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Die spanische Stunde


Musikalische Komödie in einem Akt
Musik von Maurice Ravel
Dichtung von Franc-Nohain
Deutsche Übersetzung von Marcel Prawy


Daphnis und Chloë


Sinfonisches Tanzpoem in drei Teilen
Musik von Maurice Ravel




Premiere am Theater Mönchengladbach
am 7. Februar 1999




Von Meike Nordmeyer / Fotos von Matthias Stutte







Ravel-Abend in Mönchengladbach


Spanische Glanzstunde


Mit der Vertonung von Franc-Nohains "L'Heure espagnole" gönnte sich Ravel ein besonderes Vergnügen. War er doch von der Aufführung des Bühnenwerkes Franc-Nohains begeistert und hatte er doch zudem eine besondere Vorliebe für Uhren und andere kleine mechanische Spielereien. So verarbeitete Ravel die kleine absurd-groteske Geschichte der spanischen Stunde zu einer Oper sozusagen in Echtzeit. Die zugrundeliegende Erzählung bedient sich zwar recht unbekümmert oberflächlich zweier Klischees: sie bemüht sowohl ein wild-romantisches Spanienbild als auch die Figur der alleingelassenen Ehefrau, die es auf Verführung nur so anlegt. Verstrickt werden diese beiden Motive zu einer burlesken Verwechslungsgeschichte. Daß die Geschichte dennoch nicht zum alten Schmarren verkommt, liegt an dem beweglichen, offenen Text, der witzig und ironisch ist und den Hauch des Absurden unterstützt, der heraufdämmert, wenn der Eseltreiber Ramiro die Uhren immer wieder hoch und runter trägt - ein sehr bereitwilliger, nicht ermüdender Sisyphos...

Die Geschichte wird in Mönchengladbach vom Intendanten Jens Pesel inszeniert. Das Bühnenbild, das Friederike Singer dazu entwirft, ist sehr schlicht gehalten. Verwendet werden gelbe, plane Flächen, die schräg zueinander gestellt den Uhrmacherladen kühl, aber von magischer Stimmung darstellen. Beim Vorspiel und auch zu den kleinen Zwischenspielen, in denen die Handlung innehält, das Orchester alleine klingt, oder einmal der Uhrmacher Torquemada und dann wiederholt Ramiro sinniert, werden verschiedene Bilder auf die Flächen der Wände eingeblendet und erzeugen einen visionären, von Zeit gänzlich angefüllten Raum: Uhrenteile, Zahnrädchen, Ziffern, Zeiger pulsieren zu dem lautmalerischen Uhrenklang und Geläut des Orchesters.

Pesel erzählt das Geschehen im Uhrmacherladen im heiteren komödiantischen Ton, das ist der Geschichte vollkommen angemessen. Die drei Herren, der Ehemann und die beiden zweifelhaften Verehrer von Concepcion, treten mit gemalten weißen Fratzen nach Art der Comedia dell' arte auf, sie sind schließlich auch nichts anderes als Typen, eigentlich nur Witzfiguren. Ganz anders dagegen verhält es sich mit dem gutmütigen Ramiro, er ist ein ebenso einfacher wie integerer Charakter und daher bleibt er folgerichtig auch ohne Maske, denn er ist mit echtem Gefühl beteiligt. Diese auch im wörtlichen Sinne tragende Figur der Oper wird sehr überzeugend gespielt von Carlo Hartmann, der auch trotz einer Verletzung in der Generalprobe am Vortag die Uhren treppauf-treppab schleppte.

Pesel läßt die Geschichte auf deutsch singen, und das kommt der Aufführung sehr zugute, denn der Text der offenbar sehr guten Übersetzung ist daher weitgehend verständlich, so daß sich der Witz der kleinen Posse besonders gut entfalten kann. Solch ein komödiantisch-lustiges Spiel auf der Opernbühne, wie es in Mönchengladbach angestrebt wurde, ist immer eine Gratwanderung, es kann in verstaubten, müden Humor oder in überdrehter Albernheit stets abrutschen. Hier aber ist die Umsetzung famos gelungen, denn das Spiel ist wirklich lustig und nicht albern, wirklich humorvoll, das Timing stimmt und der Ton wird immer getroffen. Besonders spaßiges Talent beweist dabei Christoph Erpenbeck als Don Inigo Gomez.

Die Sängerdarsteller spielen flink und sehr frei, sie haben es nicht nötig, ihre Zuflucht im Festhalten an den Kulissen zu suchen. Der Notentext wird von ihnen sicher hervorgesprudelt, als wäre er spontan parliert. Die Stimmen des fünfköpfigen Ensembles klingen alle ausgesprochen gut, sie sind klangvoll und frei, trotz der schwierigen Partien.
Das Orchester unterstützt das Bühnenteam auf hervorragende Weise. Mit so enormer Spielfreude unter der kompetenten Leitung von Neville Dove kann die Gestaltung der humorvollen, klangmalerischen Musik aufs Allerbeste gelingen!

Die reizvolle kleine Oper von Ravel wurde in Mönchengladbach sowohl von der Regie als auch von allen Musikern brillant ausgeführt!



 Szenenfoto

Das hervorragende Ensemble der spanischen Stunde:
Christoph Erpenbeck, im Schrank, als Don Inigo Gomez,
Janet Bartolova als Concepcion, Walter Planté als Torquemada
und Markus Heinrich als Gonzalvo.





Erzählerische Entfaltung der Gefühle


Anschließend an "Die spanische Stunde" gab es ein weiteres Kleinod des Ravelschen Ouevres zu erleben: das Ballett "Daphnis und Chloë" wurde von Heidrun Schwaarz choreographiert. Gleichwohl ein höchst interessanter Ravel-Abend durch die Zusammenstellung der beiden Werke ermöglicht wurde, ergab sich ein Stimmungsumschwung, wie er stärker kaum sein könnte. Nach der komödienhaften, ironischen Beschwingtheit des ersten Teils wurde nun die berühmte antike Liebesgeschichte in innigem, romantischem Gestus erzählt.

Die Choreographie von Heidrun Schwaarz will die Gefühle, die in der zarten Liebesgeschichte ausgefaltet werden, im farbenreichen Prisma zeigen, so gibt sie selber im Programmheft an. Bühnenbild und Kostüme sind dementsprechend farbig gestaltet, Farbtöne stehen nebeneinander auf der Bühne und bewegen sich beziehungsreich zueinander durch die Tänzer. Das Geschehen beginnt zunächst verträumt hinter einem Schleier. Nachdem dieser sich öffnet, zeigen sich große Augen im Hintergrund, die Geschichte wird gesehen, erträumt, vielleicht auch erinnert. So liegt Cloë auch immer wieder träumend da, dann tanzt sie auch wieder selbst den Liebestraum - Wirklichkeit, Phantasie und Erinnerung verschwimmen ineinander, wie eben in jeder Liebesgeschichte, sei sie antik oder heutig...

Getanzt wird überwiegend auf Spitze, die klassische Formsprache ist aber mit expressiven Elementen angereichert. Es finden sich dazu leichte Anklänge an den Ausdruckstanz, die hätten eigentlich auch durchaus stärker ausgearbeitet werden können, gerade bei diesem dem Ausdruckstanz sehr nahestehendem Thema. Es wird durchgehend kraftvoll und diszipliniert getanzt, manchmal allerdings (noch) nicht ganz fließend. Es ergibt sich ein schönes Zusammenspiel der Figuren. Die Führung der Auftritte ist wohl bedacht und wird vom Ensemble harmonisch umgesetzt, ein angenehmer, reicher Erzählfluß wird entfaltet.

Das Orchester unter der Leitung von Neville Dove beweist auch bei diesem Ravel-Werk Höchstform! Die Flöten, stimmungstragend natürlich in einem solchen Schäferspiel, werden ihrer gewichtigen Aufgabe voll gerecht.



FAZIT

Ein anspruchsvoller Ravel-Abend ist in Mönchengladbach erarbeitet worden. Der unterschiedliche Charakter der beiden Werke Ravels wird durch die jeweilige Umsetzung von Regie bzw. Choreographie noch verstärkt. Dennoch fällt der Abend nicht in zwei heterogene Teile auseinander. Die Klammer bildet die glänzende Ausführung der Ravelschen Musik durch die Niederrheinischen Sinfoniker.




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Die spanische Stunde


Musikalische Leitung
Neville Dove

Inszenierung
Jens Pesel

Bühne und Kostüme
Friederike Singer

Solisten

Concepcion
Janet Bartolova

Gonzalvo
Markus Heinrich

Torquemada
Walter Planté

Ramiro
Carlo Hartmann

Don Inigo Gomez
Christoph Erpenbeck


Die Niederrheinischen Sinfoniker



Daphnis und Chloë


Musikalische Leitung
Neville Dove

Choreographie
Heidrun Schwaarz

Choreographische Assistenz
Igor Kosak
Yolande Straudo

Bühne und Kostüme
Friederike Singer

Choreinstudierung
Heinz Klaus


Tänzer

Daphnis
Vladimir Karakulev

Chloë
Silvia Behnke

Pan
Augustus Damian

Syrinx
Roberta Scorza

Dorcon
Csaba Kvasz


Farbenprisma:

Claudia Creutz
Lidija Curcic
Valérie Moreau
Cynthia Samchee
Karine Sutter
Valérie Tournier
Viktor Belinski
Rünno Lahesoo
Michael McClain






 Szenenfoto

Carlo Hartmann als Uhren
schleppender Ramiro und
Janet Bartolova als Concepcion.

































Szenenfoto

Das Ensemble von
Heidrun Schwaarz tanzt
vor träumenden Augen












Weitere Aufführungen

Februar 99: 9., 19., 21.
März 99: 4., 19., 24


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