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Die Hochzeit des Figaro

(La Nozze di Figaro)

Komische Oper in vier Akten
Text von Lorenzo da Ponte
Deutsche Fassung von Nicolas Brieger, Friedemann Layer und Gudrun Sieber
Musik von Wolfgang Amadeus Mozart

Premiere im Theater Krefeld
am 26.September 1998

Von Stefan Schmöe / Fotos von Matthias Stutte



Die Wahrheit liegt im Rosenfeld

Ganz langsam öffnet sich der Vorhang, und im weißen Brautkleid sieht man schemenhaft Susanna auf der schräggestellten Bühne stehen, hinter einem Gazevorhang - ein entrücktes Standbild, während "draußen" der Sturm der Overtüre tobt. In diesem ersten Eindruck sind bereits die wichtigsten Elemente der Aufführung enthalten: Eine Inszenierung, die ganz bewußt auf Künstlichkeit und ästhetische Wirkung setzt und immer wieder inne hält, und eine drängende und pulsierende, nie aber hektische musikalische Interpretation, in deren Verlauf Dirigent Anthony Bramall Sänger und Instrumentalisten zu einer außerordentlichen Glanzleistung führt.

Die Bühne besteht aus einem schwarzen, im wahrsten Sinne des Wortes aus dem Lot geratenen Guckkasten, den die Sänger nur selten verlassen. Auf der kleinen Spielfläche steht im ersten Akt lediglich ein Sessel, im zweiten Akt drei Türen. In den unprätentiösen, dezent historisierenden Kostümen von Gabriele Wasmuth entwickelt Regisseur Thomas Kruppa das muntere Treiben als Kammerspiel, wobei das Personal immer wieder pantomimisch in bestimmten Posen verharrt. Das Ensemble setzt das mit hoher Perfektion um (für das choreographische Training ist Bettina Tornau verantwortlich). Durch häufige Lichtwechsel entsteht der Eindruck einer Reihe von "Momentaufnahmen". Zusätzlich schafft der Gazevorhang, der immer wieder für raffinierte Lichteffekte genutzt wird, Distanz zum Geschehen. Statt Naturalismus entsteht dadurch eine Künstlichkeit, die einen allzu plump komödiantischen Verlauf der Handlung unterbindet.

Szenenfoto

Ständchen für den Grafen in
Schräglage: Ensemble


Das Regieteam nutzt den Bühnenraum, das ist die zweite Grundidee der Inszenierung, als ständig variierende "Lichtskulptur": In Anlehnung an Arbeiten des amerikanischen Lichtkünstlers James Turrell kommentieren sie das Geschehen auf der Bühne (oder vielmehr das Geschehen in der Musik) mit starken Farbwirkungen. So wird am Ende von Figaros Kampfansage ("Will der Herr Graf den Tanz mit mir wagen") alles in ein tiefes Rot getaucht, in dem die Sänger unsichtbar werden. Die ständigen Gefühlsschwankungen im Finale des zweiten Aktes kongruieren mit ständigem Beleuchtungswechsel. Die Lichtgestaltung von Andreas Jander und Walter Söhnel ist bereits ein Besuch der Aufführung wert.

Nach der Pause ist das Regiekonzept nicht mehr so streng durchgehalten; es gibt mehr Requisiten, und vermehrt treten die Akteure aus dem Bühnenraum heraus. Christoph Erpenbeck darf seine Warnung bezüglich Frauenuntreue "öffnet Eure Augen" zur Freude des Publikums sogar im Zuschauerraum singen. Die Inszenierung wird dadurch konventioneller, aber vielleicht ist dies notwendig, um einer überzogenen Künstlichkeit vorzubeugen. Immerhin ist der Schlußakt sehr schön gelungen: Die Bühne ist in ein Rosenfeld verwandelt, in dem sich die Personen voreinander verstecken. Alle sind sichtbar und doch unsichtbar - der Zustand der Schwebe ist hier sehr schön ins Bildhafte übersetzt, mit Assoziationen zu Shakespeares Sommernachtstraum. Leider verschenkt die Regie das "Gräfin, verzeiht mir", den vielleicht großartigsten Moment der gesamten Opernliteratur - gerade an diesem Kulminationspunkt, an dem sich die Musik über alles Komödiantische erhebt, wirkt die Regie unentschlossen (wie zuvor schon in den beiden großen Arien der Gräfin, die vergleichsweise konventionell in Szene gesetzt sind). Wenn danach das Morgenlicht anbricht, ist das schon eine Spur zu spät.

Sängerisch überzeugen insbesondere die sorgfältig durchgearbeiteten Ensembleszenen. In den Arien wirkt sich das Bühnenbild störend aus, denn die Sänger sind auch akustisch weit entfernt (deutlich wird das, wenn sie einmal von der Rampe aus singen und klanglich gleich sehr viel präsenter sind). Dennoch verdiente sich das sehr geschlossene Ensemble, in dem es keine Ausfälle gab, die Ovationen des Publikums, das eine gelungene Aufführung mit großem Jubel feierte.


FAZIT:

Eine hervorragende Ensembleleistung und brilliante Lichtregie machen diesen Figaro zum Ereignis.



Logo

Musikalische Leitung
Anthony Bramall

Inszenierung
Thomas Kruppa

Bühnenbild
Alexander Jander

Kostüme
Gabriele Wasmuth

Licht
Andreras Jander
Walter Söhnel


Doppelbesetzungen in
alphabetischer Reihenfolge
*Besetzung der Premiere

Graf Almaviva
*Mikhail Lanskoi
Daniel Sutin

Gräfin Almaviva
Janet Bartolova
*Andrea Hanson

Susanna
*Barbara Cramm
Debra Hays

Figaro
Christoph Erpenbeck

Cherubino
*Michaela Mehring
Magaret Thompson

Marcellina
Vuokko Kekäläinen

Bartolo
*Magnus Baldvinsson
John T. Gates

Basilio
Markus Heinrich
*Walter Planté

Don Curzio
*Markus Heinrich
Walter Planté

Barbarina
*Jacqueline Stein
Marianne Thijssens

Antonio
*John T. Gates
W. Stein

zwei Mädchen
Anneliese Bolten-Nacken
Anna Hollenberg
*Anneli Bolz
*Sabine Sanz

Die Niederrheinischen Sinfoniker

Chor des Theaters
Krefeld/Mönchengladbach



Szenenfoto

Nichts als Türen:
Susanna (Barbara Cramm, l.),
die Gräfin (Andrea Hanson),
Cherubino (Michaela Mehring, r.)
und der Graf (Mikhail Lanskoi)
sind verwirrt.



Szenenfoto

Die Wahrheit liegt im Rosenfeld:
Figaro (Christoph Erpenbeck, l.),
Bartolo (Magnus Baldvinsson, m.) und
Basilio (Walter Planté, r.) suchen.



Szenenfoto

Außer der Wahrheit
liegen noch im Rosenfeld:
Figaro (Christoph Erpenbeck, l.)
und Barbarina (Jacqueline Stein, r.).
Graf (Mikhail Lanskoi) und Gräfin
(Andrea Hanson) stehen darüber.





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