Premiere am Theater Dortmund am 1. Februar 1997
Besetzung
Sir John Falstaff - Andreas Becker Herr Fluth - William Killmeier Frau Fluth - Jill-Maria Marsden Herr Reich - Karl-Heinz Lehner Frau Reich - Sonja Borowski-Tudor Jungfer Anna Reich - Gabriele Helene Ziegler Fenton - Christian Baumgärtel Junker Spährlich - Gerald Seminatore Dr. Cajus - Matthias Hoffmann Wirt - Lothar Becher
Über Nicolais "Lustige Weiber" fällt hin und wieder das böse Wort, der eigentliche Wert dieser Oper bestehe darin, die Genialität von Verdis "Falstaff", dem das gleiche Sujet zugrunde liegt, offensichtlich werden zu lassen. Man kann das eigentlich auch als Kompliment verstehen. Zweifellos aber hat die Musikgeschichte dem armen Otto Nicolai böse mitgespielt: Denn so gut seine Musik auch ist, der übermächtige Verdi lauert im Hirn der Rezensenten. Vielleicht auch im Hirn der Regisseure: Dominik Wilgenbus scheint sich bewußt absetzen zu wollen vom "Falstaff". Er präsentiert eine humorige Spieloper, die weniger den dicken Ritter als vielmehr das gutbürgerliche Windsor aufs Korn nimmt. Zuviel Ernst und Tiefgang hat das glücklicherweise nicht.
Die Hecken in Windsor sind akkurat beschnitten. Wie das geht (simple oder complex design), ist im Programmheft nachzulesen. Der Gärtner heißt Fenton und entpuppt sich als jugendlicher Liebhaber mit tenoralen Mängeln. Die lustigen Weiber, irgendwie alle gleich, leben mit Karikaturen von Ehemännern in fahrbaren Puppenhäusern, die munter über die Bühne geschoben werden, und auch riesige Hecken schützen nicht vor den Blicken der Nachbarn: Mit riesigen Ohren und Augen regiert hier die öffentliche Meinung.
Wilgenbus karikiert, und er bemüht sich gar nicht erst um irgenwelche Psychologisierung, sondern läßt der Bühnenbildnerin Karin Fritz ihren Raum: Mit vielen witzigen Ideen und einigen geradezu übermütigen Einfällen bemüht sich das Regieteam um ansprechendes Unterhaltungstheater. Wäre der Spielwitz der Darsteller ein wenig und die Textverständlichkeit sehr viel besser, die Freude darüber wäre vollkommen. So bleiben kleine Abstriche, die auch durch weitgehend überzeugende Gesangsleistungen nicht ganz kompensiert werden.
Weil die Oper aber nicht nur komisch, sondern auch phantastisch ist, gibt es neben der wohlgeordneten Welt der Bürger noch die Elfen: In teils skurriler Gestalt huschen sie über die Bühne. Gehuldigt wird ihnen und der Natur im Schlußbild der Oper, was erfahrungsgemäß (auch bei Verdi) leicht den Hang zum Peinlichen erhält. Wilgenbus begegnet dem recht geschickt: Der Mond ist ein Lampion, der angesungen wird, dazu gibt es einen blauen Vorhang mit Sternen. Die karikierende Spielebene bleibt gewahrt, aber die Romantik kommt nicht zu kurz. Die Hochzeit von Anna und Fenton wird herausgehoben aus der bürgerlichen Welt, die Utopie siegt einen kurzen Moment über das Spießbürgertum.
Der Rest ist Verweigerung: Wo Verdi seinen Falstaff das grandiose Fazit ziehen läßt, wir alle seien Narren, freuen sich Nicolais Weiber nur über gelungene Scherze. Wilgenbus verzichtet konsequent auf finale Schlußwirkung, was dem Applaus keinen Abbruch tat. Schauen Sie bitte auf die Bühne: Diese Anweisung an das Publikum per Übertitel war nun wirklich überflüssig (und darum so schön), denn zu sehen gab es wahrlich genug.
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