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Simplicius Simplicissimus

Drei Szenen aus seiner Jugend
nach H.J.Chr.Grimmelshausen von H.Scherchen, W.Petzet und K.A.Hartmann
Musik von Karl Amadeus Hartmann



Premiere an den Städtischen Bühnen Münster
am 29. Mai 1998
rezensierte Vorstellung: 7.Juni 1998


Von Stefan Schmöe / Fotos von Michael Hörnschemeyer



Wo Hartmann drauf steht, muß noch lange kein Hartmann gespielt werden:

Einblicke in die finstere deutsche Seele

Zum 350. Jahrestag des Westfälischen Friedens haben die Städtischen Bühnen Münster den "Simplicius Simplicissimus" von Karl Amadeus Hartmann ausgegraben, eine Oper, die - passend zum Gedenktag - im dreißigjährigen Krieg spielt. Leider kann Regisseur Tilman Knabe damit nichts anfangen, aber kein Problem: Kurzerhand inszeniert er Heiner Müllers "Germania - Tod in Berlin", auch ein schönes Stück, wenn auch nicht von Hartmann. Angekündigt wird weiterhin der "Simplicius", das Publikum wird schon im Laufe der Aufführung merken, was sich geändert hat.

Eigentlich inszeniert Knabe auch nicht "Germania". Es gab einmal eine Zeit, da lieferten die Dichter keine "Stücke", sondern "Material". Aus diesem "Material" schuf der Regisseur dann ein Happening. In Münster, offenbar völlig im Historientaumel, ist diese Zeit noch nicht vorbei, und so liefert sich Knabe eine Material-Schlacht schönster Ausprägung, wo Karl Amadeus Hartmann in vierfacher Ausführung im Roboterschritt über die Bühne schlurft und sich hin und wieder erschießt, Kriegsveteranen mit Schwarz-Rot-Gold und Hakenkreuz umherschlurfen, Germania einen Striptease mit Nationalflagge hinlegt und Playboyhäschen im Publikum Bonbons verteilen. Da Knabe geschickt arrangieren kann, hat die bunte und gelegentlich sogar bissige Heiner-Müller-Revue durchaus ihre Qualitäten, wenn auch durch Durststrecken unterbrochen. Die Musik von Hartmann liefert den Backgrond und paßt sich hübsch ein; außer Katharina von Bülow kann sich allerdings keiner der Sänger musikalisch profilieren; dazu ist die Musik zu sehr dem großen Ganzen untergeordnet.

Szenenfoto

Man könnte (vorausgesetzt, man kommt nicht wegen Hartmann nach Münster) seine Freude an der Aufführung haben, wäre da nicht dieser platte Grundton, der allüberall deutsch-nationales Gedankengut wittert. Die Welt ist halt doch ein kleines bißchen komplizierter und läßt sich nicht so mir nichts, Dir nichts in Gut (Regisseur, Theater) und Böse (der kriegstreiberische Rest der deutschen Welt) unterteilen. Die Sorge des Regisseurs, er könne mit dieser Aufführung belehren, ist indes unbegründet: Es geht nämlich schlichtweg keiner hin. In der Aufführung am 6.6. jedenfalls fand sich gerade einmal eine Hand voll Besucher ein, ein paar verstörte Abonnenten, die offenbar nicht rechtzeitig gewarnt wurden, und ein paar echte Fans, die ohnehin jeden Satz bejubeln und folglich nicht belehrt werden brauchen.

Szenenfoto

Noch ein Wort zu Hartmann? Überflüssig, denn der spielt keine Rolle. Im Verlauf der Aufführung zieht sich einer der Hartmanns eine Zipfelmütze auf, und auf der steht zu allem Überfluß, man wäre von allein nicht darauf gekommen, "Michel". Der Künstler als Depp. Angesichts dieser Aufführung beschleicht einen ein böser Gedanke: Irgendwie paßt das Bild auf den Regisseur.



FAZIT:

Wenn Sie hingehen, bekommen sie mit großer Wahrscheinlichkeit ein Bonbon, denn sie sind vermutlich fast der einzige im Theater.


Logo: Städtische Bühnen Münster

Musikalische Leitung
Will Humburg

Inszenierung
Tilman Knabe

Bühne
Alfred Peter

Kostüme
Kathi Maurer

Choreinstudierung
Peter Heinrich


Solisten

H1 - Sprecher
Wendelin Starcke-Brauer

GH2 - Ein Kind
Johannes Gallmer /
Daniel Gerling

H3 - Simplicius
Katharina von Bülow

H4 - Der Einsiedel
Mark Bowman-Hester

Ein Gouverneur
Ulrich Gentzen

Ein Landsknecht
Tilman Birschel /
Donald Rutherford

Ein Hauptmann
Georg Zeppenfeld

Ein Bauer
Mark Coles

Kriegsveteranen
Elmar Rasche,
Horst Cordes / Horst Otto
Tom Kerber / Johannes Kemler

Intendant 1
Thomas Bockelmann



Damen der Statisterie der
Städtischen Bühnen
Münster

Chor der Städtischen
Bühnen Münster

Symphonieorchester der
Stadt Münster



Foto: MÜNSTER/Szenenfoto

Germania entblößt sich: der Hauptmann
(Georg Zeppenfeld) schaut der
unbekleideten Dame ("Tanja") zu




Foto: MÜNSTER/Szenenfoto

Die Zeit läuft, Landsknecht
(Tilman Bürschel), Hauptmann
(Georg Zeppenfeld) und Gouverneur
(Ulrich Gentzen) sowie die Damen
des Chores blicken nach vorn. Nur
Simplicius (Katharina von Bülow)
wendet sich ab.





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