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Veranstaltungen & Kritiken Musiktheater |
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Verehrung des Helden nährt Liebe und ZornWenn der Saul zur Oper wirdVon Stefan Schmöe / Fotos von Thilo Beu
Barockopern sind etwas für Liebhaber und Spezialisten. Diese tummeln sich dann auf diversen Händel-Festspielen in Karlsruhe, Göttingen, Halle oder sonst wo. Die Staats- und Stadttheater nehmen gelegentlich auch ganz gerne mal einen Händel ins Programm auf, aber mehr der Abwechslung als der konsequenten Werkpflege halber, und die Aufführungsbedingungen sind selten ideal. Ein Orchester und ein Sängerensemble, die heute Verdi, morgen Mozart und übermorgen Wagner bewältigen müssen, stoßen bei Händel naturgemäß an ihre Grenzen - diese Musik ist längst eine Sache von Spezialisten geworden, die ihr Repertoire auf eben diese Epoche eingeschränkt haben. In Bonn ist das nicht anders; mit den Mitteln, die einem Stadttheater zur Verfügung stehen, hat man sich auf eine szenische Fassung von Händels Oratorium Saul eingelassen. Herausgekommen ist ein kleines Wunder: Ausverkaufte Vorstellungen, Ticketlose mit Schildern "Suche Karte" vor den Türen. Dieses Bonner Opernwunder hat viele Wurzeln. Einerseits singt und spielt da ein Ensemble mit ungeheurem Engagement. Puristen werden den historischen Klang vermissen, aber die Intensität, mit der unter der fabelhaften Leitung von Jos van Veldhoven sowohl das Orchester als auch die Sänger musizieren, teilt sich dem Publikum unmittelbar mit. Zwar ist manche Figur zu starr - es fehlt mitunter barocke Agilität, das reagieren auf die Rhetorik dieser Musik - aber die Musik ist ganz hervorragend abgestimmt mit der szenischen Realisierung (und das ist die andere Wurzel). Regisseur Dietrich Hilsdorf inszeniert konsequent mit der Musik, choreographiert geradezu, und bis zum letzten Choristen sind die Gesten und Bewegungen nicht nur klug durchdacht, sondern auch perfekt ausgeführt. Allein schon diese handwerkliche Meisterleistung macht die Aufführung zu einem Erlebnis.
Bereits das Libretto von Charles Jennens rückt die biblische Geschichte von König Saul, der den vom Volk umjubelten Kriegshelden David aus Neid töten will, in die Nähe der Shakespeare'schen Königsdramen. Hilsdorf folgt dieser Linie: Sein Saul ist ein aufgeklärter Monarch ohne jede alttestamentarische Größe. Georg Zeppenfeld gestaltet den zerissenen Herrscher mit grandioser Sturheit. Die rätselhafte Bühne von Johannes Leiacker, ein (post-)barocker Festsaal (aus dessen Rückwand Körperumrisse herausgeschnitten sind, die ins Fegefeuer zu fallen scheinen) mit zerborstenen Scheiben zum Hinterhof, entrückt das Geschehen gleichzeitig einem konkreten historischen Ambiente.
Die Hofgesellschaft zerbricht an der Erscheinung Davids. Dieser blonde junge Mann zieht alle in seinen Bann, Männer wie Frauen. Seiner Ausstrahlung kann sich keiner erwehren, sie zwingt zu extremen Reaktionen: In dem Maße, wie die anderen ihn vergöttern, muss Saul ihn hassen. Dabei ist David eigentlich ein Feigling, der sich unterm Tisch (oder notfalls auch mal unter dem Rock einer Dame) versteckt, wenn es brenzlig wird: Ein Held ist er durch die Aura, die ihn umgibt, nicht wegen Heldenmutes. Der Sopranist Jörg Waschinski verkörpert dies großartig. Seine weiche, knabenhafte Stimme drückt jugendliche Unschuld ebenso aus wie das Verlockende, das er ausstrahlt. Und Hilsdorf versteht es, ihn in Szene zu setzen. Im schönsten Moment der Aufführung, wenn er den Wüterich Saul mit seinem Harfenspiel besänftigen soll, holt er eine Musikerin aus dem Orchestergraben und führt sie mit einer überwältigenden Mischung aus sanfter Zärtlichkeit und Nachdruck an die Harfe. Hier gelingt ein großer Theatermoment, der das Publikum den Atem anhalten lässt.
Hilsdorf und Leiacker brechen die Geschichte auf, deuten manche Textstellen um, aber nicht im Sinne einer konsequent linearen Geschichte, sondern mehr im Hinblick auf die Psychologie. Besonders betont wird die homoerotische Komponente der Freundschaft zwischen David und Sauls Sohn Jonathan (mit beweglichem, strahlenden Tenor von Mineo Nagata gesungen). Damit gibt er den Lobliedern Jonathans auf David, aber auch Davids Klage um den toten Jonathan eine dramatische Funktion, die das Werk nicht nur zusammenhält, sondern ausgesprochen spannend macht. In dieser Konstellation gewinnen auch die beiden Töchter Sauls ein psychologisch scharfes Profil: Merab, die als einzige Davids Schwächen durchschaut und "rational" handelt (und deshalb die Vermählung mit ihm ablehnt), und Michal, die verliebt um David kämpft. Ann-Christine Larsson und Susanne Blattert können dies musikalisch wie darstellerisch ausgezeichnet verkörpern.
Durch die geschickten, teilweise ganz bewusst theatralischen Auftritte des Chors, der im Oratorium natürlich eine dramaturgisch andere Funktion hat als in der Oper, verhindert Hilsdorf oratorische Statik, die bei einer szenischen Realisation droht. In einem einzigen von Hilsdorf einstudierten Chorauftritt steckt mehr Personenregie als in einer kompletten Inszenierung manch anderen Regisseurs. Dazu benötigt man natürlich auch Choristen, die das mitmachen, und die gibt es in Bonn. Musikalisch hört man gelegentlich, dass hier viele solistisch ausgebildete und im romantischen Repertoire beheimatete Sänger agieren, aber vor allem in den polyphonen Passagen besticht der Chor durch hohe Präsenz.
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ProduktionsteamMusikalische LeitungJos van Veldhoven
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Chor
Continuo: SolistenSaulGeorg Zeppenfeld
Jonathan
Merab
Michal
David
David's Celestial Harp
Hoherpriester
Abner
Doeg
Hexe von Endor
Der Geist Samuels
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