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Die Hochzeit des Figaro
Komische Oper in vier Akten
Text von Lorenzo Da Ponte
Deutsche Übersetzung von Nicolas Brieger
und Friedemann Layer
bearbeitet von Paul Esterhazy
Musik von Wolfgang Amadeus Mozart


3 1/2 Stunden, Pause nach dem Zweiten Akt

Premiere am Theater Aachen am 30. September 2000


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Theater Aachen
(Homepage)

Figaros Hochzeit als Liederabend mit Pantomimik

Von Heike Schumacher



Erwartungsvoll strömte das Aachener Publikim zur ersten musikalischen Inszenierung des neuen Intendanten Paul Esterhazy in den Zuschauerraum und wurde gleich vom Bühnenaufbau überrascht: der Orchestergraben abgedeckt, eine Spielfläche mit schrwarz-glänzender Oberfläche und das Orchester im Bühnenhintergrund auf der Bühne platziert: Das schien zunächst eher auf ein Sinfoniekonzert hinzudeuten. Mozart und seine Musik stellt Esterhazy klar in den Vordergrund seines Konzeptes, kein Schnickschnack, keine Regie-Gags sollen den puren Musik-Genuss verstellen.

Ebenso offen die gesamte noch benötigte Trickkiste des Theaters: auf der rechten Bühnenseite die deutlich vernehmbare Souffleuse mit einem Arsenal an Klatsch-Balken, Türklinken, Schellen und Klingeln, links ein Cembalo, das für sich als Augenschmaus das einzige Anzeichen für die Mozart-Zeit ist. Während der Ouvertüre nehmen die Sänger im Dunkeln ihre Plätze ein, in schwarz-weißer moderner Unterwäsche und später Bürokleidung liegen sie auf dem blanken Boden. Bei den ersten Gesangstakten stellt sich heraus, daß hier auf jede weitere Zutat verzichtet wird: nur die Sänger auf dem großen Podest, ganz nah an den Zuschauern, und die Musiker füllen die Bühne. Nicht ein Requisit, und sei es auch nur einer der zahlreichen Briefe, lenkt die Aufmerksamkeit von den Sängern ab. Räume, Bäume, Türen, Fenster, all dies bleibt der pantomimischen Darstellungskraft der Sänger und der Phantasie des Publikums überlassen. Ein Glück, daß zumindest in der Opernsprache Zugeständnisse gemacht wurden und nicht in italienischer Sprache gesungen wird, sonst wäre der Unkundige in diesem Verwirrspiel der Intrigen, des Scheinhaften und der Verwechslungen hilflos herumgeirrt.

Esterhazy bringt die Langfassung der Oper auf die Bühne, behutsam aktualisiert er den Text und verstärkt dadurch den Wortwitz. Die strengen schwarz-weißen oder grauen Kostüme von heute, die auch zuweilen als Requisitenersatz herhalten müssen (Cherubino etwa versteckt sich nicht unter dem Sessel, sondern unter dem Rock Susannas und die zahlreich benötigten Brautschleier werden kurzerhand aus Oberhemden gebunden) haben einen Nachteil: alle Stände, Diener wie Herren, sind nicht mehr auseinanderzuhalten- das Verkleiden der Gräfin mit Susannas Kleidern ist eigentlich überflüssig, da sie sowieso gleich gekleidet sind. Esterhazy legt den Akzent der Aufführung offensichtlich nicht auf die Sozialkritik. Ihm geht es um das allgemein Menschliche, das Verwirrspiel der Gefühle und Begehrlichkeiten, ein immerwährender rascher Wechsel, in dem keiner mehr weiß, wen er gerade verehrt oder wem er sein Liebesgeständnis macht. Symbolfigur der Inszenierung ist der intrigante Malvolio, den Esterhazy als Blinden kostümiert, die einzige Figur ganz in weiß. So zeigt er gerade diejenigen, die meinen, sie zögen alle Fäden, als diejenigen, die eben keinen Durchblick haben. Über die planende Ratio siegt doch letztlich das Gefühl.

Esterhazys Entschluss zur absolut armen Bühne fordert das Publikum genauso wie die Sänger. Bei allem Respekt für diese radikale Weglassung alles Gewohnten hat diese Inszenierung im Musikthater ihre Tücken. Häufig müssen die Sänger mit dem Rücken zum Publikum singen. Die Führung von Boncompagni ist auf die indirekte Wiedergabe auf einer Videowand angewiesen, damit die Sänger Kontakt zu ihm haben können. Und auch die Platzierung des Orchesters auf dem hinteren Bühnenteil ist akustisch nicht von Vorteil, im Parkett zumindest klang es äußerst dumpf. Das Konzept der absoluten Armut, der Desillusionierung des Publikums über die Theater-Tricks, wird dann durch solche nötigen Kunstgriffe wie Monitore und Verstärkungen allerorten doch wieder eingeschränkt. Auf jeden Fall ist es ein spannendes Experiment, das aber vielleicht nicht über die ganzen 3 1/2 Stunden tragen kann.

Die Inszenierung ist schnell, baut ganz auf die Darstellungskraft, mimischen Fähigkeiten und Bühnenpräsenz der Sängerinnen und Sänger. Auf sich gestellt, in jedem "Hänger" durch die laut agierende Souffleuse ganz dem Publikum ausgesetzt, bewähren sich die Sänger und Sängerinnen hervorragend. Solch ein Wagnis ist wohl auch nur mit einem so jungen und spielfreudigem Ensemble wie diesem möglich.

Esterhazy hat ein neues Ensemble zusammengestellt, alle Mitglieder im Alter zwischen 25 und 32 Jahren, nur einige wenige sind noch aus dem Stamm der vorherigen Aachener Sänger übrig geblieben. Für einige ist dieses das erste feste Engangement und Esterhazy setzt hier einen bewußten Akzent: er möchte dieses Ensemble fest an das Haus und das Publikum an das Ensemble binden und so eine neue Art des Provinztheaters im positiven Sinn schaffen. Die Stimmen, die er verpflichtete, sind es wert: eine spritzige Sabine Goetz als Susanna (manchmal noch etwas wenig tragfähig), ein Cherubino (Carola Günther), die stimmlich alle weiteren Damen übertraf. Heikki Kiilpeläinen als Graf Almaviva, ebenfalls stimmlich einwandfrei, agierte allerdings eher leidenschaftslos, ihm nimmt man den Schürzenjäger nicht ab. Auch Lisa Graf als verzweifelte Gräfin hat nicht ihre Stärken im großen Gefühl, sondern in den kleineren, lustigen und spritzigen Szenen. Derrick Lawrence als Figaro glänzte ebenfalls durch Bühnenpräsenz, Spielfreude und bewegliche Stimme, in den Höhen präsentierte er sich nicht überzeugend. Aber diese Kritikpunkte an den Stimmen betreffen Nuancen, die auch an der Jugend der Darsteller liegen und die insgesamt einen frischen Wind in die Opernwelt bringen. Die Jugendlichkeit ging so weit, dass die Sängerin der Barbarina (Bernadette Kiss) direkt dem Kinderchor entsprungen zu sein schien, eine gänzlich unverbildete, fast könnte man meinen noch gar nicht ausgebildete Stimme, sollte wohl die Kindlichkeit dieser Rolle hervorheben. Alle Rollen sind übrigens doppelt besetzt, so daß der Premiereneindruck wieder ganz anders sein kann als eine Vorstellung mit einer anderen Sängerzusammenstellung - das Paar Figaro-Susanna möchte man aber gar nicht ausgetauscht wissen, es präsentierte sich hervorragend aufeinander eingespielt und harmonierte stimmlich gut.

Insgesamt ist es eine erfrischende Inszenierung, die gekonnt auf Bewährtes verzichtet. Allerdings blieb die Ernsthaftigfkeit des Figaro hintangestellt, im Vordergrund steht das Wechselspiel der Verkleidungen, Verirrungen und Verwechslungen. Die ganz großen Gefühle wurden eben nicht präsentiert. Alles wird gut, das scheinen Sänger und Publikum vom ersten Takt an zu wissen und lassen sich auf einen spritzigen, komödiantischen Mozart ein.


FAZIT
Einfach-neu, jung und temporeich - eine Inszenierung die sich ganz auf ihre Sänger-Darsteller verlassen kann


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Elio Boncompagni
Jeremy Hulin *

Inszenierung
Paul Esterhazy

Bühne
Pia Janssen

Kostüme
Susanne Hanf

Choreinstudierung
Bernhard Moncado

Dramaturgie
Sophie Becker



Sinfonieorchester Aachen

Opernchor des theater Aachen

Cembalo
Peter Bortfeldt
Renée Derks *



Solisten

Der Graf von Almaviva
Heikki Kilpeläinen
Hans Lydman *

Die Gräfin von Almaviva
Lisa Graf
Anja Vincken *

Susanna, Braut des Figaro
Sabine Goetz
Kristina Totzek *

Figaro
Derrick Lawrence
Jaroslaw Sielicki *

Cherubino, Page des Grafen
Carola Günther
Sibylle Fischer *

Marcellina
Sibylle Fischer
Stefanie Breuer *

Bartolo, Arzt aus Sevilla
Jaroslaw Sielicki
Martin Busen *

Basilio, Musiklehrer
Michel Ende
Andreas Joost *

Don Curzio, Richter
Frank Albrecht
Detlev Beaujean *

Barbarina, Tochter des Antonio
Bernadette Kiss
Dana Huppertz / Miriam Pilters *

Antonio, Gärtner des Grafen
und Onkel der Susanna
Martin Busen
Johannes Piorek *

* Alternativbesetzung


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Aachen (Homepage)




Da capo al Fine

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