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Fidelio


Eine Oper aus dem Jahre 1814
Texe nach dem Französischen des J. N. Bouilly
von Joseph Sonnleitner und Georg Friedrich Treitschke
Musik von Ludwig van Beethoven

- ohne Dialoge und ohne Pause -


Premiere am Aalto-Musiktheater Essen
am 20. September 1997


Von Meike Nordmeyer / Fotos von Thilo Beu




Diesmal drückt Leonore ab, das ist sicherer -
Hilsdorfs mit Spannung erwartete Inszenierung des Fidelio in Essen


Nicht in einem schauerlich dunklen Verließ, sondern in einer kleinen Wohnstube spielt die Geschichte des Gefängniswärters Rocco und der verkleideten Frau. In dem kleinen Zimmer, das auf leerer schwarzer Bühne steht, befindet sich eine fromm-schön gemalte Landschaft an den Wänden. Diese Wohnung des braven Bürgers ist das Gefängnis, die engen vier Wände, in denen man sich die Natur nur ersehnt, auch nicht anders als die Menschen in ihren Zellen. Rocco ist genauso gefesselt an den düsteren Ort seiner Arbeitsstelle, auch wenn er sich seine Stube bunt ausgemalt hat.

Das Gefängnis wird von der Inszenierung auch weiterhin nicht nachgebildet, das ist nicht nötig, es reicht der dunkle Raum im Hintergrund und eine Zahlenreihe, die als unendliches Band über die Bühnenwände verläuft. Jeder Insasse einer Haftanstalt wird schließlich als Nummer registriert, und jeder wohl markiert sich an den Wänden die Tage, die er dort schon abgesessen hat.

Die Zahlen auf der Bühne verweisen aber auch auf die 25 Begegnungen, in die die Oper von der Regie kleinschrittig eingeteilt wird. Kombinationen der Begegnungen sind immer möglich, Beziehungsgeschichten lassen sich unendlich aneinanderreihen. Die Geschichte, die sich im Hause Roccos abspielt, wird leicht burlesk gespielt, zumindest Rocco, seine Tochter Marzelline und Jaquino zeigen hilflos kindisches Gebaren. Gut umgesetzt wird diese Spielart von den Sängerdarstellern. Alle geben sich souverän auf der Bühne. Der Regisseur weiß offenbar jedem zu vermitteln, überzeugend an dem Konzept der Inszenierung mitzumachen.

Überaus gewitzt in der Essener Inszenierung ist die Verwendung der Übertitel. Diese werden bei einer Oper mit deutschen Text eigentlich nicht gebraucht, daher kann man sie umfunktionieren. Eingeblendet werden knappe Angaben zur Handlung, die es ermöglichen die gesprochenen Zwischentexte der Oper auszulassen, die Beethovsche Musik wird dadurch hervorragend konzentriert.

Es finden sich aber in den hellen Zeilen über der Bühne nicht nur Hinweise zur Handlung, sondern auch ironische Kommentare zu derselben. Und bissig wirds allzubald durch das Einblenden eines Textes aus Heines Wintermärchen. Es geht in der Inszenierung eben nicht nur um die Gattenliebe und die Treue, die zur Tat wird, sondern es geht auch um gewissenlose Machthaber und Willkür, um Untertanentum, Gehorsam und Beihilfe. Bezug genommen wird auf die Zeit, die auf das Entstehungsjahr der Oper folgt, auf das revolutionslose Deutschland, das deutsche Bürgertum im Biedermeier und Vormärz. Texte von Heine und Büchner werden im außergewöhnlichen Programmheft geliefert. Wieder einmal geht es bei Hilsdorf um Deutschland und nicht nur um das damalige, sondern auch um alle späteren Lasten und Mißstände. Das heutige Deutschland wurde bereits zur Ouvertüre durch einen nachgespielten Text von Botho Strauß repräsentiert. Die Inszenierung Hilsdorfs bietet politischen Biß und eine geballte Ladung an Denkmaterial.

Die Geschehnisse auf der Bühne zeigen sich besonders ungewöhnlich im zweiten Akt. Leonore, die mit vorgehaltener Pistole ihren Gatten schützen will, drückt diesmal wirklich ab und verwundet den, der sich anschickt, ihren Gatten zu morden. Damit geht sie auf Nummer sicher, denn von dem Minister, der nun als hohle, hilflose Figur auftritt, ist auch wenn er gerade noch rechtzeitig kommt, keine Hilfe zu erwarten. "Die Freiheit", so kommentieren ironisch die Übertitel zur emphatischen Musik, dem stelzenden Minister und dem illustren Volk.

Es folgt alsbald das Finale der Oper, in der die Hoffnung auf eine Zukunft in Freiheit und natürlich die Kraft der Liebe besungen werden - "O - welch ein Augenblick" - und geboten wird dazu noch eine ganz besonders wirkungsvolle und gewitzte Überraschung á la Hilsdorf, durch die das starke Pathos mühelos gebrochen wird. Genaueres sei aber nicht verraten, denn es wird jedem angeraten den Fidelio in Essen anzuschauen. Dies ist aber nicht nur aufgrund der Inszenierung, sondern auch wegen der fabelhaften musikalischen Umsetzung der Oper dringend empfohlen.

Das Orchester erklingt meisterhaft, es musiziert konzentriert und feinnervig, und es läßt unter der Leitung von Stefan Soltesz eine symphonische Wucht der Beethovschen Oper entstehen. Es singt dazu ein absolut sicheres und überzeugendes Ensemble, so vor allem Nina Warren als Leonore und Jeffrey Dowd als Florestan. Hervorragend ist auch die Leistung des Chores.



FAZIT:

Die Oper fand in Essen eine sensationelle Ausführung. Das Publikum feierte frenetisch das Regieteam und alle Musiker mit standing ovations.





ESSEN: Fidelio

Jeffrey Dowd (Florestan),
Nina Warren (Leonore),
Richard Curtin (Don Fernando),
Marcel Rosca (Rocco),
Laura Alonso (Marzelline)
mit Opernchor, Extrachor
und Statisterie






Logo: Aalto-Musiktheater Essen




Musikalische Leitung
Stefan Soltesz

Inszenierung
Dietrich Hilsdorf

Ausstattung
Johannes Leiacker

Choreinstudierung
Dietrich D. Gerpheide



Solisten

Don Fernando
Richard Curtin

Don Pizarro
Käroly Szilägyi

Florestan
Jeffrey Dowd

Fidelio/Leonore
Nina Warren

Rocco
Marcel Rosca

Marzelline
Laura Alonso

Jaquino
Rainer Maria Röhr

Erster Gefangener
Dario Schmunck

Zweiter Gefangener
Richard Medenbach



Der Opernchor und der Extrachor
Statisterie des Theaters
Die Essener Philharmoniker





Weitere Aufführungen

September '97: 26.
Oktober '97: 17.
November '97: 1., 6., 27.
Dezember '97: 30.
Januar '98: 3.
Februar '98: 5.
März '98: 21.
Mai '98: 23.






ESSEN: Fidelio

Nina Warren (Leonore),
Rainer Maria Röhr (Jaquino),
Laura Alonso (Marzelline)
und Marcel Rosca (Rocco)



ESSEN: Fidelio

Opernchor, Extrachor
und Statisterie



ESSEN: Fidelio

Richard Curtin (Don Fernando)
mit Opernchor, Extrachor
und Statisterie





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