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Die Fledermaus


Text von Richard Genée
nach der Komödie „Le Réveillon“
von Henri Meilhac und Ludovic Halévy
in der deutschen Bearbeitung on Karl Haffner
Neue Dialoge von Michael Schulz

Musik von Johann Strauß

Premiere am Aalto-Musiktheater Essen
am 17.Oktober 1998

Von Stefan Schmöe / Fotos von Bernd Schmidt (Farbfoto) und Harald Reusmann (alle sw-Fotos)



Zweitens: Das ist lustig !!!

Der Tenor verpaßt sein Stichwort. Er weiß nicht, wohin er sich stellen soll, die Vorstellung muß unterbrochen werden. Warum er das so machen soll? Erstens wird er dafür bezahlt, und zweitens: Das ist lustig! erklärt ihm Rosalinde. Natürlich sind alle Pannen einstudiert. Die „Fledermaus“ aus Sicht der Theatermacher zu erzählen, als Theater auf dem Theater, das hätte ein interessantes Regiekonzept abgeben können. Nur: Regisseur Michael Schulz mißtraut der Tragfähigkeit einer solchen Konzeption, und so bleiben die Perspektivwechsel die Ausnahme und über weite Strecken bleibt es bei der konventionellen Sichtweise.

ESSEN: Szenenfoto

Mehr Strohkopf als Heiligenschein:
Rosalinde (Silvana Dussmann) und Gabriel (Rainer Maria Röhr)
Eisenstein feiern, Kammermädchen Adele (Olatz Saitua-Iribar)
sieht nur Sterne


Der Geschlechtsverkehr bei den Eisensteins verläuft rein verbal: Begriffe wie „Dividende“ oder „Goldpreis“ führen zum Orgasmus. Die Operette als Kapitalismuskritik? Auch das zieht Schulz nicht durch, sondern fügt solche Elemente (mit eigens dafür getexteten Passagen) hin und wieder, aber ohne rechte Systematik ein. Bei der Schlacht am Buffet des Prinzen Orlofsky begnügt sich die geldgierige Gesellschaft mit Papptellern, die in Mengen fliegen, und die Party entpuppt sich als eine Art Zirkus mit der feinen Gesellschaft als dresssiertes Objekt, dem Opernpublikum zum Amüsement dargeboten.

Mangel an Ideen kann man dem Regisseur wahrlich nicht vorwerfen; selten gab es in einer Inszenierung so vieles zu sehen - aber die einzelnen Elemente fügen sich nicht zu einer großen Linie zusammen. Zwar gibt es immer wieder etwas zu lachen, aber mancher Gag verpufft, weil der zugehörige Rahmen fehlt. Auf die Dauer ist die Fülle an gutgemeinten Pointen sogar ermüdend. Leider trägt auch das Bühnenbild zur Konfusion bei. Im ersten Akt gibt es ein chaotisches Stilgemisch aus diversen Epochen der Architekturgeschichte zu sehen, was noch ganz amüsant ist. Aus Sicht des zweiten Aktes scheint es aber nur eine Verlegenheitslösung zu sein, nämlich eine dürftige Verkleidung des jetzt benötigten zirkusartigen Baus. Konfus wird es im dritten Akt, wo links und rechts zwei Gefängniszellen so überflüssig bleiben, als gehörten sie zu einem anderen Stück.

ESSEN: Szenenfoto

Frosch (Uwe Schönbeck, l.) und Frank (Thomas Weber-Schallauer)
feiern Weihnachten an ihrem Dienstort, dem Gefängnis


Sind die Rahmenakte noch leidlich ansehnlich, so bietet der zweite Akt manche Enttäuschung. Adeles großer Auftritt („Mein Herr Marquis...“) wird zum kindlich-banalen Blindekuh-Spiel degradiert. Das Rendevous Eisensteins mit seiner (verkleideten) Gattin wird mühsam abgewickelt, und wohin die Damen und Herren der Gesellschaft zwischenzeitlich verschwinden, das weiß allein der Regisseur. Leider können sich die Darsteller auch musikalisch kaum profilieren. Rainer Maria Röhr gäbe in einem kleineren Theater sicher einen guten Eisenstein ab, aber für die Riesenbühne reicht seine Präsenz nicht aus: Ein lieber, nicht weiter ernst zu nehmender Junge. Olatz Saitua-Iribar gibt die Adele im Soubrettenton als verschüchtertes Kammermädchen - balltauglich ist das nicht. Besser stehen Ildiko Szönyi (Orlofsky) und Silvana Dussmann (Rosalinde) dar, die das auch für eine Operette notwendige stimmliche Gewicht mitbringen. Francesco Petrozzi als Tenor Alfred war nicht viel mehr als eine Karikatur.

Wieder einmal glänzend aufgelegt waren die Essener Philharmoniker unter der Leitung von Stefan Soltesz. Nach der brillianten Overtüre wurde das Orchester aber von der aufdringlichen Inszenierung in eine Nebenrolle gedrängt, und nicht immer konnten die Sänger den zügigen Tempi folgen.

Der Gefängniswärter Frosch darf in der Mundart des Ruhrgebiets palavern, und Uwe Schönbeck tut das ganz vergnüglich, spielt aber ansonsten in konventioneller Manier den opernbekannten Trinker. Man fragt sich, warum der Regisseur nicht das ganze Personal ins Ruhrgebiet versetzt hat; die „Fledermaus“ als Partygag der Essener High Society, auch das hätte vielversprechend sein können. So aber bleibt es letztendlich konventionell. Ein entschlossenerer Zugriff (dem ruhig manche Pointe hätte geopfert werden dürfen) wäre da allemal besser gewesen.



Fazit

(Zu) viele Ideen machen noch kein Regiekonzept: Der Dauerbeschuß mit Pointen unterschiedlichster Art ist letztendlich mehr ermüdend als amüsant.

Logo: Aalto-Musiktheater Essen

Musikalische Leitung
Stefan Soltesz

Inszenierung
Michael Schulz

Bühnenbild
Thorsten Macht und Michael Schulz
nach Heinz Balthes

Kostüme
Mario Braghieri

Choreinstudierung
Dietrich D. Gerpheide

Dramaturgie
Kerstin Schüssler


Solisten

Eisenstein, Bankier
Rainer Maria Röhr

Rosaline, seine Frau
Silvana Dussmann

Frank, Gefängnisdirektor
Thomas Weber-Schallauer

Prinz Orlofsky
Ildiko Szönyi

Alfred, ein Tenor
Francesco Petrozzi

Dr.Falke, Arzt
Roman Sadnik

Dr.Blind, Advokat
Herbert Hechenberger

Adele, Kammermädchen
Olatz Saitua-Iribar

Ida, ihre Schwester
Ulrike Bartusch

Frosch, Gefängniswärter
Uwe Schönbeck


Opernchor und Statisterie
Die Essener Philharmoniker



Weitere Aufführungen

November '98:
8., 20.

Dezember '98:
18., 22., 31.

Januar '99:
20.

März '99:
21., 31.

Mai '99:
2., 16.

Juni '99:
4., 20.



ESSEN: Szenenfoto

Verzweifeltes Kammermädchen
(Olatz Saitua-Iribar),
zufriedene Hausherrin
(Silvana Dussmann)




ESSEN: Szenenfoto

Fröhliche Party im Hause Orlofsky:
Eisdenstein (Rainer Maria Röhr, l.)
und Frank (Thomas Weber-Schallauer)
schließen Freundschaft






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