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Broadway an der Ruhr: Nun also doch!
Von Markus Bruderreck
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Fotos von Andrea Kremper
Erst ein paar Monate ist es her, dass in Dortmund ein internationaler Musicalkongress stattgefunden hat. Wissenschaftler und Fachleute, Laien und Profis kamen in den Westfalenhallen zusammen, um unter anderem auch über das Musical im Ruhrgebiet zu sprechen. Ein Konsens des Kongresses: Das Ruhrgebiet gleicht zur Zeit mehr einer Abspielstätte des Immergleichen, als dass von ihm neue Impulse ausgingen. Musicals in Stadttheatern kennt man auch zur genüge: "My fair Lady" wechselt ewiglich mit "Kiss Me Kate" oder "Anatevka". Nichts Neues also im Revier? Ja. Aber auch wieder nicht. Denn das Theater in Dortmund hat sich nun an die Musicalversion des Films "Victor/Victoria" gewagt: Mit überwältigendem Ergebnis! Dortmunds Aufführung hat Broadway-Niveau. Andrew Lloyd Webbers Werke und die kommerziellen Unternehmen, die den Zuschauern die Hunderter aus der Tasche ziehen, können gegen dieses Preis-Leistungsverhältnis nicht ankommen. Zunächst ist "Victor/Victoria" einmal ein zugkräftiges, witziges, inhaltsreiches Stück, das zudem mit dem rechten Gran Pariser Melancholie versehen ist. Es geht um Geschlechteridentitäten genauso wie um Emanzipation, der Frauen wie der (nicht nur schwulen) Männer. Ein Thema, das über alle Zeiten hinweg aktuell bleiben wird. Alles stimmt in der Dortmunder Aufführung von "Victor/Victoria". Vom Gesanglichen her sind alle Rollen durchgehend optimal besetzt. Susanna Panzner gibt zunächst eine verschüchterte Victoria, dann einen Victor, dessen Selbstbewusstsein trotzdem aber noch auf etwas wackeligen Beinen steht. Evelyn Werner ist als Nora ein Liebling des Publikums: Als Freundin von King, blond und strunzdumm, nervt sie nölend und kreischend alle Welt. Squash Bernstein ist als Figur etwas eindimensional - und auch holzig und unbeholfen. So wird sie, angebrachterweise, von Thomas Gumpert gespielt. Auch kleinere Rollen sind exzellent besetzt, als Jazz-Sänger überzeugt zum Besipiel Lemuel Pitts, und als beleibter (und natürlich auch schwuler) Impresario Cassell Uwe Falkenbach. Hartwig Rudolz als King Marchan spielt verbindlich, wenn auch zuweilen etwas "Stadttheater-like". Hannes Brock ist der überragende Star der Inszenierung. Er spielt die alternde Tunte derart natürlich und überzeugend, als wär's ein Stück von ihm. Sensationell ist das Orchester aus Mitgliedern der Dortmunder Philharmoniker und "Le Jazz-Hot-Big-Band". Aus dem Graben kracht es nicht nur, auch zarte Töne kommen präzise und geschliffen. So muss ein Musicalorchester sein! Die Klangbalance zwischen Graben und Bühne ist perfekt, niemals werden die dezent mit Mikroport ausgestatteten Akteure von den Musikern zugedeckt. So kann die Partitur Mancinis, von ihm (und das ist nicht selbstverständlich) eigenhändig orchestriert, aufblühen. "Victor/Victoria" hat vielleicht keinen Superhit, den der Zuschauer mit nach Hause nehmen kann, dafür aber einige schmissige Nummern und melancholische Songs über die Verwirrung der Gefühle. Die Vorlage, der Film von 1982 (übrigens eine der schönsten Komödien, die jemals gedreht wurden), ist natürlich überall spürbar. Mancini selbst hielt ihn für "einen der perfektesten Filme, die ich je gedreht habe" und erhielt damals für seine Partitur einen Oscar. Die Musicalversion, versehen mit zusätzlichen Nummern von Frank Wildhorn, hatte erst 1995 am Broadway Premiere, 1998 dann in Europa (Staatsoperette Dresden).
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Produktionsteam
Musikalische Leitung
Regie
Co-Regie
Choreografie
Bühne
Kostüme
SolistenVictoria GrantSusanna Panzner
Toddy
Norma Cassidy / Mme. Selmer
King Marchan
Henri Labisse
André Cassell
Squash Bernstein
Sal Andretti
Jazz-Sänger / Juke
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- Fine -