Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musiktheater
Zur OMM-Homepage Zur Musiktheater-Startseite E-mail Impressum



Vec Makropulos
(Die Sache Makropulos)

Oper in drei Akten von Leos Janacek
Text vom Komponisten nach der gleichnamigen Komödie von Karel Capek
In tschechischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Premiere im Opernhaus Köln
am 4. Juni 2000


Logo: Oper Köln

Bühnen der Stadt Köln
(Homepage)

Der dunkle Lauf der Geschichte

Von Stefan Schmöe / Foto von Klaus Lefebvre



Janacek ist nach wie vor eine der größten Herausforderungen für eine Opernbühne, die nicht gerade in Tschechien beheimatet ist: Zwar ist die Musik großartig, aber in ihrem engen Bezug zur tschechischen Sprache ausgesprochen komplex und für ein der Sprache unkundiges Publikum sicher nur teilweise zu erschließen. Haben Jenufa und Katja Kabanova immerhin noch einigermaßen der Opernkonvention entsprechende Libretti, so ist die Sache Makropulos auch inhaltlich hochgradig komplex und daher noch schwieriger. Der merkwürdige Lauf der Operngeschichte will es nun, dass im Wochenabstand die Bühnen in Köln und Düsseldorf sich der schwierigen Materie annehmen.

Der Inhalt der Oper:

Emilia Marty ist eine sehr alte Dame. Trotz mehr als 300 Jahren erfreut sie sich blendenden Aussehens, einer geheimnisvollen Formel wegen: Die "Sache" Makropulos (der Titel ist mehr schlecht als recht ins Deutsche übersetzt) ist eine Formel, ein Zauber, der ewige Jugend verleiht. Wenigstens beinahe, denn nach 300 Jahren lässt die Wirkung der Rezeptur nach, die ein gewisser Makropulos, Leibarzt Rudolfs II., an seiner eigenen Tochter ausprobierte. Die benötigt nun - inzwischen unter dem irreführenden Namen Emilia Marty unterwegs - dringend eine Auffrischung. Nur: Die "Sache" ist weg.

Irgendwann, hundert Jahre ist's her, hat sie sich - natürlich unter falschem Namen, damals Ellian MacGregor - in einen Baron verliebt und dem die "Sache" vertraulich überlassen, und da liegt sie nun. Die regelmäßigen Namenswechsel hatten immerhin zur Folge, dass daraus ein handfester Erbstreit entstand, und den will die Dame nutzen, um die "Sache" wieder zurück zu erhalten. Die Prozessgegner Abert Gregor und Baron Prus (und auch noch dessen Sohn Jatek) verfallen ihrer Schönheit, alle anderen ihrer Kunst - sie ist Opernsängerin; nur der Anwalt Kolenaty ist immun gegen ihre Reize. Er entdeckt das Geheimnis der Dame, als diese die "Sache" endlich wieder in den Händen hält - aber sie will sie gar nicht mehr, sie will sterben. Die Seele sei längst tot, so das Fazit ihres langen Lebens. Sie überläßt den Zauber der jungen Sängerin Krista, aber die zerreißt ihn, und darauf stirbt Elina Makropulos, wie die alte Dame wirklich heißt.

So ungefähr geht die verzwickte Geschichte, rückwärts erzählt - in der Oper erfährt man das Geheimnis der Dame erst im großen Finale. Für das Publikum sind die unüberschaubaren Verwicklungen nicht eben leicht nachzuvollziehen. Günter Krämers Konzept setzt deshalb auf die große Symbolik, die auch dann noch gültig (und verständlich) ist, wenn man die Details im Erbstreit Gregor/Prus aus den Augen verliert. Da ist zunächst das Phänomen Zeit, allgegenwärtig durch Uhren symbolisiert. Emilia Marty ist zu Beginn durch ein Gitter aus Uhren von der übrigen Welt getrennt, durch das der Anwalt und seine Gehilfen nach ihr greifen. Nur diese korrekten, emotionslosen, immer sachlichen und paragraphenbewussten Herren sind resistent gegen die Ausstrahlung der Dame und können sie zu Fall bringen. Wer Gefühle zeigt, der wird von der Geschichte aufgesogen.

Szenenfoto Emilia (vorne) schaut in den Lauf der Geschichte, der durch einen gewaltigen Zeit-Tunnel angedeutet ist

Wer so alt ist, der hat viel erlebt, und Chefbeleuchter Manfred Voss hat einen imposanten Zeit-Tunnel aus grünem Laserlicht gebaut (das Modell hat sich bereits, lang ist's her, bei den Bayreuther Festspielen bewährt), in den viel Bühnennebel quillt. Weil man dadurch nicht so genau sieht, was passiert, hat Krämer die Szene im Programmheft beschrieben: Man sieht zum Vorspiel eine Beerdigung am Hof Rudolfs II. und ein paar SS-Schergen auf Menschenjagd. Die Deutsch-Tschechische Vergangenheit wird so auf eine faszinierend triviale Formel heruntergebrochen, und politisch korrekt ist das allemal. Wer glaubt, hier ein Leitmotiv der Inszenierung erkannt zu haben, der irrt: Alsbald vergisst der Regisseur den schicken Einfall wieder. Wir registrieren: Emilia Marty verkörpert durchlittene Geschichte.

Szenenfoto Aus dem Dunkel der Geschichte greift gefühlloses Recht nach der Dame: Anwalt Kolenaty wird ihr Geheimnis entdecken und vernichten.

Gemessen an der Erfahrung einer so durch und durch geschichtlichen Person besteht die übrige Welt nur aus Karikaturen: Emilias Liebhaber Gregor und Jatek sind Milchbubis in kurzen Lederhosen, der Baron Prus wird später sicher mal ein erfolgreicher Nazi (die Oper entstand 1923-25, da verkneift Krämer sich die Hakenkreuzbinde, die man dennoch spürt). Allein Emilia hat Charakter, und den kehrt Nina Warren imposant hervor: Sängerisch wie spielerisch trägt sie die Inszenierung. Sie ist nicht die kalte, unbarmherzige Frau, wie sie in der Schauspielvorlage gezeichnet ist. Ihr gehören die Sympathien des Regisseurs, und mit ihrer mehr warmen als hochdramatischen Stimme füllt sie diese Rolle sehr gut aus.

Szenenfoto Eine Liebesnacht mit einer so betagten Liebhaberin ist eine Sache für sich...

Der zweite und dritte Akt spielen auf und neben einer riesigen Uhr, deren Zeiger zuletzt der Zwölf bedenklich nahe kommen - und sich auseinander bewegen und Emilia zerdrücken, wenn die Sache vernichtet ist. gerade dieses Finale ist lebt von der großen, plakativen Geste, und Krämer beherrscht sein Handwerk gut, um das fesselnd zu gestalten. Dennoch ist die Symbolik ziemlich schlicht (und auch irgendwie verbraucht). Überhaupt ist die Inszenierung zwar nicht ohne Spannung, aber sie steht doch um einiges hinter der Komplexität der Oper zurück: Vielleicht wollte Krämer mit dem theatralischen (und dadurch vergleichsweise konservativen) Zugang das Publikum für Janacek gewinnen. Der intensive Schlussapplaus sprach für ihn, dennoch bleibt das Gefühl, das Krämer einiges mehr aus dem Werk hätte herausholen können.

Szenenfoto Gleich schlägt's Zwölf, und dann hat es sich mit Fräulein Makropulos und ihrem Geheimnis.

Ein wesentliches Manko lag jedoch auch im musikalischen Bereich. Das Solistenensemble ist für sich durchweg überzeugend, aber insgesamt fehlt es der Musik an rhythmischer Härte. Oft sind Orchester und Sänger eine Spur auseinander, aber auch das Orchester in sich hat nicht die nötige Präzision. Das sind oft Winzigkeiten, aber die entscheiden: Diese Musik braucht ein gewisses Maß an Unbarmherzigkeit, und die erhält sie erst durch eine absolut klare rhythmische Struktur. Unter der Leitung von Graeme Jenkins entstand bei der Premiere nur ein pauschales, eher spätromantisch eingefärbtes Klangbild, das der Modernität der Partitur nicht gerecht wurde.

In gewisser Hinsicht bejubelte das Publikum gerade die falschen Dinge: Nicht Pathos und nachromantische Attitüde zeichnen Die Sache Makropulos aus, sondern die Abkehr davon. Das jedoch wurde in Köln nicht deutlich.


FAZIT
Krämer setzt große Gesten gegen die diffizile Groteske - und sieht dabei mitunter alt aus. Die Flucht in konventionelle Bildsprache zeigt bei aller Inszenierungskunst, dass Janacek schwierig bleibt.


Ihre Meinung ?
Schreiben Sie uns einen Leserbrief

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Graeme Jenkins

Inszenierung
Günter Krämer

Bühne
Florian Etti

Kostüme
Falk Bauer

Licht
Manfred Voss

Chor
Albert Limbach



Gürzenich Orchester
Kölner Philharmoniker

Herren des
Opernchores der Bühnen
der Stadt Köln


Solisten

Emilia Marty
Nina Warren

Albert Gregor
Heinz Kuse

Vitek
Johannes Preißiger

Christa, seine Tochter
Molly Fillmore

Jaroslav Prus
Harry Peeters

Janek, sein Sohn
Colin Judson

Kolenaty
Andrew Collins

Maschinist
Samuel Youn

Aufräumfrau
Andrea Andonian

Hauk-Sendorf
Martin Finke

Kammerzofe
Andrea Andonian


Weitere Informationen
erhalten Sie von den
Bühnen der Stadt Köln
(Homepage)




Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Zur Musiktheater-Startseite E-mail Impressum

© 2000 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de

- Fine -