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Peter Grimes


Oper in drei Akten und einem Prolog
Libretto von Montagu Slater
nach der Verserzählung "The Borough" von George Crabbe
Musik von Benjamin Britten
In englischer Sprache mit deutschen Übertiteln




Premiere am Aalto-Musiktheater Essen
am 20. März 1999
Rezensierte Auführung am 2. April




Von Meike Nordmeyer / Fotos von Harald Reusmann




Im Sturm der Emotionen -spannendes modernes Musiktheater in Essen


Eine bedrückende Szenerie, die sich da auf der Bühne auftut, eine höchst beklemmende Stimmung, die da von Anfang an erzeugt wird und durchsetzt ist, schließlich beherrscht wird von eruptiven Ausbrüchen der Leidenschaft und der Verzweiflung. Eine überaus dichte und packende Inszenierung des "Peter Grimes" gelingt Adolf Dresen in Essen, und er wird damit dem Anspruch der von Britten geschaffenen Oper vollauf gerecht.

Ermöglicht wird dem Regisseur die enorme Intensität seiner Inszenierung vor allem durch die beachtliche Leistung des Essener Chores. Der Chor ist handlungstragend in dieser Oper, als Kollektiv, als aufgebrachte Masse bildet er die Hauptperson neben Peter Grimes, steht ihm als ein übermächtiger Gegenspieler entgegen. Nahezu den ganzen Verlauf über ist der Chor präsent auf der Bühne und hat eine enorme Fülle an musikalischen Material zu bewältigen. Der Essener Chor meistert diese schwierige Aufgabe ausgesprochen gut. Eine Stimme der Entrüstung, der Erregung und des Hasses bildet er und die Emotionen wogen nur so auf der Bühne, sie peitschen sich immer mehr hoch. Dichten Zusammenklang und ausgezeichnete darstellerische Leistung erbringen die Essener Chorsänger.

Die Bühne ist dazu sehr eindrucksvoll gestaltet. Das Dorf schemenhaft, dunkel, bedrohlich zusammengerückte Häuser von wehrhaftem Charakter. Mit ihrer leichten Schrägläge scheinen sich die Häuser gegen Fremde zu neigen und abweisende Haltung zu markieren. So neigen sie sich auch gegen Peter Grimes, der außerhalb des Dorfes lebt und zwar im doppelten Sinne, sowohl nach seiner tatsächlichen Wohnlage als auch im Hinblick auf die ihm verweigerten Sympathien. Mit wenigen, aber gezielt eingesetzten Mitteln wird außerdem durch das Bühnenbild genügend Fischerdorfstimmung gezeichnet, um die ständige existenzielle Bedrohung durchWasser und Wind, der die Bewohner ausgesetzt sind, empfinden zu lassen. Die Innenräume, der Gasthof der Auntie und die Hütte von Grimes, sind gleichermaßen düster, schwarz und bunkerhaft, in den Felsen gehauen und geteert, so scheint es. Gedrungene Räume sind es mit niedrigen Decken, dicken dunklen Wänden, sie nehmen nur einen kleinen Ausschnitt der verengten Bühne ein. Aus Grimes Hütte hat man allein Aussicht nur auf das diabolisch glitzernde Meer.

Das Meer läßt der Komponist in vier Zwischenspielen vom Orchester zeichnen: ein ständiges unmittelbares Umschlagen von Ruhe, Schönheit und Friedlichkeit in bedrohliche Gewalt und Zerstörungskraft. Gleichermaßen spielgeln die Zwischenspiele aber eben auch das wechselhafte, allzuoft stürmische Wesen des Grimes, dem verzweifelten und aussichtslosen Außenseiter des Dorfes mit seiner geplagten und getriebenen Seele. Es peitschen die Wogen der Wellen und der Emotionen nur so aus dem Orchestergraben. Zu allerhöchster Ausdruckskraft treibt Stefan Soltesz die Essener Philharmoniker an. Ausgezeichnet konzentriert und engagiert wird gearbeitet und von den Instrumentalisten höchste Leistung erzielt. Der Zuhörer erschaudert.

Peter Grimes in der Darstellung von Kurt Schreibmayer ist kräftig, wehrhaft, er stemmt sich stets in entgegengesetzter Schräglage dem Dorf entgegen. Er ist gehetzt, wirkt hart, selbst in seiner Zuneigung vermag er nur des groben, unbeholfenen Ausdrucks. Kraftvoll und engagiert stellt Schreibmayer den Grimes dar, schier unermüdlich sein energisches Auftreten auf der Bühne. Seine mächtige Stimme läßt allerdings leider etwas die Führung und Bündelung des großen Stimmpotentials vermissen. Konzentrierte und anspruchsvolle Partnerin des Grimes ist Galina Simkina als Ellen. Auch Victor Braun als Kapitän und die anderen Solisten erbringen verläßliche und solide Leistung. Besonders bewegend gelingt das Duett der vier Frauen, Ellen, die beiden Nichten und die Tante, im zweiten Akt, vier Randfiguren der Gesellschaft finden hier kurzzeitig zum innigen Klang zusammen.

Erschütternd ist das Ende der Oper ohnehin, gibt es schließlich keinen Ausweg als nur den Tod als Rettung vor der Hölle, die im Diesseitigen besteht. Die Hölle, das sind die Anderen, die Mitmenschen, die Grimes zum Selbstmord treiben. Der Selbstmord bleibt für Grimes der einzige Ausweg, um dem Meuchelmord durch die Menge zu entkommen und als wenigstens selbstvollzogen bedeutet er so die würdigere Todesart für ihn. Rätselhaft wird das Ende in der Inszenierung von Dresen, da hier bei dem vom Kapitän ausgesprochenen grausamen Rat an Grimes, sich selbst ertrinken zu lassen, Ellen daneben steht und nicht aufschreit und Grimes zurückzuhalten sucht. Sie bringt nur ein kaltes "no" zustande... Hat sie keine Kraft mehr, sich anzustemmen gegen das Schreckliche? Oder zwingt sie sich, ihre Emotionen nicht zuzulassen, aufgrund der Einsicht, daß es keine Alternative zu dem grausigen Vorschlag des Kapitäns gibt? Überzeugend ist dieses unergründliche, bittere "no" auf jeden Fall.

Auf der ganzen Linie ist in Essen also eine höchst gelungene, enorm dichte Umsetzung der bedeutenden Oper von Benjamin Britten erarbeitet worden, ein Bild des hetzenden grausamen Kollektivs, das seine Opfer braucht. Es ist die stets sich formierende Menge mit seiner Lust am Versagen irgendeines Anderen, dabei unaufhaltsam eifrig die Moral zur Tötung einsetzend. Eine eindringliche Schilderung, die der Essener Oper gelingt, von entsetzlicher ungebrochener Aktualität.



FAZIT

Alle Teile tragen aufs Beste zu einer starken Umsetzung der Oper bei: eine gelungene, wirkungsvolle Inszenierung, solide Ensembleleistung, ein brillantes Orchester und vor allem der ausgezeichnete Essener Chor.






Szenenfoto

Kurt Schreibmayer als Peter Grimes
und Victor Braun als Balstrode, der Kapitän



Logo: Aalto-Musiktheater Essen




Musikalische Leitung
Stefan Soltesz

Inszenierung
Adolf Dresen

Regiemitarbeit
Ruth Orthmann, Bernd Gierke

Bühne
Matthias Fischer-Dieskau

Kostüme
Bettina J. Walter

Choreinstudierung
Dietrich D. Gerpheide




Solisten

Peter Grimes
Kurt Schreibmayer

Ellen Orford
Galina Simkina

Balstrode
Victor Braun

Auntie
Margarita Turner

Aunties "Nichten"
Laura Alonso,
Birgit Binnewies

Bob Boles
Rainer Maria Röhr

Swallow
Marcel Rosca

Mrs. Sedley
Hanna Fahlbusch-Wald

Reverend Horace Adams, Pfarrer
Herbert Hechenberger

Ned Keene
Heiko Tirnsinger

Hobson
Almas Svilpa

John, Grimes Lehrling
René Lehmann

Dr. Crabbe
Lothar Parakenings



Opernchor
Statisterie
Essener Philharmoniker







Szenenfoto

So wie es alle tun, vergnügt sich auch
der Kapitän mit den beiden "Nichten"
(Laura Alonso und Birgit Binnewies) im Pub.
Im Hintergrund "die Tante" (Margarita Turner).










Weitere Informationen

Theater und Philharmonie Essen
(Homepage)



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