternehmen mit windigen Geschäften und im Hintergrund ein gedecktes Rotlichtetablisment, in das die Kameraden und allen voran Musetta nun reingeschliddert sind. Ein Bohème-Leben war und ist nicht möglich, in heutiger Großstadt nur mit unvermeidlichem Hang zu Milleu, so scheint es. Selbst die gute Mimi ist schon angeschlagen, wie die roten Schuhe und der kurze Rock zur weißen Kleidung wohl zeigen sollen. Schließlich sieht man die vier Männer noch einmal tapfer Munterkeit verbreiten in ihrem Heim, das numehr völlig leer ist, alles was man hatte, wurde wohl versetzt. Nur der Sessel ist noch da, in den dann die todkranke Mimi sinken wird. Trostlos, im kalten grellen Licht geschieht nun das Sterben der Mimi - Tod ohne Verklärung. Das Bohème-Leben, auf das sich die vier hin entworfen haben, ist nun schlagartig zu Ende. Ein eiserner Vorhang eilt herab und trennt gewaltsam und unwideruflich die jungen Männer von diesem Leben. Sie sind schockiert, doch wenden sie sich bereits einem anderen Leben zu. Die Bohème - nur eine rebellische Episode in ihrem Leben. Nun versucht man sich zu etablieren - und wird vielleicht Politiker? Die Geschichte der Bohème wird hier dem heutigen Regietheater gemäß nicht als traurige Liebesgeschichte besungen, sondern gezeigt als das, was sie ist: ein Kapitel in der Entwicklungsgeschichte der vier jungen Männer. Das wird in einer bewegten Inszenierung gezeigt mit betont grellen und trostlosen Bildern, mit Szenen aus dem Milleu. Dennoch bleibt die Erzählweise mitunter auch recht brav. Ein anspruchsvolles Ensemble konnte in Münster zusammengestellt werden. Die vier Männer sind sehr gut besetzt, wenngleich sie im Ensemble noch nicht immer genau zusammen klangen, das wird sich aber sicher noch mehr einspielen. Attila Wendler als Rodolfo erklingt wohltönend, muss sich allerdings noch ein bisschen freisingen in der Partie. Renatus Mészá brachte trotz Krankheit bis am Vortag der Premiere beachtliche Leistung als Marcello, trefflich auch die Mantel-Arie von Auke Kempkes als Colline. Radoslaw Wielgus als Schaunard ergänzt gut das Quartett der Männer. Birgit Beckherrn gestaltet gehaltvoll die Mimi und von Stephanie Kühne ist eine vitale, intensive Musetta zu hören. Chor und Kinderchor leisten ebenfalls guten Beitrag. Das Orchester unter der Leitung von Christian Voß erklingt mit guten Leistungen in den Einzelstimmen, mitunter vermag das Dirigat aber im ersten Teil das Spiel noch nicht ganz auszutarieren mit teils etwas zu massiv einbrechendem Zusammenklang. Zudem ist das Orchester den Sängern stets leicht voran. Das ändert sich jedoch im zweiten Teil, hier wird dichter Klang entwickelt, der die Sänger trägt und die Partitur intensiv ausgestalten kann. So legt die Aufführung insgesamt an Spannung im zweiten Teil zu. Eine interessante Produktion mit beachtlicher musikalischer Leistung, es fügt sich allerdings noch nicht alles ganz homogen zusammen. Eine moderne, bewegte Inszenierung, die vor allem das Scheitern der Bohème zeigt, dabei mitunter aber auch recht brav bleibt. |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Regie
Bühnenbild
Kostüme
Choreinstudierung
Kinderchor
Dramaturgie
SolistenRodolfo, PoetAttila Wendler
Schaunard, Musiker
Marcello, Maler
Colline, Philosoph
Benoit, Vermieter
Mimi
Musetta
Parpignol
Alcindoro
Sergant der Zollwache
Ein Zöllner
Weitere Informationen erhalten Sie von den Städtischen Bühnen Münster (Homepage) |
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