Veranstaltungen & Kritiken Musiktheater |
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Die Braut, die sich traut
Von Stefan Schmöe
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Fotos von Andrea Kremper
1. Akt: Vorzimmer des Standesamtes, links ein Tisch, rechts ein klobiges Ledersofa. Isolde (verärgert über das lange Warten auf den Bräutigam?) lässt ihre Wut an Trauzeugen Tristan aus, um anschließend um so heftiger mit ihm zu flirten. 2.Akt: Postmodernes Wohnzimmer: Herr Marke kommt etwas zu früh von der Jagd zurück und erwischt Gattin Isolde und Hausfreund Tristan in einer verfänglichen Situation. 3.Akt: Abstrakter Raum, vorne ein Tisch. Tristan und Kurwenal führen ein Gespräch unter Männern mit allerlei Imponiergehabe. Als Isolde ankommt und mit Tristan ein ernstes Gespräch führen will, stellt der sich bockig. Tristan und Isolde - ein Stoff, aus dem Komödien sind? Der Flirt zwischen Tristan und Isolde wird heftiger..
Regisseur John Dew will der Oper das Pathos nehmen und sie vorsichtig in unsere Zeit transportieren. So drastisch wie oben angedeutet geht das zwar nicht vonstatten, aber es bleibt eine gefährliche Gratwanderung. Dews Sympathie gehört eindeutig der Isolde, die schon optisch mit ihrem weißen Hochzeitskleid hervorgehoben wird. Tristan dagegen bleibt unauffällig, trägt die gleiche Kleidung wie Kurwenal, und nimmt offenbar nur in Isoldes Phantasie die Sonderrolle ein, die Wagner ihm zugedacht hat. Das setzt sich auch, ungewollt, musikalisch fort: Jayne Casselman ist John Pierce um Klassen überlegen. Über ihre Stimmfärbung kann man streiten, manche Töne klingen recht kehlig und das Vibrato ist gelegentlich zu aufdringlich, aber musikalisch gestaltet sie die Partie sensationell gut. Sie singt berückend schöne Pianissimo-Passagen, disponiert die Steigerungen intelligent und nie des schnellen Effektes wegen und führt ihre Stimme auch in den hochdramatischen Momenten stets kontrolliert. So eindrucksvoll war Frau Casselman, die ja auch in Bonn als Brünnhilde zu erleben ist (und in Dortmund schon die Kundry gesungen hat) noch nie zu hören. Brangäne (links) mahnt zur Vorsicht vor dem Ehegatten, doch Isolde gibt sich exaltiert...
John Pierce dagegen bleibt musikalisch blass; er kann zwar ein schönes Piano vorweisen (dadurch gewinnt der zweite Akt an Konturen), aber praktisch keine Mezzo-Lautstärken und nur ein angestrengtes, heiseres Forte. Nicht zuletzt dadurch geht das Regiekonzept spätestens im letzten Akt nicht mehr auf. Wenn alles auf die Isolde fixiert ist, warum soll man sich eine geschlagene Stunde diesen Tristan anhören - spannend wird es (in dieser Inszenierung) ja doch erst wieder mit Isoldes Erscheinen. Immerhin durchkreuzt Michael Hofstetter am Pult der Dortmunder Philharmoniker ein wenig das Konzept, denn die bauen doch erhebliche musikalische Spannung auf. Hofstetter dirigiert ausgesprochen sängerfreundlich, deckt die Sänger nie zu und findet zumindest im zweiten und dritten Akt die richtige Mischung zwischen schlankem Klangbild und symphonischen Impetus (letzterer fehlte im ersten Akt, der extrem kammermusikalisch gehalten ist, dann doch), auch wenn die klangliche Perfektion, die das Orchester im Armen Heinrich gezeigt hat, nicht ganz erreicht wird. ... und erklärt Brangäne sehr genau, was sie von Tristans Freunden hält.
Sonja Borowski-Tudor singt eine jugendlich-frische Brangäne, Karl-Heinz Lehner einen soliden, aber nicht übermäßig profilierten Marke (wie könnte er auch, wo der Regisseur auch ihn als Allerweltstypen zeichnet). Warum das Publikum deshalb vor Begeisterung raste, ist rätselhaft. Über den Regisseur ergossen sich Buhs und Bravos von erheblicher Lautstärke, und auch das ist eigentlich nicht nachzuvollziehen. Restlos geglückt ist die Inszenierung sicher nicht, über weite Strecken ist sie sogar in der Gestik recht konventionell geblieben - zu den endlosen handlungsarmen Passagen des zweiten und dritten Aktes ist dem Regisseur jedenfalls keine so recht zwingende szenische Umsetzung eingefallen. Andererseits ist der Verzicht auf Schwerter und Rittergehabe auch nicht so provokativ, als dass konservative Opernfreunde ihren Ärger darüber hinausschreien müssten. Vielleicht war es ja auch eine Abstimmung über den Intendanten John Dew, der nach der nächsten Spielzeit im Streit mit der Stadt Dortmund das Theater verlassen wird. Der größere Teil des Premierenpublikums schien auf seiner Seite zu sein.
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Produktionsteam
Musikalische Leitung
Regie
Bühne
Kostüme
Choreinstudierung
SolistenTristanJohn Pierce
König Marke
Isolde
Kurwenal
Melot
Brangäne
Hirt / junger Seemann
Steuermann
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- Fine -