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Neues vom Tage
Lustige Oper in drei Teilen
Text von Marcellus Schiffer
Musik von Paul Hindemith

Premiere im Pfalztheater Kaiserslautern am 21. April 2001



Logo: Pfalztheater Kaiserslautern

Pfalztheater Kaiserslautern
(Homepage)

Vom Medienrummel entmenscht oder der mitunter aktuelle Hindemith

Von Sebastian Hanusa / Fotos vom Pfalztheater Kaiserslautern



Die verkehrte Neue Welt der Weimarer Republik hat auch die Opernbühne nicht verschont, der 1929 Noch-Bürgerschreck Paul Hindemith setzt eine Kolloraturen singende Ehefrau in eine Badewanne, damit diese die Vorzüge der Warmwasserversorgung preist, "Neues vom Tage", Ehekrieg in der Öffentlichkeit und nach der Uraufführung gab es einen kleinen Skandal. Dieser war - auch im eher bodenständigen Kaiserslautern - nicht zu erwarten; statt dessen gab es ein interessantes, selten zu sehendes Stück, welches mit Opernkonventionen bricht, aber nicht unbedingt für das revolutionär Neue in der Kunst der zwanziger Jahre steht. Bezüge bestehen mehr zur Unterhaltungsmusik der Zeit, zu den Revuen und späten Operetten, zu den damaligen Neuen Medien Massenpresse und Rundfunk und den faszinierenden wie beängstigenden Phänomen der zweiten Industrialisierungswelle.

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Scheidungsfall Laura gegen Eduard

Zu Beginn erlebt man die Ehekrise von Eduard und Laura, dieser folgt recht zügig der Entschluss zur Scheidung. Liebe tritt nur noch in Gestalt des käuflichen Scheidungsgrundes bzw. Hausfreundes "der schöne Hermann" auf. Als dieser mit Laura die kompromittierende Szene probt - "Kitsch-Duett" - und sich mal wieder in seine Mandantin verliebt, tropft das Klischee, das große Gefühl taucht nur als zitiertes Chiffre auf, musikalisch mit Tristan-Anklängen garniert.
Eigentlich könnte es sich bei "Neues vom Tage" um die Entlarvung von Medienprostitution und unmenschlichen Massenphänomenen handeln, das epische Theater ist nicht fern: Der gekaufte Skandal, den die Protagonisten als Scheidungsgrund benötigen, ruiniert Eduard finanziell, da er wider erwarten ob des schönen Hermann eifersüchtig erregt, eine antike Venus-Statue zerstört; derweil wird Laura nach erwähnter Arie in flagranti ertappt. Leider fehlt nach Prozess und Anwaltshonoraren dem Paar das Geld zur Scheidung, einzig der Verkauf ihrer Geschichte als Variete-Attraktion bleibt als Ausweg. Die beiden werden zum Gegenstand des öffentlichen Interesses entmenscht und im Programmheft findet man Boris und Babs. Statt brechtscher Kritik bestimmen jedoch Anklänge an die Unterhaltungsmusik, ein relativ leichter Ton, verbunden mit dem Tempo und den schnellen Schnittfolgen der Revuen den Gestus der Oper. Die Musik ist durchaus antiexpressiv, sofern sie sich nicht mit ironisch gebrochenen Zitaten sich aus der Musik- und Operngeschichte bedient; ansonsten wird der Zuhörer ohne größere Atempausen durch eine leer laufende Klangzentrifuge gejagt.

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Hermanns bewundernswürdige Schönheit

Die Gesangspartien kann man, gerade wegen der Opernzitate, nicht als wenig anspruchsvoll bezeichnen. Anna-Katharina Behnke benötigte alle Facetten ihres dunkel timbrierten und farbenreichen Soprans in der Rolle der Laura, auch für die Rolle des Eduard wird ein Bariton mit durchaus dramatischen Anlagen benötigt - Peter Kovacs bot eine sehr solide Leistung. Bernd Gilman hatte ein wenig mit dem tenoralen Schmelz der männlichen Schönheit Hermann zu kämpfen während das "Buffo-Paar" M. - Bernd Könnes und Sonja Mühleck - seine Sache ziemlich gut gemacht hat. Während die raschen Szenenfolgen, das rege Geschehen auf der Bühne einen leidlich ausgenutzten Raum für komödiantisches Agieren gibt, geben andererseits die Charaktere ob ihrer überzeichnenden Skizzierung, der holzschnittartigen Anlage wenig Gelegenheit zu inszenatorischer Interpretation. Hinter der Rolle tritt immer wieder der Sänger hervor. Im Falle der personifizierten Schönheit Hermanns wirkt dies bei der starken Überzeichnung eher verfremdend, bei Laura überdeckt die mondän damenhafte Ausstrahlung von Anna-Katharina Behnke die Bruchstelle zwischen Sängerin und Rolle.

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Die berühmte Wannenszene

Regisseur Heinz-Lukas Kindermann hat darob die Oper wirklich in Szenen gesetzt; im Einklang mit Heidrun Schmelzers Bühnenbild entstanden belebte Bilder, angesiedelt zwischen der nüchternen Ästhetik der klassischen Moderne, den Zeitungscollagen und der Werbewelt der zwanziger Jahre, einer bunten Ausstattungs-Revue und dem beliebten Konversations-Stück mit Hotelzimmern und Schranktüren. Als finaler Endpunkt wurde der Ehekrieg von Eduard und Laura als Boxkampf in Anzug und Abendkleid inszeniert ehe die beiden im Finale - mit Schlussfuge! - mitsamt Boxring zur allgemeinen Betrachtung in die Luft befördert wurden.

Das Orchester unter Leitung von Peter Leonhard spielte Hindemiths mitunter spröden Swing ziemlich engagiert, während der häufig geforderte Chor sowohl szenisch als insbesondere musikalisch ein wenig Esprit vermissen ließ. Letzteres bot in der Variete-Szene die aus sechs Revue-Girls bestehende obligate Ballett-Einlage.


FAZIT
Eine runde Produktion der selten gespielten Oper; eine gelungene, wenn auch nicht spektakulären Inszenierung.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Peter Leonhard

Inszenierung
Heinz-Lukas Kindermann

Bühne
Heidrun Schmelzer

Kostüme
Monika Lanz

Choreographie
Eva Reinthaller

Choreographische Assistenz
Adonis Daukajew

Choreinstudierung
Ulrich Nolte

Dramaturgie
Carin Marquardt

Regieassistenz und Abendspielleitung
Heide Stock



Das Orchester
des Pfalztheaters
Chor, Ballet und Statisterie
des Pfalztheaters


Solisten

*Besetzung der rezensierten Aufführung


Laura
Anna-Katharina Behnke

Eduard
Peter Kovacs

Der schöne Hermann
Bernd Gilman

Herr M.
Bernd Könnes

Frau M.
Sonja Mühleck

Ein Standesbeamter
ein Fremdenführer
ein Hoteldirektor
Mathias Mann

Ein Zimmermädchen
Andrea Zabold

Ein Oberkellner
Bernd Schreurs

Sechs Manger
Anatoli Botscharnikow*/Junk-Baik Seok
Shin Nishino
Jan Szatkowski*/Jacek Jacunski
Hubertus Bohrer*/Eric Erlandsen
Dmitri Oussar*/Carlos Andueza
Miroslaw May


Weitere Informationen
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Pfalztheater Kaiserslautern
(Homepage)




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