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Macbeth

Oper in vier Akten
Dichtung von Francesco Maria Piave und Andrea Maffai
Musik von Giuseppe Verdi

In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Premiere im Opernhaus der Stadt Köln
am 5. April 1998

Von Stefan Schmöe / Fotos von Klaus Lefebvre




Und wenn die Produktion uns gelingt, soll das Publikum keinen "angenehmen" Abend haben, sondern eine aufwühlende und schmerzhafte Erfahrung.

Graeme Jenkins, Dirigent der Aufführung

Die Diktatur frißt ihren Tyrannen


Die Hexen sind die Putzfrauen. In gespenstischer Manier ist das Reinigungspersonal auf der Bühne damit beschäftigt, die Blutspuren, die sich durch Robert Carsens "Macbeth" ziehen, zu beseitigen. Das ist komisch und schrecklich zugleich, und vielleicht am besten vom Ende her zu interpretieren: Mit Malcolm steht der nächste Tyrann auf der Bühne, dessen Schicksal sich wohl nicht wesentlich von dem seiner Vorgänger unterscheiden wird. Wo das beseitigen von Königs- und anderen Leichnamen an der Tagesordnung ist, da können auch Putzfrauen die Zukunft voraussagen.

Foto: Köln/Macbeth

Carsen verlegt das altschottische Drama in eine moderne Militärdiktatur. Vor einer Betonmauer mit Einschußlöchern und Blutspuren meucheln sich Generäle und deren Bürokraten: Der Mord an Banquo wird im Büro ausgeführt und als Selbstmord getarnt. Carsens Inszenierung ist von kaum zu übertreffender Präzision: Die Bewegungsabläufe sind unglaublich perfekt, sei es in dieser Szene, sei es bei den putzenden Hexen: Auch eine Meisterleistung des überaus agilen Chores. Aber auch mit dem beklemmenden Bühnenbild (Radu Boruzescu) weiß Carsen virtuos umzugehen. In der Vision der zukünftigen Könige, allesamt Banquos Nachkommen, wandelt sich das überdimensionale Portrait Macbeth' unmerklich in das Banquos und wird zudem immer größer. Als Macbeth in seiner Angst darauf schießt, beginnt das Bild zu bluten, wie Banquo selbst verblutete.

Foto: Köln/Macbeth

Es gibt viele grandiose Bilder in dieser Aufführung; eines der eindrucksvollsten ist sicher der Auftritt des schottischen Volkes, das Bilder der getöteten und verschollenen Angehörigen an die blutbedeckte Mauer heftet. In solchen Momenten gewinnt die Inszenierung verstörende Aktualität. Das Publikum verfolgte das Geschehen mit ungewöhnlicher Konzentration, und selbst wer sich an dem einen oder anderen Detail rieb, konnte sich nur schwer dem Sog dieser Aufführung entziehen.

Foto: Köln/Macbeth

Die Stimme der jungen Georgierin Iano Tamar ist vergleichsweise klein, aber in allen Registern überaus kontrolliert geführt. In das Regiekonzept paßt das ganz ausgezeichnet, denn so wird die blutrünstige Lady keine perfekt funktionierende Mordmaschine, sondern eine überehrgeizige Frau, die mit allen Mitteln die Chance wahren will, die sich ihr gerade bietet. Es wird nach ihr andere geben, die genauso handeln werden; Grund zur Hoffnung bleibt nach der Aufführung nicht. Alan Titus ist ebenfalls eine Idealbesetzung, ein unmenschlicher General übelster Sorte, der, einmal Mörder geworden, das Morden nicht mehr lassen kann. Der Beschluß, Macduffs Familie ausrotten zu lassen, steigert das mörderische Paar in einen geradezu sexuellen Rausch.

Foto: Köln/Macbeth

Graeme Jenkins Vorsatz (s.o.), der Abend solle schmerzhafte Erfahrungen bereiten, wird vom Orchester in unheimlichen, fahlen Klangfarben bestens umgesetzt. Jenkins macht das unerhört Moderne hörbar, das weite Teile der Partitur durchzieht, und das Orchester setzt dieses Konzept grandios um. So entsteht eine (wenn nicht die) herausragende Produktion der bisherigen Saison - vom Publikum mit Ovationen gefeiert, die sicher noch ausgiebiger gewesen wären, wäre die Beklemmung nicht so groß.


FAZIT

Die schrecklichste Aufführung der Saison ist eben darum vielleicht die Stärkste: Robert Carsen und Graeme Jenkins gelingt ein Meisterwerk

Foto: Köln/Macbeth

Logo: Oper Köln

Musikalische Leitung
Graeme Jenkins

Inszenierung
Robert Carsen

Bühne
Radu Boruzescu

Kostüme
Miruna Boruzescu

Choreinstudierung
Albert Limbach

Licht
Manfred Voss

Dramaturgie
Ian Burton, Barbara Maria Zollner

Musikalische Assistenz
Jörg Ritter


Solisten

Lady Macbeth
Iano Tamar

Macbeth
Alan Titus

Banco
Franz-Josef Selig

Kammerfrau
Ute Döring

Macduff
Alexej Steblianko

Malcolm
Haig Hartmann

Arzt, Diener, Mörder
Alexandre Vassiliev


Gürzenich-Orchester
Kölner Philharmoniker

Opernchor der Bühnen
der Stadt Köln


Weitere Aufführungen

April '98 8., 11., 15., 18., 22.
Juni '98: 8., 11., 15., 21.



Foto: Köln/Macbeth

Große Ereignisse werfen
ihre Schatten voraus:
Banquo (F.-J. Selig) und Macbeth (A. Titus)



Foto: Köln/Macbeth

Mord ist auch eine Frage der
Kleiderordnung: Macbeth (A. Titus)
wird von seiner Frau (I. Tamar) beraten



Foto: Köln/Macbeth

Der General sieht Gespenster:
Macbeth (A.Titus) und Gattin (I. Tamar)
blamieren sich vor den Choristen



Foto: Köln/Macbeth

Im Schlafzimmer plant
Lady Macbeth (I. Tamar) weitere
Bluttaten



Foto: Köln/Macbeth

Vor den Bildern der Verschollenen
gerät die Lady (I. Tamar) ins Grübeln





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