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Bloß nicht zu viel Unsterblichkeit
Von Stefan Schmöe
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Fotos von Eduard Straub
Nicht einmal eine Woche nach der Premiere von Günter Krämers Kölner Inszenierung stellt die Deutsche Oper am Rhein im Düsseldorfer Opernhaus ihre Sichtweise der Sache Makropulos vor (eine Inhaltsangabe der Oper findet sich in unserer Rezension der Kölner Aufführung). Man kann sich zwar intelligentere Spielplanabstimmung zwischen benachbarten Opernhäusern vorstellen, aber spannend ist der Vergleich der Inszenierungen allemal. Düsseldorf setzt auf den Janacek-bewährten Regisseur Stein Winge, der hier auch schon Jenufa und Katja Kabanova recht erfolgreich inszeniert hat. Ach diesmal zeichnet sich seine Regie durch sorgfältige Personenführung aus. Anders als Krämer, der die Oper konsequent in eine symbolische Ebene verlagert, hält sich Winge eng an den Text und zeichnet diesen sehr genau nach. Das mag auf den ersten Blick der konventionellere Ansatz sein, aber es wird dem Werk deutlich besser gerecht. Wo Krämer grob über alle Feinheiten hinweg inszeniert, ist Winges Konzept genauer, macht das komplexe Stück verständlicher und auch aufregender. Die Musik Janaceks kommt in ihrer Modernität besser zum Ausdruck, denn die kleinen Details, die in Krämers leicht pathetischem Zeitnebel untergehen, enthüllen ihre Funktion: Alles in allem ist die Düsseldorfer Produktion dann doch frischer als Krämers schon nach einer Woche scheinbar in die Jahre gekomenen Bildgewalten. Noch ist die Welt brav parzelliert und folglich in Ordnung. Frau Martys ewige Jugend - Nachwirkung der "Sache Makropulos" - wird das schnell ändern.
Winge nimmt alle Charaktere ernst und verleiht ihnen Gewicht (bei Krämer sind die meisten als Karikaturen maßlos überzeichnet). Emilia Marty, die geheimnisvolle Sängerin, ist das Zentrum, um das alle kreisen und an dem ihre Schwächen offenbar werden. Die geordnete Welt wird empfindlich gestört, weil Emilia aufdeckt, was die anderen lieber verborgen halten möchten. Zu Anfang ist die Bühne noch sauber durch parallele Holzwände in kleine Parzellen getrennt, aber mit dem Erscheinen der Sängerin fahren die Wände zurück, öffnen auch symbolisch den (Seelen-)Raum. Die kindliche Unbeholfenheit Albert Gregors kommt nach und nach zum Vorschein, die Sängerin Christa will (von der Kunst der Marty infiziert) für ihre Karriere ihre Liebesbeziehung aufgeben, ihr Liebhaber erliegt gleichzeitig den Komplimenten der Marty, der elegante Baron Prus muss für ein Rendesvouz mit ihr sein Machtdenken offen zeigen - wo Krämer in Köln mit dem Holzhammer winkt, gibt Winge den Charakteren Zeit zur Entwicklung. 2. Akt, Audienz bei Frau Marty: Hier wird jeder nach seiner Facon gedemütigt.
Gitta-Maria Sjöberg hat keine so raumfüllende Stimme wie Nina Warren, die Kölner Marty, aber ihr etwas scharfer Sopran passt recht gut zu ihrer Rollenausdeutung: Sie verleiht der Marty etwas zunehmend Nervöses, leicht Hysterisches. Mit David Owen (hier als Albert Gregor) hat die Deutsche Oper am Rhein einen sehr talentierten jungen Sänger in ihrem Ensemble, von dem noch einiges zu erwarten ist. Und John Wegner ist ein charmanter, aber hintergründig gefährlicher Baron Prus, ausgezeichnet bei Stimme, ebenso wie Oleg Bryjak als Anwalt Kolenaty. Udo Holdorf als dessen Gehilfe Vitek und Heinz Leyer als alternder Ex-Liebhaber der Marty zeichnen liebevolle Charakterstudien mit Sinn für die Komik der Situation. Das komplette Ensemble kann sich in der personenbezogenen Inszenierung sehr viel besser profilieren als die Kölner Kollegen Die Wirkung der "Sache Makropulos" lässt nach: Die Marty (Gitta-Maria Sjöberg) altert.
Dirigent John Fiore nimmt die Partitur zwar von der romantischen Seite (man kann diese Musik sicher greller und pointierter und damit auch "moderner" spielen), aber er entwickelt viel Spannung. Die Musik drängt voran, lässt sich nicht aufhalten, und das liefert dem Bühnengeschehen entscheidende Impulse. Die Abstimmung zwischen Orchestergraben und Bühne ist sehr viel besser als in Köln. Der Bruch zwischen den ersten beiden Akten und dem beeindruckenden, aber verhältnismäßig konventionellen Finale ist dadurch auch nicht so deutlich. Auch die Kammerzofe (Keiko Yano) weiß kosmetisch keinen Rat.
Zuletzt sind alle froh, die Marty los zu sein - die stirbt nicht, sondern schreitet aus dem Geschehen heraus nach hinten ab. Nicht Christa, sondern die Männer sind es, die gemeinsam die "Sache Makropulos", diese Formel zur ewigen Jugend, eilends vernichten. Christa (von Adriana Damato sehr schön schlicht gesungen) hat die größten Sympathien des Regisseurs - aber noch so eine unsterbliche Dame, die ihnen schonungslos ihre Grenzen aufzeigt, können sich die Männer wirklich nicht erlauben, also muss die "Sache Makropulos" weg. Zu viel Unsterblichkeit tut dieser Gesellschaft nicht gut. Diese schlichte Erkentnis beinhaltet mehr Weisheit als das opulente Kölner Schlussbild.
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Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Licht
Chor
Solisten
Emilia Marty
Albert Gregor
Vitek
Christa, seine Tochter
Jaroslav Prus
Jatek, sein Sohn
Kolenaty
Bühnenarbeiter
Aufräumfrau
Hauk-Sendorf
Kammerzofe
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- Fine -