Tannhäuser und der Sängerkrieg auf der Wartburg
von Richard Wagner
Premiere am Theater Hagen
am 13. September 1997
Von Meike Nordmeyer
/
Fotos von Dietrich Dettmann
Tannhäuser und der Künstlerwettstreit in der Akademie
Ungewöhnliche Inszenierung der Wagner-Oper in Hagen
Angekündigt wurde in großen Lettern vor dem Hagener Theater:
"Tannhäuser mal anders" - und so war es denn auch.
Tannhäuser hat im Venusberg seine Staffelei aufgebaut, und er
versucht jeden Blick auf den begehrten Körper von Venus, jede Pose
mit dem Pinsel auf dem Papier festzuhalten. Tannerhäuser als Maler, das ist
durchaus eine originelle Variante, der man gespannt folgen mag. Die
Idee verspricht eine ambitionierte Inszenierung, die nicht in gewohnten Bahnen
verläuft.
Es wirkt dann in der Ausführung allerdings sehr bald etwas gezwungen, wenn
Tannhäuser in seinem Atelier im Venusberg immer hektisch singen muß, während
er malt. Oder andersherum betrachtet: es ist etwas hinderlich, wenn der
Darsteller des Tannhäusers immer zur Staffelei eilen muß, wenn er singen will.
Frau Venus tritt als die Sünde klassisch mit langem, feuerrotem Haar auf;
ob sie auch grüne Augen hat, wie auf der bekannten Abbildung von Munch,
war nicht auszumachen. Der Venusberg ist hingegen äußerst schlicht
allein durch zwei große Architekturelemente angedeutet,
die mit Farbe und Licht belebt werden. Die löbliche reduzierte
Art der Bühnengestaltung herrscht während der ganzen Inszenierung vor.
Auf der fast leeren Bühne wird mit einer Reihe von Dias erzählt,
im letzten Akt besteht das Bühnenbild nur aus dunklem Raum und verschiedentlich
eingeblendeter Farbe.
Der Sängerwettstreit am Hofe im zweiten Akt wird gemäß dem Malerdasein
Tannhäusers umgedeutet zur Ausstellungseröffnung in der Akademie,
auf der die Künstler ihre Werke zum Thema Liebe präsentieren. Die
Akademieszenerie ist atmosphärisch sehr gelungen. Der Gesang, den die
Protagonisten in der Szene hören lassen, dient der wortreichen Anpreisung und
Erklärung ihrer Werke. Tannhäusers Konkurrenten enthüllen ihre Skulpturen,
jener aber hat seine Mappe mit Bildern mitgebracht. In der konservativen
Gesellschaft sorgt Tannhäuser mit seinen extatischen Darstellungen von Frau
Venus für einen Eklat. Der Maler mit dem Pinselstrich eines Edward Munchs
ist der Avangardist, der Provokateur, der mit dem höchsten Tabu bricht und
die Liebe als Sinnenfreude darstellt. Die Hagener Variante des Tannhäusers
erweist sich hier als überzeugend durchführbar, denn Kunst ist ja, wie wir
alle wissen, auch eine Sprache, mit der man über die Liebe streiten kann,
ebenso wie der Gesang. Aber eben weil wir das alle wissen, ist diese
Abwandlung der Geschichte zwar möglich, ergibt aber in der einfachen
Gleichsetzung keine neue Einsichten. Die Erzählung vom ungehaltenen, in Sünde
verstrickten Tannhäuser bleibt dieselbe.
Doch ein Moment überrascht dann noch in der Akademieszene:
Tannhäuser kann Elisabeth mit seinen Bildern nicht schocken, geschweige denn
verletzen. Sie scheint mit diesen aufsehenerregenden Werken sogar zu
symphatisieren. Elisabeth, so will wohl die Inszenierung sagen, sehnt sich
recht eigentlich nach dem verbotenen Genuß der Liebe, den ihr die Werke
Tannhäusers so vielversprechend vorführen.
Auf diese Auslegung weist zumindest auch der Schluß der Inszenierung. Denn
während Wolfram in seiner Sorge um Elisabeth den Gesang an den Abendstern
anstimmt, zieht in seinem Rücken wiederum ein sinnlicher Frauenakt
am Horizont auf. Und Elisabeth schwebt schließlich nach ihrem Tod nicht dem
Himmel entgegen, sondern hält sich mit Frau Venus trunken an den Händen.
Dieser Ausklang der Vorstellung verweigert jeglichen Hinweis auf Erlösung.
Gemeint ist jene Erlösung, die aus christlicher Sicht als Befreiung von der
Sünde der Sinneslust dringend nötig ist. Die Verneinung der Erlösung in der
Hagener Inszenierung wird auch unmißverständlich durch den Chor vorgeführt:
Die Damen des Chors, nicht etwa die Herren,
erscheinen zur Schlußmusik in Totengestalt. Alle Frauen sind eben eigentlich
und unwideruflich der Sünde verfallen - ist es wohl das, worauf uns die Regie
aufmerksam machen will? Das braucht sie uns aber doch nicht zu erzählen, denn
das wissen wir doch schon lange aus der Tradition. Ratlos läßt die Inszenierung
den Zuschauer und die Zuschauerin zurück. Gezeigt wurde im letzten Akt
ein Reigen sonderbarer Einfälle, dem man nicht mehr folgen kann,
und man mag sich auch kaum eine Auslegung zusammenstricken.
Das Publikum gibt daher am Ende der Aufführung mit lauten Buhrufen seiner
Unzufriedenheit Ausdruck.
Musikalisch ist für diesen Abend vor allem das Orchester sehr zu loben,
das unter dem Dirigat von Gerhard Markson stets sehr konzentriert und
spannungsreich die Partitur zu entwickeln wußte. Markson gab meist auffallend
zügige Tempi vor. Er achtete dabei manchmal leider zu wenig auf die Sänger, die
Elisabeth wurde zum Beispiel bei ihrer Hallenarie sehr gehetzt.
Davon abgesehen bot das Orchester aber eine beeindruckende Leistung
an diesem Abend, mit der die Sänger leider nicht mithalten konnten.
Das besondere Problem der Premiere war, daß Richard Brunner in der Titelrolle
an diesem Abend gänzlich undisponiert war. Bereits im ersten Akt war die
Schwäche nicht zu überhören.
Brunner ließ sich in der Pause entschuldigen und stand dann kaum den zweiten
Akt durch. Vor seiner Romerzählung im dritten Akt wußte er sich aber genügend
zu schonen und konnte daher dieses anspruchsvolle Stück passabel bewältigen.
Es gelang ihm zu zeigen, daß er eine wohlklingende Stimme und gute Gestaltung
für die Partie zu bieten hat. Er wird hoffentlich bald wieder bei Stimme
sein und sich dann als glänzender Tannhäuser beweisen.
Daniela Nedialkova als Elisabeth hatte bei strahlendem Aussehen einen würdigen
Auftritt in der Akademie. Die Hallenarie wurde von ihr sehr schön vorgetragen,
obwohl ihr kaum Zeit zum Aussingen blieb. Ihr Gebet im dritten Akt überzeugte
hingegen weniger. Stefan Adam als Wolfram stellte mit seiner volltönenden
Stimme zufrieden und wurde vom Publikum mit viel Applaus belohnt.
Sehr problematisch war leider stets die Darbietung des Chores; es herrschte
große Unsicherheit unter den Damen und Herren, vor allem in der Intonation.
FAZIT:
Als rundum erfreulich erwies sich allein das Orchester, das die strahlende
Musik der Wagneroper vorzüglich ausführte. Die nicht gewöhnliche, durchaus
interessant angelegte Inszenierung ist in der Durchführung leider nicht
gelungen. Unter den Sängern gab es zudem erhebliche Probleme an diesem Abend.