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Carmen

Oper in vier Akten
Musik von Georges Bizet
Libretto nach einer Novelle des Prosper Mérimée
von Henri Meilhac und Ludovic Halévy

In französischer Sprache mit deutschen Übertiteln



Aufführung am Aalto-Theater Essen
am 13. April 1998
(Premiere am 28. März 1998)



Von Meike Nordmeyer / Fotos von Thilo Beu






Carmen liebt und stirbt im Revier


Erst wird auf einem Vorhang die menschenleere Arena gezeigt und dann sehen wir Carmen in Gelsenkirchen. Hilsdorf versetzt die Geschichte nach Deutschland, in unsere Mitte sozusagen. Ein einfaches wie wirkungsvolles Konzept, geht es doch bei Hilsdorf immer wieder in anspruchsvoller Auseinandersetzung und aus ironischer Distanz heraus um Deutschland und eben vor allem um die heutige Lage der Nation. Wir sehen ein Umfeld uns allen bekannt und anschaulich: im Revier in Gelsenkirchen. Arbeiterinnen im blauen Einheitskittel treten auf, im Hintergrund "ihre" Fabrik, die trüb vor sich hin dampft. Die Geschichte um Leidenschaft und den unheilbaren Stachel der Eifersucht spielt "beim Spanier", im spanischen Lokal, wie es allerorts zu finden ist. Diese Übertragung ist schlechtweg überzeugend: die Geschichte der Oper greift auf so allgemein menschliche Existenzialen, die kann überall spielen, auch in Deutschland. Wenn es dazu doch noch einen Schuß spanisches Temperament braucht, gut, davon bekommt man in der spanischen Kneipe an der Ecke genug geboten. Und das spanische Gemüt zeigt sich hier vielleicht auch gerade besonders aufgeheizt durch die Sehnsucht nach der Heimat und die ständige Reibung an dem so anders gearteten Wohnort.

Detailreich und milleusicher stattete Johannes Leiacker das Gelsenkirchener Lokal aus: Vergilbte hohe Räume, eine hochgeschossene, trostlos verstaubte Pflanze, und immer läuft der Fernseher. Die Übertragung geht auch beim Personal auf: Arbeiterinnen und Wachmänner der Firma halten sich in ihrer Mittagspause und nach Feierabend in der nahegelegenen Gaststätte auf. Einige Male zeigen sich auch deutsche Polizisten, sie kontrollieren das Lokal wegen nicht unbegründetem Verdacht des Zigarettenschmuggels.

Die ganze Geschichte spielt in dem großen Raum der Gaststätte. Nachts gibt es eine einfache wie wirkungsvolle Verwandlung: Das kitschige Bild vom heimischen Hafen, das nicht fehlen darf in einem solchen Lokal, entpuppt sich als falsche Wand, ein Hinterzimmer mit Billardtisch wird aufgemacht. Witzig: als die Polizei des nachts kontrollieren kommt, wird schnell die Pappwand wieder vorgeschoben und die Schmuggler formieren sich zur angeblichen Chorprobe, da paßt der Gesang der Bande auf hintergründige Weise.

Die Liebes- und Eifersuchtsszenen zwischen Carmen und Don José werden dem großen Trubel im Lokal gegenübergestellt. Sie sind sehr einfach aber konzentriert gearbeitet; durch die starke Bühnenwirkung der beiden Hauptdarsteller Milena Kitic als Carmen und Mikhail Dawidoff als Don José werden sie mühelos getragen. Kitic gestaltet ihre Partie mit großer, sinnlich erklingender Stimme, und sie verkörpert unglaublich stark den Stolz der Carmen. Dawidoff gibt überzeugend den braven Mann, der eine Stelle hat und seine Pflicht erfüllen will, um eben diese Arbeit als Wachmann zu behalten. Er hat jedoch in dieser Geschichte bekanntlich keine Chance, solch ein unbescholtener Bürger zu bleiben.

In der letzten Szene wird schließlich noch mal aus dem vollen geschöpft. Hilsdorf malt wieder eine große, mit Bildern gesättigte und turbulente Episode. Gezeigt wird ein Kostümfest, aber auch verstreute und verlorene Elemente des Osterfestes finden sich dazu ein - eine Büßergestalt von der Osterprozession trinkt sich noch einen an der Theke. Der Stierkampf wird gefeiert und von den ausgelassenen Gästen in Kostümen und mit improvisierter Ausstattung nachgestellt. Carmens neuer Geliebter gibt den siegreichen Tolero auf diesem Fest ab und genießt es, gemeinsam mit Carmen im Mittelpunkt zu stehen. Die Szene verdichtet sich immer weiter, nicht gerade Weniges weist bereits auf den Tod voraus, von dem alle Gäste wissen, daß er Carmen droht. Als der Tod dann aber tatsächlich herbeigeführt wird, nimmt erstmal keiner die erwartete Katastrophe wahr. Dramatisch und blutreich stirbt die Gelsenkirchener Carmen - Milena Kitic weiß auch in dieser Sterbeszene den trotz der tödlichen Verletzung ungebrochenen Stolz der Carmen auf der Bühne flackern zu lassen.

Die Sängerdarsteller von Carmen und Don José geben ein vortreffliches Paar ab, sie erweisen sich auch stimmlich als anspruchsvoll und überzeugend. Dagegen bleibt Károly Szilágyi als Escamillo etwas zurück. Das Orchester musiziert zupackend mit rauschendem Spaniencolorit. Dirigent Stefan Soltesz versäumt dabei aber keineswegs, die feine Instrumentation des Werkes, die Erzählkraft der einzelnen Instrumentalstimmen, zur Geltung kommen zu lassen. So entwickelt sich unter seiner Leitung die ganze Farbigkeit und Intensität der Partitur.



FAZIT:

Da läuft einem Carmen in Gelsenkirchen über den Weg...
In dicht gearbeiteter Atmosphäre entwickelt Hilsdorf seine Übertragung, und es kommt dabei eine Milleustudie heraus, die überzeugt und die dazu noch gelungene musikalische Ausführung zu bieten hat.






 Essen: Carmen

Galina Simkina als Micaela
Francesco Petrozzi als José
und Milena Kitic als Carmen






 Essen: Carmen

Gefährliche Begegnung auf dem Fest -
Don José und Carmen



Logo: Aalto-Musiktheater Essen







Musikalische Leitung
Stefan Soltesz

Inszenierung
Dietrich Hilsdorf

Bühnenbild und Kostüme
Johannes Leiacker

Choreinstudierung
Dietrich D. Gerpheide

Dramaturgie
Werner Hintze

Choreographie
Dagmar Opsölder


Solisten

Lillas Pastia, Wirt
Michael Autenrieth

Inez, seine Tochter, Kellnerin
Dagmar Opsölder

Isabella, ihre Schwester, Kellnerin
Maike Günther

Frasquita, Köchin
Olatz Saitua-Iribar

Mercédès, Köchin
Gritt Gnauck

Carmen
Milena Kitic

Don José
Mikhail Dawidoff

Micaela
Galina Simkina

Zuniga, Wachmann
Marcel Rosca

Moralès, Wachmann
Gedvidas Lazauskas

Dancairo, Schmuggler
Richard Medenbach

Remendado, Schmuggler
Herbert Hechenberger

Escamillo, genannt "Torero"
Károly Szilágyi



Opernchor und Extrachor
Kinderchor des Gymnasiums Werden
Statisterie des Theaters
Essener Philharmoniker





Weitere Aufführungen

April '98: 25., 28.,
Mai '98: 10., 16.,
21.,
Juni '98: 20.,






 Essen: Carmen

Francesco Petrozzi als José
Milena Kitic als Carmen
und Marcel Rosca als Zuniga






 Essen: Carmen

Im Vordergrund:
Milena Kitic als Carmen
und Marcel Rosca als Zuniga






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