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Gloria von Jaxtberg oder Das Gegenteil von Wurst ist Liebe

Eine bayerische Oper
von Rudolf Herfurtner nach seinem Bilderbuch
Musik von HK Gruber

Premiere im Kleinen Haus der Städtischen Bühnen Münster
am 7. November 1997

Von Annette van Dyck



'Gloria von Jaxtberg' in Münster

Schweineoper aus dem Bilderbuch oder
Der längste Blondinenwitz der Saison

BORSTENVIEH UND SCHWEINESPECK

Die Geschichte des Ferkels mit den blonden Locken entstand nach dem Bilderbuch von Rudolf Herfurtner, eine Art Parabel auf die Konsumgesellschaft und das kleinbürgerliche Harmoniebedürfnis; seine Heldin ist die wegen ihrer Andersartigkeit verlachte Gloria, die auf ihren Ritter wartet.

Der Stoff glänzt nicht gerade vor Originalität; so oder ähnlich kennen wir ihn aus 'Das häßliche Entlein' und anderen Märchen; das Bilderbuch hatte vor allem wegen der Illustrationen von Reinhard Michl Erfolg, so daß als Oper die Elemente Musik und Szene die Geschichte nicht nur untermalen, sondern mit eigenständiger Logik ergänzen mußten.

Konsequenterweise spielt für die Entstehungsgeschichte von 'Gloria' daher auch der Regisseur und Gründer des Big Bang Theaters München Helmut Danniger die Rolle des Geburtshelfers: er hat Herfurtner und den Komponisten HK Gruber angesprochen und selbst die Szene entworfen und den Aufführungsort bereitgestellt. 'Gloria' gehört also eigentlich zu den von einem 'Produzenten' initiierten Gemeinschaftswerken.

Rudolf Herfurtner arbeitete das Bilderbuch eigenhändig zum Libretto um: "ich habe alles hineingeschrieben, was ich jemals geliebt habe", sagt er, und daß ihn der 'Zigeunerbaron' mit seiner "Verbindung von Jux und Gesang und Borstenvieh und Schweinespeck" schon mit fünfzehn Jahren "elektrisiert" habe.

Komponist Gruber widersetzte sich der Dannigerschen Idee von einer Oper für Kinder: das Stück müsse intellektuell für Erwachsene konzipiert sein, aber auch für Kinder taugen. Musikalisch orientierte sich Gruber an Artikulationsvorgaben von Herfurtner, der ihm den Text auf Band gesprochen zukommen ließ. Daraus resultierte vor allem im ersten Teil der Oper eine sehr synkopische oft jazzig anmutende Musik, in der Märsche, Schnada-Hüpferl und Zwiefache verarbeitet sind; erst gegen Schluß der Oper wurde Gruber wirklich hörbar polytonal und komponierte endlich ein minimalistisch klingendes Finale.

LINIENTREUE

Die Musik tröstete über manche dramaturgischen Schwächen der Geschichte und der Inszenierung hinweg. Einige Ensembleszenen, aber auch nette kleine Einlagen wie das Duett von Bauer und Knecht ("Zerscht amoi a guate Schlachtschüssl") oder die Prophezeiung der Ochsen ("Muuh Muhh. Dub Dubi Dubi Dubi Duuh") hätten wirklich unterhaltsam sein können. Leider setzten aber die Städtischen Bühnen Münster ihre zum Klamauk neigende Reihe der Inszenierungen fort (oder ich bin nur dann in Münster, wenn solches auf dem Programm steht). Die Auflösung der Guckkastenbühne zur Rundum-Bühne ist kaum gelungen und benachteiligt besonders im zweiten Teil den größten Teil des Publikums, denn das Orchester spielt in der Mitte, darum herum ist die Bühne und um diese herum in alle Richtungen blickend sitzt das Publikum.

Die Koordination der Bewegungen und Einsätze nimmt die Sänger und Musiker zudem sehr stark in Anspruch und zieht im Lauf des Stückes nicht nur die Aufmerksamkeit der Akteure, sondern auch des Publikums auf sich. Die Geschichte bricht in Szenchen auseinander, die wenig überzeugend durch Erzählpassagen gekittet werden müssen.

Die Sänger können einem leid tun: in unförmige Schweinekostüme gehüllt schwitzen sie nicht nur, weil sie den nächsten synkopischen Einsatz nicht verpassen wollen. Dies alles kann man mit Recht als illusionsloses Musiktheater bezeichnen: wer schon immer mal im Bühnennebel sitzen wollte, sollte Glorias Triolett mit den Armen Würstchen ("Kein Prinzchen, kein Fürstchen. Nur a-harme Würstchen") auf einer der Stuhlreihen rechts vom Orchester genießen.

KEIN SCHWEINKRAM

Eine blonde Sau, ein prophezeiender Ochse, ein Armes Würstchen, ein wildschweinischer Liebhaber, ein Bayerischer Berg - wer hätte gedacht, daß auch solche Rollen (und davon gleich mehrere) von gestandenen Opernsängern wie Eva Lilian Thingboe, Barbara Schramm, Mark Bowman-Hester, Donald Rutherford und Mario Klein ausgefüllt werden könnten. Aber sie agierten mit Passion und unter verschärften Bedingungen. Sicherlich mag an der Präzision noch zu feilen sein, schauspielerisch würde dem Stück souveräne Ironie wahrscheinlich nützen, doch es war sicherlich weder die sängerische Aktion noch die Leistung der Musiker unter der Leitung von Christian Voß, die vom Publikum am Schluß nicht beklascht wurde.


FAZIT

Ich würde das Münsteraner Publikum schon als zurückhaltend bezeichnen, doch ich fürchte, diese Art von Applaus bedeutete dennoch, daß Glorias Geschichte als Oper hier durchgefallen ist. Niemand empörte sich ob der Konsumkritik oder anderer Spitzen gegen das Kleinbürgertum, niemand diskutierte, ob dies Kunst sei oder nicht; alle waren eher gelangweilt, und jemand zog das Fazit: 'ein verlorener Abend'. Das ist vielleicht ein bißchen hart: die Musik kann man als Jazzkonzert hören, das Libretto kann man mitlesen oder die Bühnenluft schnuppern. So richtig befriedigendes Musiktheater müssen Sie aber woanders suchen.

Logo: Aalto-Theater Essen

Musikalische Leitung
Christian Voß

Regie
Peter Beat Wyrsch

Choreographie
Tomasz Zwozniak

Bühne
Peter Kettner

Kostüme
Gaby Sogl

Dramaturgie
Wolfgang Haendeler


Solisten

Gloria
/ junges Mädchen
Eva Lillian Thingboe

Schwein
/ Hirsch
/ Bayerischer Berg
/ Armes Würstchen
etc.
Barbara Schramm

Vetter Gerhard
/ Bayerischer Berg
/ Märchenprinz
/ Knecht
etc.
Mark Bowman-Hester

Bauer
/ Frosch
/ Ochse
/ gutmütiger Dorftrottel
etc.
Donald Rutherford

Wildschwein Rodrigo
/ Frosch
/ Ochse
/ feuriger Liebhaber
Mario Klein

Statisterie der
Städtischen Bühnen Münster

Symphonieorchester
der Stadt Münster




Weitere Aufführungen

November '97: 22.
27.

jeweils 20.00 Uhr

im Kleinen Haus





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