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Die Zauberflöte

Deutsche Oper in zwei Aufzügen
von Wolfgang Amandeus Mozart
Dichtung von Emanuel Schikaneder

Premiere im Großen Haus der Städtischen Bühnen Münster
am 14. September 1996

Besetzung
Allgemeines
Musik
Inszenierung
Publikumsreaktionen
Fazit
Fotos
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von Annette van Dyck




Besetzung

Musikalische Leitung: Will Humburg
Regie: Peter Beat Wyrsch
Ausstattung: Peter Kettner
Choreinstudierung: Peter Heinrich
Dramaturgie: Wolfgang Haendeler

Sarastro Andreas Macco
Tamino Wolfgang Theis
Königin der Nacht Dominique Lepeudry
Pamina Ines Krome
Papageno Peteris Eglitis
1. Dame der Königin Caroline Thomas
2. Dame der Königin Suzanne McLeod
3. Dame der Königin Katharina von Bülow
1. Knabe Hyun-Joo Suk
2. Knabe Reiner Beinghaus
3. Knabe Bettina Petersen
Monostatos Mark Bowman-Hester
Papagena Eva Lillian Thingboe
1. Priester und Sprecher Willem Laakman
2. Priester Ulrich Gentzen
3. Priester Lars Hübel

Statisterie der Städtischen Bühnen Münster
Chor und Extrachor der Städtischen Bühnen Münster
Symphonieorchester der Stadt Münster



Allgemeines

Leider muss ich gestehen, dass ich zu den Zauberflötenhassern gehöre: Die Geschichte ist mir zu verquast, weder nach Märchenlogik noch nach den Regeln einsehbarer Operndramaturgie geschrieben (nie habe ich begriffen, wie diese drei standhaften Knaben da hineingeraten sind), noch hatten die Priester und der Chor je mehr als repräsentative Masse und Farbe und ein bisschen Hurra-Schreien zur Schlussszene beizutragen. Meine Güte, und diese wirklich schofeligen Prüfungen: nichts als aufgesetzte Gelegenheiten zur Demonstration von Bühnentechnik, die ich nicht über mich ergehen lasse, um mir auch noch ständig vorhalten zu lassen, daß Frauen zu viel reden, der Mann seine Frau lenken müsse, und jemand ohne Vernunft und Weisheit eigentlich gar kein Mensch sei. Sarastro war mir immer unsympatisch mit seiner Macht, die er autoritär ausnutzt, ob er es gut meint oder nicht. Brauchen wir wirklich einen Übervater, um dessen utopischer Ideale wegen wir über glühende Kohlen laufen sollten?

Mit Papageno und Pamina kann man sich meiner Meinung nach viel besser identifizieren. Dass auch Mozart dieser Ansicht gewesen sein könnte, ist mir tatsächlich nicht so wichtig, weil man ihn ja nicht mehr fragen kann. Was hilft dann das spekulieren? - Doch ein Blick auf den historischen Kontext macht stutzig: in der Oper sollten ursprünglich ein böser Zauberer und eine gute Fee mitspielen. Nachdem aber diese Geschichte kurz vorher bereits an einem anderen Theater in Wien mit der Musik von Wenzel Müller aufgeführt worden war, wurde das Libretto umgearbeitet.

Ich fühlte mich in meiner Meinung jedoch von jeher durch die Musik bestätigt: Vogelhändler und Königstochter haben die schöneren Parts und der Priesterchoral gegen Ende wirkt steif und orthodox (barock eben - natürlich, die Bachfans werden hier protestieren...). - Ja, ja, ich weiss, Librettist Schikaneder war schuld, und schliesslich geht man wegen Mozarts Musik in die Oper und nicht wegen der Geschichte; aber dann kann ich mir auch eine CD anhören, oder?

Nun erwartete ich von der Münsteraner Inszenierung keine Wunderdinge, eher die Erfüllung der konventionellen Opernträume mit prächtiger Krinolinen-Königin und würdigen Priestern in weißen Gewändern, buntem Vogelfänger und hübscher Pamina und erst weniger, dann mehr heldenhaftem Tamino; man kennt das ja, und es langweilt, zumindest mich.
Doch was sahen meine treuen Augen, hörten meine abgebrühten Ohren?




Musik

Ein flexibles, nuancenreiches Orchester unter der Leitung von Will Humburg stimmte die Zuschauer mit einer präzise gespielten Ouverture ein und bot den Sängern und Sängerinnen einen vorteilhaften Hintergrund. Bemerkenswert das Gespür aller Beteiligten (vielleicht bis auf Dominique Lepeudry als Königin der Nacht) für Timing und Zusammenspiel, man erlebte eine überzeugende Ensembleleistung - auch schauspielerisch gesehen - mit einem engagierten Chor, der für einen Opernchor erstaunlich homogen klingt (Einstudierung: Peter Heinrich).

Die saubere Intonation von Wolfgang Theis als Tamino war eine Ohrenweide, seine Arien und sein Spiel vielleicht etwas zu brav; einige wenige Kickser erschienen völlig unnötig und hatten nichts mit fehlendem Stimmumfang zu tun. Leichte Intonationsschwächen zeigte eine trotz Erkältung angetretene Ines Krome als Pamina, deren wunderbar lyrische 'Ach, ich fühl's'-Arie nicht nur mich dennoch zu mitfühlenden Seufzern hinriss. Der Antiheld Papageno ist einfach eine dankbare Rolle, die witzig und stimmkompetent von Peteris Eglitis ausgefüllt wurde; Monostatos (Mark Bowman-Hester) und Papagena (Eva Thingboe) blieben stimmlich etwas blaß, letztere wird aber noch als Wechselbesetzung der Pamina Gelegenheit haben, ihr Können zu zeigen.

Besonders gut gefallen haben mir die Terzette der Damen der Königin bzw. der Knaben, die mit Leichtigkeit spielerisch aufeinander reagierten und sichtlich den meisten Spass an ihren Rollen hatten, stimmlich ragte unter den 'Pfadfindern' (die Regie-Interpretation der drei 'Knaben') Hyun-Joo Suk hervor, ohne jedoch den Gesamtklang zu stören. Alle Nebenrollen waren rollen- und stimmtechnisch passend besetzt und verstärkten den positiven Gesamteindruck.

Die Gesangsparts von Sarastro (Andreas Macco) und Königin der Nacht (Dominique Lepeudry) sind entsprechend ihren Gegenspieler-Positionen im tiefsten und höchsten Register angesiedelt. Beide fast artistischen Extremen kamen gut zur Geltung. Dominique Lepeudry liess allerdings in den mittleren und tieferen Registern etwas zu wünschen übrig, dadurch unterstrich die Stimme meist nicht das dramatische Spiel. Andreas Macco besitzt einen kultivierten Bass, den er würdig, wütend oder untergründig böse und heuchlerisch färben konnte - wie anders eine Arie über die "Heiligen Hallen" klingen kann, wenn Sarastro die Rolle des Bösewichts zugewiesen bekommt!




Inszenierung

Ein surfbrettfahrender, in ein grellorganges Baseball-Shirt gekleideter Tamino wird am Anfang von einer riesigen bunten, mit Frauenbeinen züngelnden Maschine verschluckt und zunächst nur zur Hälfte wieder ausgespuckt: Beine und halber Oberkörper hängen schon sichtbar auf der Bühne, wenn die drei für eine Cocktailparty zurechtgemachten (Animier-)Damen darüber sinnieren, wie begehrenswert doch dieser Jüngling sei, und ihre Thesen mit einem veritablen Halbstriptease der gesichtslosen unteren Körperhälfte untermauern (die zur Schau gestellten edlen Teile gehörten nicht Wolfgang Theis; mit einem kleinen Bühnentrick wurden die Akteure vor dem nächsten Einsatz des Tamino wieder ausgetauscht...).

Natürlich fangen die Leute an zu lachen, und das dürfen sie auch: die Inszenierung ist besonders in der ersten Hälfte wirklich witzig gemacht. Meinem Verlangen nach einer logischen Geschichte wurde von Peter Beat Wyrsch (Regie), Peter Kettner (Ausstattung) und Wolfgang Haendeler (Dramaturgie) quasi augenzwinkernd entsprochen: Deshalb wird Papageno eben wie ein Free-Climber, jedoch ganz bunt gekleidet aus dem Bühnenhimmel abgeseilt, zusammen mit den Vögeln, die er dort gefangen hat. Deshalb erscheinen die drei Weisung und Ermahnung gebenden Knaben als Pfadfinder, die an diesem Opernabend immer im richtigen Augenblick zur Stelle sind, um eine gute Tat zu vollbringen. Ja, so sind Pfadfinder eben: "standhaft, duldsam und verschwiegen".

Sarastro tritt zunächst in der Art englischer Kolonialherren als Safari-Jäger auf, der Chor entsprechend in Anzügen, die Damen in konventionellen Sonntagskleidern mit teilweise typisch englischen Frisuren - und Hüten selbstverständlich. Die Hurraschreie für Sarastro geraten jedoch schnell in ein merkwürdiges Licht, vor allem nach der Tempelversammlung, bei der das Publikum plötzlich ebenfalls schweigende Teilnehmer spielt. Die Versammlung an der Bühnenfront mit Sarastro auf dem Balkon und Aufpassern auf den Rängen und im Parkett zeigt sehr subtil den 'sozialen Druck', der unter "Eingeweihten" herrschen kann: wer bleibt bei einer öffentlichen Abstimmung schon als Einziger ablehnend sitzen?

In der Pause durch Plakatträger und Handzettel vorbereitet, ahnt das Publikum schon, daß Pamina, Tamino und Papageno in die gehirnwaschenden Fänge einer Sekte geraten sind (dem Programmheft nach die Scientology Church). Deren allwissender Leiter verfolgt durchaus eigene Interessen und fordert, wie eigentlich alle meinen, ziemlich unsinnige Prüfungen mit absurd radikalen Strafen zur Bestätigung der so hochgeschätzten Tugenden Vernunft und Weisheit.

Doch die Prüfungen werden ja dann schließlich mit Leichtigkeit durch die magische (ja eben doch völlig irrationale) Macht der Zauberflöte (endlich wurde mal der Grund für die Titelrolle dieses Requisits deutlich!) bestanden und so die Reiche der Nacht und des Lichts wieder vereint. Die Schwarz-Weiß-Maler Sarastro und Königin haben in so einer Welt nichts verloren und inszenieren nur noch ihren Abgang.

- Und kriegt denn der Papageno seine Papagena? - Da ja immer noch was spannend bleiben muß, wird dazu nichts verraten, nur so viel: Gerolsteiner Sprudel scheint diesen Teil der Geschichte gesponsort zu haben.




Publikumsreaktionen

In der Pause meinte eine Frau an meinem Tisch im Theatercafé: "ein bißchen wie Kasperletheater". Sie wußte bestimmt nicht, daß die Figur des Papageno auf die Tradition des Wiener Kasperletheater zurückgeht, und meinte wohl vor allem den bunten, glitzernden ersten Teil mit einer Art Revueauftritt der Königin der Nacht. Mehrere andere waren etwas hin und her gerissen.

Der Schlußapplaus fiel lang und herzlich aus, der obligatorische Buhrufer bei modernen Inszenierungen wurde durch zumindest einen (meinen) Bravoruf für die Regie aufgewogen. Besonders gefallen hatten Ines Krome (Pamina) sowie Caroline Thomas, Suzanne McLeod, Katharina von Bülow als Damen- und Hyun-Joo Suk, Reiner Beinghaus und Bettina Petersen als Knabenterzett, der Applaus galt auch vor allem der Gesamtleistung.




Fazit

Es zeigt sich wieder einmal, daß der große Pluspunkt sogenannter 'Provinztheater' in ihrer Ensemblearbeit liegt. Sicherlich können viele Stars die Rollen brillianter singen, andere könnten sie vielleicht überzeugender spielen, das Münsteraner Symphonieorchester ist nicht die das der Wiener Philharmoniker, Inszenierungsbudget und Bühnentechnik sind immer Faktoren, die Grenzen setzen. Doch kein Geld kann die kontinuierliche Zusammenarbeit ersetzen, an deren Ende eben die Premiere eines gemeinsam erarbeiteten Stückes liegt. Schon diese Atmosphäre macht den Unterschied.

Die Münsteraner Zauberflöte ist nichts für Nostalgiesuchende, eher was für Peter-Sellars-Fans (ein amerikanischer Regisseur, der mit Vorliebe Mozartopern aktualisiert).

Der Abend hat aber auch dem konservativeren Publikum Spaß gemacht, wir haben gute Musik gehört, gutes Schauspiel gesehen, ein wichtiges aktuelles Thema wurde angerissen und diskutiert, was will man mehr?




Fotos



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