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Musiktheater
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WUPPERTAL: 
Macbeth-Programmheft Macbeth
Oper in vier Akten
Text von Francesco Maria Piave
Fassung für das Théatre-Lyrique, Paris 1865,
mit dem Schluß der ersten Fassung, Florenz 1847
Musik von Giuseppe Verdi

(in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln)



Premiere des Schillertheaters NRW - Musiktheater
in Wuppertal
am 19. September 1998

Von Margot Leins / Fotos von Rudolf Finkes




Die Macbeths verdienen (zumal angesichts der Wuppertaler Inszenierung) Mitleid

Ein zwanghaft handelndes Verbrecherpaar


Ein schwarzer Bühnenraum - nur das untere Drittel interessiert; eine stahlgraue, nach vorne abschüssige, schiefe Ebene als Spielfläche; ein wolkenverhangener, nächtlicher Cinemascope-Breitwand-Himmel, der nach Bedarf - wonach immer sich dieser bemessen mag - als Hintergrund dienen oder die Spielebene auch seitlich umgreifen kann; dazu sehr sparsam eingesetztes weißes Licht, ab und zu Kerzen, Nebel.
In diesem minimalistischen, durchaus reizvollen Bühnenbild versucht Annegret Ritzel Verdis szenisch eng strukturierte Komposition ins Bild umzusetzen, wobei ihr Interesse eindeutig auf der theatralischen und inhaltlichen, nicht der musikalischen Ebene liegt.
Sie beruft sich auf neuere - auch psychologische - Forschungen, die belegen, daß Lady Macbeth und ihr Gatte (beide sind, wie auch König Duncan, historische Figuren) deshalb Mitleid erzeugen, weil sie selbst Opfer sind und zwanghaft handeln.
So ist die Lady ein Opfer der Erbfolgeverhältnisse, da Duncan ihren Vater und ersten Mann umbringen ließ und sie so um ihren rechtmäßigen Thronanspruch gebracht hatte. Macbeth ist Opfer seines Aberglaubens bzw. der Hexen (die hier auch politisch im Zusammenhang mit subversiven jesuitischen Irritationsversuchen und dem 'Gunpowder-Plot' von 1605 - also um die Entstehungszeit der Shakespeare-Vorlage - gedeutet werden). Hinzu kommt, daß die Ehe der Macbeths kinderlos ist, was einen wunden Punkt Macbeths markiert (die Lady hatte schließlich einen Sohn aus erster Ehe). So erklärt sich, warum die in mehrfacher Hinsicht unbefriedigte Lady ihren Mann derartig verunglimpft bzw. zur Machtübernahme anstachelt und warum er seinerseits Bancos und Macduffs Nachkommen mit solchem Haß verfolgt. Aha ! Es liegt also nicht - wie bisher oberflächlich erklärt wurde - nur daran, daß Verdi 1847 bzw. 1865 dem 'Wilden Norden' musikalisch noch nicht gerecht wurde und die beiden Hauptfiguren schlicht deshalb sympathisch wirken, weil sie auch in gruseligen Momenten so 'schön' singen. (Übrigens trotz manch kühner musikalischer Experimente Verdis, die diese Oper von den bekannten früheren (Nabucco) und nachfolgenden (Rigoletto) abheben.) So weit - so gut. Nur: Was davon kann dem Publikum tatsächlich durch die Aufführung (!) vermittelt werden ?

Das Unheil nimmt ab dem ersten Bild seinen Lauf: Die Hexen sind glatzköpfige, aber eindeutig weibliche Wesen, die sich z.T. mit Bärten und Woody-Allen-Brillen eher albern als verwirrend maskieren und Kardinalsgewänder in klerikalem Rot überziehen. Endlich sitzend erinnern sie kurzfristig auch an buddhistische Mönche, bis sie schließlich spitze, an die Inquisitoren gemahnende Hüte überstülpen. Dieser Verkleidungs-Aktionismus im Nebel auf der schrägen Spielfläche trägt sicher wesentlich dazu bei, daß hier nicht einmal von synchronem Chorgesang die Rede sein kann. An anderen - freilich schauspielerisch weniger anspruchsvollen - Stellen (etwa am Ende des ersten Akts oder bei der Bankettszene) trägt der Chor erfolgreich zur Gesamtwirkung bei.
Irritierend wirkt, daß Nikolai Miassojedov als Macbeth während der ersten zwei Akte nur 'gerade eben' dem Tempo des Orchesters bzw. seines Gegenübers (sehr überzeugend: Hartmut Bauer als Banco) folgen kann.
Richetta Manager - in ihrer ersten großen Szene mit einer exquisiten Hut-Kreation ausgestattet, die sie 'nonnenhaft' (unfreiwillig keusch und noch unschuldig) erscheinen läßt - ist die ideale Lady Macbeth. Sie erweist sich nicht nur den unterschiedlichen stimmlichen Anforderungen der Oper bravourös gewachsen, sondern vermag der Figur vor allem auch durch Mimik Glaubwürdigkeit zu verleihen.
Die Lichtregie gibt Rätsel auf: Warum sehen wir die Figuren während weiter Strecken nur im Halbdunkel ? Warum steht Macbeth bspw. zu Beginn des zweiten Bildes des ersten Aktes mitten in einer Arie plötzlich im Dunkeln und wird, nachdem er den Platz gewechselt hat, zeitverzögert wieder angestrahlt ? Koordinationsprobleme oder tiefgründende Absicht ? Schade um die wunderschönen Kostüme von Wolfgang Scharfenberger und Andreas Meyer, die das Publikum nur in wenigen, kostbaren Momenten ausreichenden Lichteinfalls (Ausnahme: die stimmige Bankettszene, bei welcher auch Nikolai Miassojedov schaupielerisch und musikalisch überzeugt) zu Gesicht bekommt.
Bei der zweiten Hexenszene zu Beginn des dritten Akts sieht sich der Zuschauer mit einem synkretistischen Konglomerat, gemixt aus christlichen, asiatischen und esoterischen Elementen, konfrontiert. Da wird aus einem katholischen Meßdiener ein shintoistischer (oder so...) Herrscher (mit einem aus Draht und farbigen Steinen gefertigten 'irgendwie meditativen' Bonsaibäumchen als Accsessoire); ein anderer Knabe (wir erinnern uns: da wurden Kinder geopfert) wird durch eine Dornenkrone und rote Handschuhe zum Bild für den Gekreuzigten; esoterische Symbole (Spiegel, Dreieck, Spirale) runden das Ganze ab.
Was will uns dies sagen ? "Wahrlich, ich sage euch, das Zeitalter des Wassermanns ist nahe herbeigekommen !" ??
Haarsträubend im weiteren Verlauf der Zaunpfahl-Hinweis auf Macbeths Impotenz am Ende des dritten Aktes: Beide (die Lady und Macbeth) singen sich, indem sie den Tod Macduffs und dessen Nachkommen planen, in Rage, die Macbeth scheinbar zu einer sexuellen Annäherung inspiriert und die Lady kurzzeitig hoffen läßt, aber letztlich greift er dann doch lieber zum Dolch... Es ist ein wahres Drama ! Im letzten Akt darf der betroffene (wenn nicht arg gebeutelte) Zuschauer dann nochmals geniessen: die Ankunftsszene Malcolms (Florian Simson, der neue Tenor im Ensemble, verleiht Malcolm durch außergewöhnliche Bühnenpräsenz und Stimmkraft Glanz ), die Schlafwandel-Arie der Lady, die als Fuge gestaltete Schlachtmusik (ein besonderes Lob gilt den Blechbläsern - auch wenn vor lauter Begeisterung die gleichzeitige Choraktivität nurmehr optisch auszumachen war) und schließlich die Siegeshymne des Chores. Für die gesamte Aufführung gilt: Samuel Bächli hat sich glücklicherweise - im Gegensatz zur Regie - sehr für die Musik interessiert und durch sein präzises, sensibles Dirigat und seine ansteckende Begeisterungsfähigkeit das Sinfonieorchester Wuppertal zu einer sehr beachtlichen Leistung geführt. Die z.T. überdurchschnittlichen musikalischen Leistungen wurden vom Premieren-Publikum angemessen gewürdigt, hingegen mußte das Regie-/Ausstattungsteam auch vereinzelte Unmutsbekundungen hinnehmen.



FAZIT:

Anspruch und Wirklichkeit der Inszenierung klaffen weit auseinander. Selbst nach vorheriger Lektüre des Programmheftes bleibt vieles 'im Dunkeln' (auch wörtlich zu verstehen). Für Orchester, Dirigenten, Solisten, mehrfach auch den Chor und Kostüme lohnt dennoch ein Besuch der Aufführung.

Logo: Schillertheater NRW

Musikalische Leitung
Samuel Bächli

Inszenierung
Annegret Ritzel

Bühnenbild
Manfred Kaderk

Kostüme
Wolfgang Scharfenberger
Andreas Meyer

Choreinstudierung
Achim Falkenhausen
Nandor Ronay

Solisten

Macbeth
Nikolai Miassojedov

Banco
Hartmut Bauer

Lady Macbeth
Richetta Manager

Kammerfrau der Lady Macbeth
Beatrix Bardy

Macduff
José Montero

Malcolm, Duncans Sohn
Florian Simson

Ein Arzt
Claudius Muth

Ein Diener von Macbeth
Günter Kroll

Ein Mörder
Javier Horacio Zapata Vera

Erste Erscheinung
Kuniyoshi Tanimoto

Zweite Erscheinung
Fabian Tanimoto

Dritte Erscheinung
Tobiasz Klorek

Fleance, Bancos Sohn
Tobiasz Klorek



Chor und Extrachor
der Oper Wuppertal

Statisterie der
Oper Wuppertal

Sinfonieorchester Wuppertal




Weitere Aufführungen

September '98:
26.

November '98:
8.(18 Uhr)

Dezember '98:
5., 13. (18 Uhr),
16., 18., 26. (18 Uhr)



Foto: WUPPERTAL/Macbeth
Im Halbdunkel schmiedet
das Ehepaar Macbeth finstere
Mordpläne

Foto: WUPPERTAL/Macbeth
Krone allein macht nicht
glücklich: Macbeth schaut
eher ratlos auf seine adrett
gekleidete Gattin.

Foto: WUPPERTAL/Macbeth
Die Bankettszene: Lady Macbeth
hält ihren Gatten mit ihrem
Blick in Schach.

Foto: WUPPERTAL/Macbeth
Im dritten Akt wirken die
Hexen doch schon ganz
zutraulich...

Foto: WUPPERTAL/Macbeth
Von der Regie in den
Wahnsinn getrieben ?
Lady Macbeth geht um.




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