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Adam und Eva
Musical von Seth Gaaikema und Klaas van Dijk
Text: Seth Gaaikema Musik: Klaas van Dijk Szenario: Seth Gaaikema und Peter Biemans Deutscher Text: Thomas Woitkewitsch Arrangements: Klaas van Dijk, Jonny Bertel, Manfred Schweng, Joan Reinders, H.Oberwalder

Uraufführung des Theaters Aachen am 21. August 1999

Rezensierte Aufführung: 28.August 1999


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Theater Aachen
(Homepage)

Leichtes Spiel mit Gott und Schlange

Von Heike Schumacher / Fotos von Ludwig Koerfer



Diesen Sommer hat man in Aachen den biblischen Schöpfungsbericht als Musical-Vorlage gewählt und ins Rio zur Karnevalszeit verlegt. Nichts geringeres als die uralt-alte Geschichte von Verführbarkeit und Verführung sollte mit leichten Samba-Rhythmen gepaart sein. Der Inhalt ist schnell erzählt und birgt keine Überraschungen:

Am abendlichen Strand von Rio treffen die frustrierte Tänzerin Eva aus Deutschland und der brasilianische Samba-Tänzer Adam aufeinander und verlieben sich. Der reiche Hotelbesitzer und Unterweltkönig Alvarez bietet den beiden für drei Tage sein Penthouse an. Er will, von der Unschuld des Paares gerührt, ihre neue Liebe vor der Verderbtheit des Karnevals retten. Wie im Märchen stellt auch er eine Bedingung: sie sollen keinem öffnen. Die Nachtklubbesitzerin Rosa übernimmt dann den Part der Schlange, stört die paradiesische Zweisamkeit durch ihre Tanzgruppe und verführt Eva dazu, sich einem anderen schönen Sambaprinzen zuzuwenden. Der erzürnte Alvarez lässt alle hinauswerfen. Nette Nebenhandlungen sind die beginnende Liebe eines schwulen Paares und die verbalen Scharmützel zwischen Alvarez und seinem Diener Pepito. Im zweiten Teil finden sich die beiden Liebenden am Strand von Rio wieder, besprechen wohl zum ersten Mal ihre Beziehung, und Adam gesteht seine Beziehungsängste. Daraufhin werden sie von Pepito in seine Hütte eingeladen. Nun scheint alles in Butter: sie kommen sich näher, Alvarez feiert Karneval und plant eine große Weltuntergangsparty. Doch nun möchte man gerne mit Tiefgang aufwarten und so finden wir tragisch gemeinten Kitsch. Ein Gang-Mitglied wird ermordet, der Täter klagt sich des Brudermordes an (die Geschichte von Kain und Abel wird als Parallele bemüht), Alvarez und Rosa erzählen eine tragische Vergangenheit. Sie hatten einen gemeinsamen Sohn, der als idealistischer Priester gegen den mafiösen Vater kämpfte und schließlich von der Menge gelyncht wurde. Doch das Happy End ist nicht weit. Zum Schluss bleiben drei Paare, die alle meinen, sie würden es in Zukunft besser machen: die versöhnten Alvarez und Rosa, der schwule Gabriel mit seinem jugendlichen Partner Konrad und das optimistische Adam und Eva-Paar.

So weit so nett.

Die Handlung an sich ist zwar teilweise etwas simpel gestrickt, aber ansonsten nachvollziehbar. Jedoch die sprachliche und musikalische Form hinken meilenweit hinter dem Anspruch her, das Buch der Bücher auf die Bühne zu bringen. Da sind die Liebesdialoge von ergreifender Blödheit (Adam und Eva singen "Du bist so lieb, du bist so hübsch" auf dem Höhepunkt ihres Glücks) und finden ihren absoluten Tiefpunkt in der Männlichkeits-Arie des Adam "Ich hab's getan " (also endlich mit Eva geschlafen) bzw. in der Preisung der männlichen Anatomie ("und er war noch nicht mal klein") - zu Recht wurde da im Publikum nur noch der Kopf geschüttelt. So banal wie die Texte sind auch die Songs. Wenig eingängige Melodien, seichte Rhythmen, haarscharf an bekannten Songs vorbei und ohne den ganz richtigen Pep.

Der Aachener Aufführung kann man ansonsten nichts vorwerfen, sie hat aus dem Stück herausgeholt, was zu holen war. Das Bühnenbild ist einfach und stimmungsvoll und kommt ohne aufwendige Umbauten aus: Eine Pappmaché-Schlange windet sich als Laufsteg um die Bühne und der Schlangenkopf hängt zischelnd über dem Publikum, im Hintergrund die Silhouette von Rio. Das Meer wird angedeutet durch einen knisternden, transparenten Vorhang, Innenräume kommen als kleine Stellwände vom Bühnenhimmel, bei den großen Tanzszenen wird die beleuchtbare Showtreppe herein gefahren. Nur die Lichtregie von Eduard Joebges ist wenig differenziert und ließ kaum die Tageszeiten erahnen. Dagegen waren die Kostüme (Heike Betz und Gabriele Jacobi-Sliwinski) phantasievoll kunterbunt oder elegant, die Abendroben der Nachtclubdame Rosa ebenso wie die opulenten Karnevalskostüme - man denke nur an die Tortendamen oder die Schlangentänzer.

Louis Lay als Adam und Nadine Hammer als Eva sind ein Musical-Paar, das noch viele Möglichkeiten hat und hier auf die naive Rolle beschränkt wurde. Etwas Probleme bereitet ihnen noch das saubere Duett-Singen, ansonsten füllten sie ihre Rollen gut aus. Das Euregio Tanz Forum begeisterte ebenso wie im letztjährigen Musical des Theaters Aachen. Jochen Ulrich hatte für seine choreografische Arbeit in diesem Musical auch mehr Raum, den er gut zu nutzen verstand. Auch der Musical Band Julian Sieben ist der fehlende musikalische Pep nicht anzulasten, sie spielte präzise und schwungvoll.

Bis zur Pause geht es aufwärts, von seichter Sommerstimmung am Strand von Rio zum ersten großen Höhepunkt, dem Auftritt des Joachim Schweizzer als Alvarez. Im gekonnt satirisch-bissigem Spiel präsentiert er seine Weltsicht als Lebemann im aparten Wechsel mit dem skurillen Diener Pepito (Miklós Horváth). Hier haben die Worte Biss und ihren richtigen Ausdruck. Der zweite Höhepunkt ist dann der Auftritt von Martin Moss als Gabriel, Partner des Alvarez, der nach einer langen Europareise die Wiederkehr ins heimatliche Rio mit einem großen Performance-Auftritt feiert ("Warm, endlich warm"). Witzig und leicht auch seine Tändelei mit seiner neuen Liebe Konrad (Norbert Conrads), dem Milkshake-süffelnden Riesenbaby, ebenso stark wie schön und bibelfest wie einfältig. Hier läuft das Musical zu einer großen Satire auf die eigene Form auf. Die Schlussszene vor der Pause, in der Alvarez als Gott, den er nun im Karneval verkörpern will, Adam und Eva aus dem Paradies wirft, ist hinreißend witzig und schmissig.

Der Teil nach der Pause dagegen hat zwar vereinzelt gute Szenen, ist aber insgesamt dramaturgisch wenig gelungen und übertrieben um Tiefgang bemüht, den er doch nicht erreicht. Gut werden die Szenen durch die Leistung der Darsteller: Gott Alvarez und die Schlange Rosa. Annika Bruhns als Miss Gomorra, das ist Musical, Revue, Zarah Leander und West Side Story zugleich - umwerfend. Der Weltuntergangssong "Auf der Arche ist was los" und die dazugehörige Arche-Noah Besatzung im Titanic-Outfit ebenfalls eine glänzend satirische Szene, die das Motto: "ein Weltuntergang ist doch mit Hummer am besten zu ertragen" gekonnt in Szene setzt.

Aber: Die Bekenntnisse, die nun Alvarez und Rosa abverlangt werden, ihre gemeinsame Schuld, die darin besteht, ihren idealistischen Sohn nicht von seinem Weg der Weltverbessserung auf den eigenen Weg der Mafia gebracht zu haben - dies alles verknüpft mit Erklärungen aus Jesu Passion, das ist einfach nur peinlich und wenig schlüssig. Annika Bruhns ist zwar großartig in ihrer Verzweiflungsarie, aber auch hier fragt man sich, was diese Parallele zum Kreuzigungsgeschehen mit flapsigem Text ("Erde drüber und basta") für einen weitergehenden Sinn haben soll. Auch Alvarez bekommt die Rolle des einsichtigen Sünders nicht, wäre der Bericht über sein Schlüsselerlebnis nur einer anderen Figur in den Mund gelegt, wäre sie schon wesentlich besser zu ertragen. So glaubt man ihm, dem Satiriker, nicht diese Rolle des aufrichtig Bekennenden und die ganze Szene verliert an Glaubwürdigkeit.

Die Lichtblicke neben diesen dramaturgischen Fehlgriffen sind die Tanzszenen und die oben erwähnten großen satirischen Szenen. Die Weltuntergangsparty ist auch im Text schmissig ("Auf der Arche ist was los/Es gibt keine Schranken./Kulinarisch feiern auf den Wellen der Sintflut/bis die Planken schwanken...") und witzig inszeniert, die Schlußgala mit dem Song "Hundert Prozent" ebenfalls mitreißend und gut gemacht. So muss man einfach über die Songs, die dem Liebespaar in den Mund gelegt werden ("Wir lassen uns von Anderen/doch nicht frustrieren...Wir werden es besser machen/Wir schaffen es bestimmt) und die Tränenstory über den verlorenen Sohn hinweg sehen - und dann hat man ein ausreichend schwungvolles Sommer-Musical, das auf jeden Fall dem Anspruch gerecht wird, Auge und Ohr etwas zu bieten.


FAZIT
Seichtes Sommer-Musical im Samba-Rhythmus


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Produktionsteam

Regie
Jochen Ulrich und
Angelika Mönning

Choreographie
Jochen Ulrich

Musikalische Leitung
Bernhard Moncado
/ Thomas Weber

Bühne
Detlev Beaujean

Kostüme
Heike Betz und
Gabriele Jacobi-Sliwinski

Licht
Eduard Joebges



Euregio Tanz Forum
Bryndís Ragna Brynjólfsdóttir,
Sarah Deltenre, Helena Martins,
Mireille Reyes, Francesc Abós,
Mario Camacho, Mark Headley,
Alfredo Karl, Gregori Maltschenkow,
Enrique Guerrero, Morenyo,
Allen Parnéll, Robert Wörsing



Musical Band Julian Sieben
Kim Jovy, Gabriel Pérez,
Christoph Titz, Julian Sieben,
Alfonso Garrido, Jens Kerkhoff,
Ramon Aular, Philip Niessen,
Sascha Delbrouck, Gero Körner,
Stefan Michalke, Luuk Cox


Solisten

Adam
Luis Lay

Eva
Nadine Hammer

Alvarez
Joachim Schweizzer

Rosa
Annika Bruhns

Gabriel
Martin Moss

Konrad
Norbert Conrads

Pepito/Affe
Miklós Horváth

Gitarrist/Junkie
Francesc Abós

Armand
Fabrice Jucquois



Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Aachen (Homepage)




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