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Gefangen in den Räumen von Macht und Unrecht
Von Meike Nordmeyer
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Fotos von Eduard Straub
Das flehende Volk und der zerissene Herrscher bilden die Spannungfelder dieser Oper Mussorgskijs. In leuchtenden Gelb- und Beige-Tönen vor dunkler Bühne wird die Volksmenge in der Düsseldorfer Inszenierung gezeigt und dadurch entsprechend herausgehoben. Das Volk hungert und ächzt unter der Behandlung der Bojaren und deren Wächter, aber dabei ist es doch in so schöne Gewänder gehüllt, und passend zu diesem Farbrausch produziert der Chor seinen Klangrausch. Die Menschen werden so zur einen Menge modelliert durch Farbe und Gesang. In auschließlich dunklen Tönen gekleidet, herrschaftlich in schwarz und gold, sind die Geistlichen und die Herrscher dagegen, und sie wandeln in dunklen Räumen. Diese Räume werden geschickt auf leicht schräger Spielfläche produziert: Auf leerer Bühne steht ein großer dunkelbespannter aber sichtdurchlässiger Paravent, der von diskreten Höflingen stets zu neuen Konstellationen gestellt wird. Räume entstehen, die nicht nur vom Volk abgrenzen, sondern zugleich eingrenzen in Spähren der Macht und der Einsamkeit. Mit wenig Aufwand ist diese wandelbare Bühnengestaltung von Johannes Schütz gelungen, schlicht aber wirkungsvoll gemacht, dabei stets gut ausgeleuchtet (Licht: Ulrich Eh). Herrschaftlicher Auftritt von Boris (Jaako Ryhänen), noch in seiner ganzen Stärke. Auffällig bleibt dazu die Kostümwahl, beim Volk noch wirkungsvoll kontrastiert, wenngleich geschönt, bei Geistlichen und Herrschern schon gleichsam einer Ausstattungsoper zugehörig. Dazu entwickelt Regisseur Stein Winge eine Personendarstellung, die sich ganz hausbacken und recht schwerfällig gibt und damit nicht so recht zu der reduzierten Bühnenbehandlung passen will. Gerade die Szene in der Schenke gerät sehr burlesk, die heikle Situation wirkt kaum gefährlich und ist der Geschichte nicht angemessen. Die Inszenierung fällt hier im unterschiedlichen Stil der Bühnen- und der Personenbehandlung eigentümlich auseinander. Dabei ist man um verbindende, umklammernde Elemente bemüht, wie sich an der Darstellung des Gottesnarrs zeigt, der nahezu die ganze Zeit auf der Bühne wandelt und Blicke auf sich zieht. Durch feines Spiel kann Dietmar Kerschbaum hier berühren, als ein Narr, der scheinbar traumwandlerisch doch vielmehr ahnend den Lauf der Dinge beobachtet. Bedeutungsvoll soll das sein, es bleibt in seinem Ansinnen dann aber vereinzelt. Pimen (Malcolm Smith) schont Boris (Jaako Ryhänen) nicht. Der Wille zur reduzierten Gestaltung der Geschichte zeigt sich dann auch weiterhin im Hause des Herrschers. Vater und Sohn bewegen sich auf der großen Landkarte des Reiches, ein mit den Ländereien des Vaters bemaltes Tuch, an dem der Sohn noch pinselt und in das sich der Vater schließlich verwickeln wird. Nicht schlecht ist die Idee, schön gemacht, sie greift aber doch letztlich etwas zu kurz, als ginge es nur um die Frage des Besitzes und der Ländereien. Etwas grob und ungehobelt bewegt agiert darauf auch der Boris in seinen wahnhaften Ausbrüchen, bei denen er sich einhüllt in das Tuch. Die Person wird von der Regie nicht gerade fein gezeichnet. Allerdings bietet der Darsteller Jaako Ryhänen im gesanglichen Ausdruck dafür umso mehr. Intensiv gestaltet wird von ihm der zunehmende Wahn des schuldigen Herrschers. Ryhänen erweist gute Tonführung in vielgestaltiger Färbung, bis zum Schluss wird die Partie mit viel Spannung dargestellt. Ein großer, zerissener Boris konnte da Gestalt werden, eine Figur, die den Abend trug. Vor seinem Ende beschwört Boris (Jaako Ryhänen) seinen Sohn Feodor (Katrin Heinz). Die andere entscheidende Figur ist der Mönch Pimen. Malcolm Smith verstrahlte als Pimen stark die Alterswürde und den weisen Mahner. Smith bot bei der hohen Austrahlungskraft in der Verkörperung dieser Rolle auch passable stimmliche Gestalung, wenngleich nicht immer ganz ohne Probleme vor allem in der Intonation. Andrej Lantsov als Novize Grigorij glänzte mit leuchtender Stimme, machte damit seine eher farblose schauspielerische Darstellung der Figur wett. Aufmerken ließ zudem Anke Krabbe als Tochter Xenia in ihrer kurzen Szene, in der sich der Ausbruch des Schmerzes ereignet. Katrin Heinz als Sohn Feodor blieb bei soweit solider Leistung eher blass. Mit klangvollem Vortrag unterstrich Dietmar Kerschbaum seine intensive Darstellung des Gottesnarrs. Hauptakteur des Abends war neben Boris auf jeden Fall der Chor, der intensivem Zusammenklang erreichte und mit drängender Kraft auch die eindringlichen enervierenden Töne wirken lassen konnte. Getragen wurden die Sänger vom anspruchsvollen Spiel des Orchester unter dem zügigem und konzentriertem Dirigat von John Fiore. Hier wurde sich eingelassen auf die besondere Tonsprache von rauschhaftem Klang sowie auch seinen unvermittelten Schroffheiten. Der gestalterische Verlauf gelingt im hohen Maße verdichtet und da mitunter sogar zu durchgängig, so dass gewisse besondere Abschnitte in ihrer Eigenfunktion, wie zerimonielle Szenen und Auftritt des Herrschers, fast zu sehr sich einpassten. Die anspruchsvolle musikalische Ausführung fügte sich mit der Bühnenwirkung zu einer beeindruckenden Umsetzung der Oper zusammen.
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ProduktionsteamMusikalische LeitungJohn Fiore
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Licht
Chor
Solisten
Boris Godunow
Feodor
Xenia
Amme der Xenia
Fürst Wassilij Iwanowitsch Schuiskij
Andrei Schtschelkalow
Pimen
Grigorij
Warlaam
Missaïl, Landstreicher
Eine Schenkwirtin
Gottesnarr
Nikititsch, Hauptmann
Mitjuche, ein Bauer
Ein Leibbojar
Vogt
Bauern
Bauersfrauen
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- Fine -