Online Veranstaltungen & Kritiken
Musiktheater
Homepage zur&uumlck e-mail Impressum



Aus einem Totenhaus

Oper in drei Akten
Musik von Leos Janácek
Text vom Komponisten
frei nach Fjodor M. Dostojewskis Roman
"Aufzeichnungen aus einem Totenhaus"
Deutsche Übersetzung des Librettos von Max Brod

Premiere an den Städtischen Bühnen Münster am 14.6.1997

Besetzung
Rezension
Fazit
Fotos
weitere Aufführungen
Kartenbestellung


Von Meike Nordmeyer



Besetzung

Musikalische Leitung: Lothar Königs
Inszenierung: Andreas Prohaska
Bühne und Kostüme: Gabriele Jaenecke
Choreinstudierung: Peter Heinrich
Aleksander Petrowitsch Gorjantschikow	-	Peter Eglitis
Alej					-	Dominique Lepeudry
Filka Morosow,
im Lager unter dem Namen Luka Kusmitsch	-	Arley Reece
Tscherewin, der groszlig;e Sträfling/
eine Stimme hinter der Szene		-	Ks. Michael Rabsilber
Der kleine Sträfling			-	Donald Rutherford
Der Platzkommandant			-	Jari Saarman
Der alte Sträfling			-	Ulrich Gentzen
Skuratow, der Narr			-	Wolfgang Theis
Tschekunow,
im Theaterspiel in der Rolle des 
Don Juan und des Brahmanen		-	Mark Coles
Dirne					-	Suzanne McLeod
Schapkin,
im Theaterspiel in der Rolle des Kedril	-	Mark Bowman-Hester
Schischkow				-	Willem Laakmann
Der betrunkene Sträfling		-	Alexandros Tsihlis
Der Koch				-	Matthias Klesy
Der Pope				-	Lars Hübel
Der junge Sträfling			-	Alexandre Partzov
Wache					-	Salvatore Pusateri
Symphonieorchester der Stadt Münster
Herren des Chors und Extrachors der Städtischen Bühnen Münster



Singuläres modernes Musiktheaterstück:
"Aus einem Totenhaus" von Janácek


Die literarische Vorlage, in der Dostojewski die eigenen Erlebnisse während seiner Zeit der Gefangenschaft in Sibirien verarbeitet, ist ein ungewöhnlicher, eigentlich kaum geeigneter Stoff für eine Oper. In seinem Roman beschreibt Dostojewski protokollartig das Leben im Lager und schildert in loser Aneinanderreihung verschiedene Begebenheiten, die er dort erlebte. Es gibt keine fortlaufende Handlung in diesem Bericht, keine durchgängigen Handlungsträger, wie sie für ein Libretto nötig wären. Doch Janácek war von der Lektüre des Lagerberichtes so beeindruckt, daß er diese Schwierigkeiten nicht scheute und selbst ein Libretto nach Dostojewskis Roman anfertigte. Er fügte geschickt verschiedene Personen der Vorlage zu bestimmten Figuren zusammen und ergänzte auch einige Details, wie zum Beispiel das Motiv des geheilten Adlers. Aber auch in der Oper gibt es nicht wie üblicherweise einzelne Helden oder Hauptfiguren, keinen durchgängigen Handlungsstrang, sondern im Zentrum stehen bei Janácek die verschiedenen Lebensberichte der Gefangenen. Vorgetragen werden diese Erzählungen in dem besonderen, die Sprechmelodik verarbeitenden Stil, der Janáceks Opern auszeichnet und den er in dieser seiner letzten Oper besonders eindringlich konzentriert. Die Musik dieser Oper ist knapp aber äußerst expressiv gearbeitet. Ohne jede weite lyrische Entfaltung, um jede Beschönigung zu vermeiden, schildert die Musik das leidvolle Leben der Gefangenen. Und es gelingt Janácek ein ungeheures Stück modernes Musiktheater: Oper als Protokoll über Leben und Leben aushalten im Zuchthaus.

Die besondere Beschaffenheit der Oper stellt den Regisseur bei seiner Umsetzung des Werkes auf der Bühne vor keine leichte Aufgabe. Die vereinzelten Berichtsituationen sind miteinander zu verknüpfen und in das Lagerleben einzubinden. In Münster wurde dazu in einem reduzierten, ausdrucksvollen Bühnenbild eine Rampe eingesetzt, die in der Mitte des Gefängnishofes den Schauplatz bildet, auch als kleine Theaterbühne verwendet wird und schließlich die Krankenstation darstellt. Zugleich fungiert die Rampe auch als Bühne für die Erzählungen der einzelnen Gefangenen. Während der großen Erzählung von Schischkow wird eine Scheinwerferleiste heruntergefahren. Ein gezielter V-Effekt wird damit erreicht, und der Berichtende steht als solcher im wahrsten Sinne des Wortes im Rampenlicht im Kreise seiner Mitgefangenen.

Die Bühne bleibt abgesehen von den Lichtverhältnissen während der ganzen Aufführung unverändert. Obwohl natürlich eine schlichte, karge Gestaltung dieser Oper sehr angebracht und löblich ist, bleiben schließlich doch Wünsche nach mehr Gestaltung auf der Bühne offen. Denn die Personenführung ist zwar im Detail sehr gut gearbeitet, im ganzen aber werden mitunter die Personen nur dem Ablauf der wenigen noch folgenden Geschehnisse entsprechend aufgestellt. Die Inszenierung bleibt unaufdringlich, zurückhaltend und, das ist ihr Vorteil frei von vordergründigen Effekten. Sie hat aber, das ist die Kehrseite, an eigener Zeichnung und die Musik unterstützende Aussage nicht viel zu bieten.

Musikalisch ausgeführt wurde die Oper von einem sicherem Ensemble, das sehr gut bei Stimme anspruchsvolle Gestaltung aufzuweisen hatte. Lediglich Jari Saarman als Platzkommandant stellte nicht recht zufrieden. Sehr konzentriert und klangvoll zeigte sich der Chor und bot ein Spiel, das bis ins Detail überzeugte.

Das Orchester setzte die Partitur anspruchsvoll um. Dirigent Lothar Königs wußte stets den Zusammenhalt und großen Bogen der Musik herzustellen. Herausragend war wirklich die verantwortungsvolle Leitung des Dirigenten über Orchester und Bühnenmusiker. Königs hatte stets die Bühne im Blick und gab genaue und deutliche Einsätze dorthin. Daher klangen alle Musiker perfekt zusammen und homogen, wen wundert es? Warum können nicht alle Dirigenten solch eine verlässliche Stütze für die Sänger abgeben?




Fazit

Einen besonders interessanten Abend gibt es in Münster zu erleben, denn es wird eine außergewöhnliche, hochrangige Oper des 20. Jahrhunderts geboten. Realisiert wird das Werk in musikalisch sehr lohnender Ausführung und in schlichter, etwas karger, insgesamt aber solider Inszenierung. Der düsteren Stimmung der Gefängnisszenerie kommt es zudem sehr zugute, daß die Aufführung ohne Pause durchgespielt wird.


Fotos
(von Michael Hörnschemeyer)




Weitere Aufführungen

Juni: 20., 27.

impressum zur&uumlck e-mail zur&uumlck
©1997 - Online Musik Magazin
http://www.bergnetz.de/omm
*****"