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Così fan tutte


Dramma giocoso in zwei Akten
Musik von Wolfgang Amadeus Mozart
Text von Lorenzo Da Ponte

Premiere am Theater Hagen
am 14. April 2001


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Theater Hagen
(Homepage)

Ein Fall für den Psychater

Von Stefan Schmöe / Fotos von Olaf Struck



Cosí fan tutte ist ganz sicher eines der boshaftesten Werke der Opernliteratur. Nirgendwo sonst stellt Mozart seine Charaktere derart bloß, springt so zynisch mit ihnen und ihren Gefühlen um wie hier. Hinter der bestenfalls mäßig lustigen Rokoko-Komödie mit all' ihren kaum erträglichen Konventionen verbirgt sich ein Drama, dass das Wertesystem – auch unser heutiges - ganz gehörig in Frage stellt. Diese Erkenntnis ist nicht ganz neu; zwar ist das 19. Jahrhundert verächtlich über Cosí hinweggegangen, aber in den letzten Jahrzehnten gehört die Oper fest ins Repertoire – auch in das kleinerer Häuser, schließlich ist ein 6-Personen-Stück auch bei beschränktem Etat ganz gut machbar.

Szenenfoto Don Alfonso (mitte) macht die Probe aufs Exempel: Werden Fiordiligi (links) und Dorabella der Versuchung widerstehen können und treu bleiben?

Auf den Bühnen hält sich die Rokoko-Niedlichkeit aber hartnäckig fest, und zwar auch in vorgeblich modernen Inszenierungen: Gerade Versuche, die auf den ersten Blick ebenso unsinnige wie unsägliche Handlung irgendwie plausibel zu machen, haben die Harmlosigkeit hervorgekehrt und die Abgründe verdrängt. Der Gedanke, dieses Stück könnte auch heute spielen, ist absurd; das Stück kann zu keiner Zeit spielen, weil es hochgradig unrealistisch, oder besser: artifiziell ist. In Hagen versucht es Thomas Wünsch nun andersherum: Er belässt die Handlung in einer (angedeuteten) historischen Sphäre und erteilt gleichzeitig dem Realismus eine Abfuhr.

Es gibt so etwas wie einen Gartensaal (darin steht in wohltuender Sparsamkeit als einziges Requisit ein viel benutztes Sofa); es gibt so etwas wie einen Zeitablauf (das Licht ändert sich, ein riesiger Mond zieht auf), aber Ort und Zeit scheinen gleichsam aufgehoben. Und die Akteure treten immer wieder heraus aus dem Spiel, als ob sie das Geschehene in ihren Arien reflektieren müssen. Aber es gibt auch so viel Realismus, dass das Spiel funktioniert: Jede Person erhält ihren, sehr sorgfältig ausgearbeiteten Charakter.

Szenenfoto Im Versuchsszenario werden die Verlobten der beiden vorgeblich auf Reisen geschickt, um dann verkleidet wieder aufzutauchen - und der jeweils falschen Dame den Hof zu machen. Eine vorgetäuschte Vergiftung soll die Angelegenheit beschleunigen, also liegen die Herren am Boden, die Damen sind betroffen, und Kammermädchen Despina, als vermeintlicher Arzt hier mit Maske, ist ebenfalls in das Verwechslungsspiel einbezogen.

Zu Beginn sieht man Alfonso und die beiden doch angeblich so unsterblich Verliebten Ferrando und Guglielmo sich mit einer käuflichen Dame amüsieren, woran besonders Ferrando seinen Spaß hat. Offenbar ist das Treueverständnis dieser Herren ein sehr einseitiges, weil ausschließlich von den Herzensdamen einzuhaltendes. Umgekehrt sind die Damen ein wenig hochnäsige Adelige, deren Treuebegriff wohl ein solcher ist, der sie vom einfachen Volk unterscheidet. Die Gefühle sind von den gesellschaftlichen Konventionen bestimmt. Da muss schon das Kammermädchen kommen, um mit den Damen Klartext zu reden: Wer ein paar Mal sitzengelassen worden ist, gibt nicht mehr viel auf rituelle Treueschwüre. Gerade die (sehr witzigen) Auftritte der Despina, die fast immer ins ausschließlich niedliche abrutschen, gelingen in Hagen ganz ausgezeichnet. Mit der blutjungen Tanja Schun ist die Rolle ausgezeichnet weil glaubwürdig besetzt: Diesem Mädchen nimmt man ab, was sie spielt.

Szenenfoto Prompt hat es sich dann auch mit der Weibertreue: Dorabella zeigt dem Fremden (der eigentlich der Verlobte ihrer Schwester ist, aber Opernsänger merken so etwas immer erst, wenn es zu spät ist) viel Bein.

Das schlimme Spiel der Herren mit den ach so untreuen Weiberherzen führt zu einem Desaster: Zu böser Letzt sind nicht nur alle Liebesbeziehungen kaputt, sondern das Personal reif für den Psychater. Das Finale wird dem Publikum ziemlich aggressiv entgegen geschmettert – das ist alles andere als ein lehrreiches Happy-End. Und die Bediensteten stehen in revolutionärer Pose bereit, den ganzen adeligen Haufen zu lynchen – da wird die zeitliche Nähe zur französichen Revolution deutlich.

Dieses anspruchsvolle Konzept geht aus zwei Gründen auf: Zum einen ist das Hagener Ensemble schauspielerisch äüßerst präsent, zum anderen zeichnet Dirigent Georg Fritzsch die Entwicklung der Figuren sehr genau nach. Das Philharmonische Orchester Hagen spielt hochkonzentriert, und dadurch entwickelt sich eine stringente Deutung der Partitur, die gut mit dem Bühnengeschehen abgestimmt ist. Das ist erfrischend weit weg vom Routinebetrieb. Und es ist stets durchsichtig und sängerfreundlich.

Szenenfoto Cosí fan tutte, oder wie es in Deutschland heißt: So machens alle. Ferrando (links) und Guglielmo (mitte) schauen in den Mond, Alfonso hat seine perfide Wette gewonnen.

Das Ringen um und mit der Partitur hört man auch den Sängern an, im Guten wie im Schlechten. Zuerst das Gute: Das ist vor allem die Wucht, mit der Dagmar Hesse die Partie der Fiordiligi singt. Sie hat nicht nur strahlende Höhen, sondern höchste Intensität in jedem Ton. Elvira Soukop als Dorabella kann da nicht mithalten; zu oft forciert sie die Stimme (und dann recht unkontrolliert ist), und dadurch ist sie oft einfach zu laut und fällt aus dem Gesamtklang heraus. Dominik Wortig als Ferrando beginnt mit einem Wohlklang, dass einem der Atem stockt – und bricht im Verlauf des ersten Aktes völlig ein; das gleiche wiederholt sich im 2. Akt. Premierenfieber? Hans Lydman singt einen sehr, sehr schlanken, aber akkurat sauberen Guglielmo. Tanja Schun ist, wie oben bereits erwähnt, eine reizende Soubrette, auch stimmlich. Dem Don Alfonso von Arnd Gothe fehlt leider ganz entschieden das stimmliche Gewicht.

Auch wenn man gelegentlich die Mühen spürt, ist die Produktion sehr eindrucksvoll. Cosí fan tutte erweist sich nämlich, ungeachtet des historisch-politischen Kontextes (der sonst fast immer unterschlagen wird) als zeitlos. Der Ernst, mit dem hier den großen Gefühlen auf den Grund gegangen wird, wiegt mehr, als wenn man die Story in den rheinischen Karneval oder auf das Traumschiff verlegt. In Hagen ist mehr als in vielen anderen Inszenierungen etwas von Mozarts Boshaftigkeit zu spüren.


FAZIT

Keine musikalisch perfekte Produktion, aber eine, die manchem allzu glatten Perfektionismus vorzuziehen ist.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Georg Fritzsch

Inszenierung
Thomas Wünsch

Bühnenbild
Reinhard Wurst

Kostüme
Ute Frühling

Dramaturgie
Ute Schmidtsdorff

Choreinstudierung
Konrad Haenisch



Das Philharmonische
Orchester Hagen


Chor und Statisterie
des Theater Hagen


Solisten

*Besetzung der Premiere

Fiordiligi
Magdalena Bränland
Dagmar Hesse*

Dorabella
Marilyn Bennett
Elvira Soukop*

Guglielmo
Werner Hahn
Hans Lydman*

Ferrando
Volker Thies
Dominik Wortig*

Despina
Tanja Schun

Don Alfonso
Arnd Gothe


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Hagen (Homepage)




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