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Hänsel und Gretel


Märchenspiel (Oper) in drei Bildern
von Engelbert Humperdinck
Dichtung von Adelheid Wette

Premiere im Theater Hagen
am 11.November 2000


Logo: Theater Hagen

Theater Hagen
(Homepage)

Märchen in der Gegenwart

Von Ralf Jochen Ehresmann / Fotos von Olaf Struck



Pünktlich zu Beginn der kalten Jahreszeit mit ihrer Hausse der häuslichen Wärme und der Heimeligkeit stehen allüberall die Märchenopern auf den Premierenplänen. Seit langen Jahren nimmt dabei "Hänsel und Gretel" von Engelbert Humperdinck den Spitzenplatz ein. Im Herbst 2000 möchte das Theater Hagen nicht abseits stehen und beteiligt sich am winterlichen Reigen, für dessen jahreszeitliche Orientierung allerdings keinerlei sachliche Gründe auszumachen sind.

Die Hagener Neuinszenierung zeigt ein weiteres Mal die Leistungsfähigkeit der kleineren Häuser unseres Landes. Diesmal gewinnt man mit viel Charme und Witz einige neue Aspekte aus einem Stück, das durch die Häufigkeit seiner Aufführungen allerorten der Regie Schwierigkeiten ganz anderer Art bereitet.

Szenenfoto Hänsel und Gretel begutachten die Beerenlese

Das Märchen darf auch in der abgeklärten Gegenwart ein Märchen bleiben, das uns von allerlei Wunderdingen erzählt. So finden sich gleich in der 1.Szene die Kinder (Marilyn Bennett, Peggy Steiner) nicht allein zuhaus, da Hund und Katze in Menschengröße pantomimisch um sie sind. Diese beteiligen sich auch weiterhin am gesamten Geschehen um die Kinder, lernen gemeinsam mit Hänsel das Tanzen, helfen beim Hausputz, teilen den Hunger und den Hinauswurf durch die Mutter.

Vaters Erscheinen bringt den ersten musikalischen Höhepunkt, dessen Partie Stefan Adam, aus Meistersingern und Tannhäuser noch in allerbester Erinnerung, mit viel Kraft und Wärme gestaltet. Im Verbund mit Mutter Gertrud (Dagmar Hesse ) werden sowohl die Not der Armut wie auch die Freude über den überraschenden Geschäftserfolgerfolg beim heutigen Besenverkauf glaubhaft vermittelt, wenngleich sein Bauchumfang die Illusion des Hungers leicht konterkariert.

Szenenfoto Die Hexe fängt Hänsel und Gretel mit einer Lakritz-Schnecke

Beim Szenenwechsel zum 2.Aufzug, von einem tanzenden Quartett aus Marionettenbesen gestaltet, entsteht der Eindruck ungeheurer Weite, wenn der Bretterverhau der elterlichen Wohnstatt, der die Bühne bis dahin zielgenau auf Hinterzimmertheaterformat stark eingeengt hatte, entschwindet und man dahinter und drumherum erkennt, was offenbar schon vorher da war, ein Wald von manchen Zauberwesen, natura animata. Die Beleuchtung tut das Ihre, um an Farbwundern beizusteuern, was die Kinder samt tierischer Begleitung stutzen macht. Die Traumpantomime hält sich dagegen auffällig brav an die Vorlage; alle 14 Englein postieren sich an ihren Standorten; und die Gegenwart hält Einzug, wenn sie ihre prozessionsgleich mitgeführten Elektrostabkerzen kollektiv anknipsen. Ihr Gesang aber entfaltet einen zarten Schmelz, dass man im Sitz versinken möchte; und während Hänsel sich noch auf dem Blätterbette wälzt und seiner Schwester die Zudecke streitig macht, schaukeln die Sterne zu einem dankenswert unpräzisen Dirigat, das das Pathos voll auskostet, bevor der Kleinste ganz vorn dem sich schließenden Bühnenvorhang hilft und das durchdampfte Parkett sich zur Durchlüftung in die Paus begibt. . .

Die Verwandlung zum 3.Akt verwendet dieselben Kulissen, bevor das Knusperhaus der Hexe hereingefahren wird und die humorigste Szene voller Slapsticks sich anschließt, ohne je falsch anzuecken.

Szenenfoto Die Hexe als Satansmeister vor Waffelkulisse

Die Inszenierung spart auch hier nicht am Märchenhaften. Übermannsgroße Regenwaldblätter geben eine irreale Kulisse ab, am herrlich windschiefen Hexenhaus gemahnen Gummibären im Kleinkindformat an die Bauchschmerzen, die ihr tatsächlicher Verzehr bereiten würde. Besonders die Lichteffekte in ihrer Farbenpracht verstärken die Faszination des Phantastischen und bescheren eine wahre Augenweide.

Spektakulär gerät der Auftritt der Hexe selbst, die von Werner Hahn bestens gestaltet wird. Ja genau, kein Lesefehler: Ein Hexenmeister besonderen Typs bewohnt das Knusperhaus, dessen Kinderkanibalismus dadurch eine interesante Note erfährt und der einige köstliche Technikplots motivieren half, die auch im Publikum spontane Zustimmung durch Gelächter erhielten, wenn beispielsweise am seitlich hereinfahrenden Hexenofen der obere Teil mit lautem Pfiff raketenförmig abhebt oder der Hexe fliegendes Verschwinden dadurch unterlegt wird, dass îhre Flugbahn im Bühnenhintergrund begleitet wird von stets kleiner werdenden Hexenmeisterspuppen samt Flugbesen, die an seilbahnartigen Bändern durch die Luft geführt werden. Das Ganze erhält auf diesem Wege eine kräftige Portion Pseudoerotik, v.a. dort, wo die Hexe auf ihrem Besen rumschrammelt wie ein Rockmusiker auf seiner E-Gitarre, ein Schauspiel erster Güte, das darin endet, dass die Hexe ihren Hexenschuss erleidet... Dennoch bleibt es dabei für die jüngeren ZuschauerInnen durchschaubar und verstärkt so kongenial die Grundanlage des Werkes, dass man sich fragen möchte, wieso Humperdincks das nicht gleich selbst so angeordnet hat.

Die Solisten sind ungleichgewichtig besetzt, ihre Gemeinsamkeit finden sie primär in der Stärke eines guten Schauspiels: Wo Gretel eingangs noch stricken darf, gibt Hänsel sich eher bubenhaft, was nicht heißt, dass nicht auch ihn die Furcht ergreift angesichts der aussichtslosen Heimkehrbemühungen. Vom kleinen Sandmann, sonst gut besetzt mit Stefanie Kunschke, die praktischerweise auch das Taumännchen singt, hätte man etwas mehr piano erhofft - ein Kind im Publikum beteiligte sich eifrig am "Sst" - und der Chor der erlösten Kinder intonierte sauberer als das begleitende Orchester

Szenenfoto Auch die Riesengummibärchen nehmen den Kindern die Angstnicht völlig

Die Aufführung dauert rund 21/4 Stunden,das Heft im wenig kompatiblen Quadratformat bringt einen knappen aber hochinterssanten Originalbeitrag der Dramaturgin Schmidtsdorff zur Funktion des Librettos als Verbürgerlichung der Grimmschen Vorlage.

Dem Hause wünschen wir noch viele Inszenierungen im offenbar gut gelingenden spätromantischen Repertoire und leicht daneben, ferner allerdings ein Premierenpublikum, das sich nicht primär hervortut durch fortgesetzes Gequatsche in mittlerer Lautstärke, v.a. wenn vorne gerade "nix passiert".


FAZIT

Nettes Märchenspiel, aus welchen Gründen auch immer (und, in Hinsicht auf die gepflückten Beeren landwirtschaftlich unglaubwürdig) zur Weihnachtszeit.


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Produktionsteam

Regie
Markus Michailowsky

Musikalische Leitung
Arn Goerke

Bühnenbild
Hartmut Krügener

Kostüme
Ilse Evers

Kinderchoreinstudierung
Celeste Barrett



Kinderchor des
Theater Hagen

Das Philharmonische
Orchester Hagen




Solisten


* Besetzung der Premiere

Peter
Stefan Adam* /
Horst Fiehl

Gertrud
Dagmar Hesse* /
Yamina Maamar

Hänsel
Marilyn Bennett* /
Elvira Soukop

Gretel
Magdalena Bränland /
Peggy Steiner*

Knusperhexe
Jürgen Dittebrand / Werner Hahn*

Sandmännchen
Stefanie Kunschke* /
Netta Or

Taumännchen
Stefanie Kunschke* /
Netta Or

Katze
Irene Ebel

Hund
Stefan Ferencz


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Hagen (Homepage)




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