in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln
Premiere am Schillertheater NWR im Opernahaus Wuppertal am 13. Oktober 1996
Besetzung
Philipp II. Hartmut Bauer Don Carlos Olafur Bjarnasson a.G. Posa Nikolai Miassojedov Großinquisitor Theo van Gemert Ein Mönch Rainer Stevens a.G. Elisabeth von Valois Richetta Manager Prinzessin Eboli Ruth-Maria Nicolay a.G. Tebaldo Elise Kaufman Stimme aus der Höhe Sabine Schnitzer Graf Lerma/Ein Herold Arthur Friesen Holzfäller Javier Horacio Zapata Vera Gräfin Aremberg Stefanie Boebé Sechs flandrische Gesandte Gottfried Jähningen Günther Kroll Manfred Lehnert Bernhard Lopper Manfred Schienagel Javier Horacio Zapata Vera
So etwas hat es in Wuppertal schon lange nicht mehr gegeben (da muß man schon an die hervorragenden Ring-Zyklen zurückdenken). Große Oper auf einem Niveau, das man sich öfter wünschte. Dieses war nun innerhalb von drei Tagen der zweite Streich, mit dem das seit dieser Spielzeit existierende Schillertheater NRW alle Nörgler des Zusammenschlusses der Wuppertaler Bühnen mit dem Musiktheater im Revier Gelsenkirchen vom Parkett fegte. Nach einer fast sensationellen Eröffnungsproduktion von MozartsTitus in Gelsenkirchen am Freitag, präsentiert das Schillertheater NRW jetzt auch zur Eröffnung in Wuppertal eine höchst eindrucksvolle Produktion von Verdis Don Carlos. Zwar muß man mit kleineren Unzulänglichkeiten im Musikalischen (z.B. Orchester) und bei der Inszenierung auskommen, aber der Gesamteindruck war doch so gewaltig, daß das begeisterte Publikum - nach viereinhalb Stunden vom feinsten Verdi - alle Beteiligten mit langanhaltenden Ovationen überschüttete.
Da sich die Regisseurin Karin Mauksch über weiteste Strecken zurückhielt und der Musik und den Sängern größtmöglichen Freiraum ließ, konnte sich Stefan Klieme als musikalischer spiritus rector voll ins Zeug legen. Was dabei herauskam, klang ungeheuer intensiv und spannungsvoll. Das Orchester spielte mit Engagement und kostete die unterschiedlichen Klangspähren von Verdis Partitur voll aus. Leider gibt es immer wieder kleine Schönheitsfehler (vor allem in den Streichern), wodurch der sonst so überzeugende Eindruck immer wieder getrübt wird.
Aus dem durchweg exzellenten Sängerensemble ragte vor allem Ruth-Maria Nicolai als Prinzessin Eboli heraus. Ihre Soloszene im 4. Akt gehörte zu den großen Höhepunkten der Aufführung. Nikolai Miassojedov hat inzwischen viel an musikalischer Differenziertheit hinzugewonnen und verlieh dadurch der Partie des Posa große Ausdruckskraft. Hartmut Bauer als Philipp II. gestaltet seine Partie als ältlicher Herr, der mit seiner Rolle als König nicht immer glücklich ist, besonders wenn es um Machtstreitigkeiten mit der Kirche geht. Olafur Bjarnasson als Don Carlos schlug sich tapfer, aber nicht ohne Anstrengung durch diese auch nicht gerade leichte Partie. Richetta Manager wirkt als Elisabeth von Valois zwar manchmal etwas distanziert, wußte aber durch ihren stimmlichen Einsatz sehr zu gefallen. Auch der Großinquisitor (Theo van Gemert), Ein Mönch (Rainer Stevens) und die weiteren kleineren Partien waren bestmöglich besetzt und demonstrierten die hohe Qualität des Ensembles.
Ein besonderes Lob verdienten sich die Chöre (des Opernhauses Wuppertal, des Musiktheaters Gelsenkirchen und der Extrachor), die von Helmut Sonne und Nandor Ronay vortrefflich einstudiert waren und somit einen großen Anteil am Erfolg dieser Produktion hatten.
Zu diesem Triumph der Musik trug auch die Szene einen nicht geringen Anteil bei. Hier war alles auf äußerste Konzentration ausgelegt. Klare Linien und nur wenige Versatzstücke. Die von Herbert Murauer gestalteten Bühnenbilder zeichnen sich durch schnelle Verwandlungsfähigkeit aus: ein großer Einheitsraum, dessen Wände durch zahlreiche Öffnungen die verschiedensten Lichteinfälle ermöglicht und quadratische Säulensegmente, die sargähnlich auf dem Boden liegen und/oder in der Art von Stalagmiten und Stalagtiten auf dem Boden stehen und von der Decke hängen (letztere wurden auch für Beleuchtungszwecke genutzt). Dem Licht kam bei dieser Inszenierung insgesamt eine große Bedeutung zu.
Die Kostüme von Ina Krompart und Herbert Murauer waren funktionell, den Charakteren angemessen und bildeten durch die kräftigen, dominierenden Farben Schwarz und Rot mit dem in gebrochenen helltönen gehaltenen Bühnenbild eine gelungene Einheit.
Die Inszenierung von Karin Mauksch zeichnete sich durch Musikalität und dramaturgische Geschlossenheit aus. Die hier prinzipiell verwendete Fassung für die Aufführungen in Modena (italienisch/fünf Akte) wurde in zwei entscheidenden Szenen variiert. Besonders gelungen ist dabei die Einbeziehung der ersten Szene des ersten Aktes, in der das kriegsmüde, geschundene Volk Elisabeth bittet, durch ihre Heirat mit König Philipp II. den lang ersehnten Frieden zu besiegeln. Erst durch diese - vom Chor dominierte - Szene und dem damit verbundenen Verzicht Elisabeths auf den Geliebten und ihr vormals bestimmten Don Carlos, werden die politischen und persönlichen Beweggründe der Protagonisten und die nachfolgenen Geschehnisse einigermaßen verständlich. Eher Ratlosigkeit hinterläßt der Schluß des Werkes aus der Fassung der Pariser Uraufführung, der hier - bei leise verklingenden Schlußtönen - alle Beteiligten auf offener Bühne schier einfrieren läßt: kein pompöser Schluß, keine Rettung!
Einer durchdachten und zum Teil intelligenten Konzeption von Katrin Maukschs Inszenierung (z.B. erklingt beim Autodafe die Stimme aus der Höhe nicht von einem "unsichtbaren Engel", sondern wird von einer Frau aus dem Volk gesungen, die, nachdem ein Suchscheinwerfer die "Verwirrte" ausgemacht hat, von zwei Schergen des Königs augenblicklich aus dem Verkehr gezogen wird: keine himmlische Erlösung!?) auf der einen Seite, steht andererseits eine zum Teil recht konventionelle Personenführung gegenüber. Hier ist dann jedoch die Musik wieder so dominant, daß sich das Interesse voll auf die diese konzentriert. Und die wurde durch Stefan Klieme nun wahrlich exzellent "in Szene" gesetzt..