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Palestrina
Musikalische Legende in drei Akten
Text vom Komponisten

Musik von Hans Pfitzner

Premiere der Deutschen Oper am Rhein
in Düsseldorf
am 26. März 1999

Eine Koproduktion mit dem
Royal Opera House Covent Garden, London
und dem Teatro dell'Opera, Rom

Von Margot Leins / Fotos von Eduard Straub




Eine große 'Künstler'-Oper vom Beginn der Neuzeit überzeugend inszeniert


Wer würde vermuten, daß ein Disput über Kirchenmusik während des Trienter Konzils (im Jahre 1563) sowohl inhaltlich als auch musikalisch den Stoff für einen höchst spannenden Opernabend liefern könnte ?

Die Hauptperson ist Giovanni Pierluigi Palestrina, ein auch weltlich-musikalischen Einflüssen aufgeschlossen gegenüberstehender Kirchenmusiker, der nach dem Tod seiner Frau in einer Schaffens- und Lebenskrise steckt.

Foto: Düsseldorf/Palestrina Foto 1:
Kardinal Borromeo (Wicus Slabbert) erteilt Palestrina (William Cochran) den Auftrag

Ausgerechnet in dieser Situation wird er von seinem Freund Kardinal Borromeo dazu ausersehen, die (Kirchen-)Musik vor einem von Papst Pius IV. gewünschten 'Rückfall' in die Gregorianik zu retten, nämlich durch die Komposition einer Messe, die kirchliche Tradition mit neueren musikalischen Entwicklungen (der mehrstimmigen Figuralmusik) versöhnt.

Foto: Düsseldorf/Palestrina Foto 2:
Die erste Erscheinung: Neun tote Meister der Tonkunst erinnern Palestrina an seine Pflicht

Palestrina traut sich dies nicht mehr zu und weigert sich, wird aber im weiteren Verlauf von neun ihm erscheinenden verstorbenen Meistern der Tonkunst an seine Pflicht als Komponist gemahnt.

Schließlich sieht er 'den Himmel offen' und göttliche Inspiration, als Engel personifiziert, gibt ihm das geeignete Werk ein.

Palestrina landet trotzdem im Gefängnis, da er die so entstandene Messe der Kirche vorenthält.

Nun ist der Zuschauer begierig, diese neuartige Musik zu hören, wird aber stattdessen Zeuge einer Sitzung des Trienter Konzils und erhält so aufschlußreiche, z.T. amüsante, jedenfalls stets interessante (und selbstredend keiner wissenschaftlichen Überprüfung standhaltende) Einblicke in die Kirchengeschichte.

Foto: Düsseldorf/Palestrina Foto 3:
Noch herrscht Ordnung im Konzil zu Trient

Beim Konzil geht es - im krassen Gegensatz zu Palestrinas Begegnung mit himmlischen Spähren - sehr weltlich zu.
Alles dreht sich letzlich um Macht, um Einflüsse weltlicher Herrscher, um den Erhalt von Vorzügen bzw. das möglichst ungeprüfte 'Durchpeitschen' einzelner Streitpunkte, hier konkret die Frage der Zukunft der Kirchenmusik.

Die einzelnen Delegationen sind nicht nur in Optik und Temperament landestypisch geprägt, sondern bestehen auch aus unterschiedlichsten Persönlichkeiten. Ein Fest für jeden Kostümbildner und hier verdient Bettina J. Walter für ihre liebevoll-detailgenauen Variationen u.a. kirchlicher Roben großes Lob !
Unter den Geistlichen entsteht ein sich beständig 'hochschaukelnder' Disput, der in einem Blutbad unter den Dienern der Delegationen gipfelt und der keine Sekunde langweilt.

Foto: Düsseldorf/Palestrina Foto 4:
Palestrina (William Cochran) und Ighino (Lisa Griffith) nach der Befreiung aus dem Gefängnis

Im letzten Akt gelangt Palestrinas Messe durch die Vermittlung seines Sohnes Ighino, der seinen Vater so aus der Gefangenschaft erlöst, doch noch zur umjubelten Aufführung vor dem Papst und Palestrina wird als Retter der Kirchenmusik gefeiert. Obwohl er zu höchsten Ehren kommt, bleibt er seiner überirdisch-abgehobenen Sphäre verbunden - die Inspiration verläßt ihn fortan nicht mehr.

Pfitzner selbst hat das Libretto verfaßt, wobei er mit historischen Quellen u.a. über das Trienter Konzil sehr frei umging.
Der historische Palestrina (1525/26-1594), ein berühmter Renaissance-Komponist, hatte nichts mit dem Konzil zu tun, war auch kein Retter der Kirchenmusik, aber für Pfitzner Personifikation des künstlerischen Genius, der es allein aus menschlicher Anstrengung nicht vermag, die humanistische Botschaft der Musik weiterzutragen.
(Palestrina war für den Komponisten wohl auch eine Identifikationsfigur, sah er sich doch selbst als Bewahrer der Musik gegenüber der musikalischen Moderne zu Beginn des 20. Jahrhunderts.)

Pfitzner kontrastiert in seiner Komposition die himmlische bzw. innere Welt Palestrinas mit der äußeren Welt der (Kirchen-)Politik. Der erste Akt endet höchst pathetisch mit der Engelszene, danach wird im zweiten Akt dialogisch das Konzilsgetriebe beschrieben, wobei Pfitzner in der Schilderung der musikalischen Charaktere großen Phantasiereichtum beweist.

Das Düsseldorfer Sänger-Ensemble (fast alle männlichen Mitglieder einschließlich des Chores waren gefordert) gestaltete speziell diesen zweiten Akt musikalisch und schauspielerisch bravourös: Lebendig, individuell (wunderbar grotesk Roderic Keating als greisenhafter Patriarch von Assyrien; Stefan Heidemann als temperamentvoller, arroganter spanischer Edelmann; Bruce Rankin als bauernschlauer, geschwätziger Bischof von Budoja...) und die Spannung beständig aufbauend bis zur 'Explosion'.

Auch die Düsseldorfer Symphoniker unter dem souveränen Dirigat von Hans Wallat zeigten sich der musikalischen Bandbreite des Werkes gewachsen, bewiesen Flexibilität und Vielschichtigkeit.
Volkmar Olbrich sorgte für die feine Bühnenmusik, durch die Pfitzner dramaturgisch geschickt eine Ahnung von den damals neuartigen Klängen vermittelt, ohne das eigentliche Werk Palestrinas - die göttlich inspirierte Messe - preisgeben zu müssen.

Foto: Düsseldorf/Palestrina Foto 5:
Palestrina (William Cochran) sieht sich überfordert

William Cochran verlieh Palestrina nicht nur sängerisch - etwa durch Stimmgewalt an entsprechenden Stellen - Glaubwürdigkeit, sondern auch durch sein schauspielerisches Talent. Innenschau, Verzweiflung über seine Berufung und den Empfang höherer Inspiration wirkten authentisch.

Foto: Düsseldorf/Palestrina Foto 6:
Lisa Griffith (Ighino) und Kristina Hammarström (Silla)

Lisa Griffith als Ighino und Kristina Hammarström als Silla (ein Schüler Palestrinas) überzeugten durch wohltuend klaren, nicht-prätentiösen Gesang und ihr natürliches Spiel. Durch sie erhält das übermächtige Pathos des ersten Aktes einen Gegenpol.

Tobais Hoheisels Bühnenraum, bestehend aus drehbaren Elementen, die sich sowohl zum offenen Halbrund des Zimmers Palestrinas, als auch zum rundgeformten Konzilsgebäude fügen lassen, besticht durch Funktionalität und schlichte Schönheit der Formen.
Genial, wie sich im zweiten Akt durch winzige Drehbewegungen das Bühnenbild kaum merklich aber beständig verändert und dadurch der Eindruck entsteht, man ginge mit den Akteuren um einen größeren Gebäudekomplex herum.
(Ein einziger Kritikpunkt: Etwas 'zu dick aufgetragen' scheint mir die optische Umsetzung der Engelszene am Ende des 1. Aktes. Der Zuschauer sieht sich nicht allein zwei lebensgroßen Verkündigungsengeln, die einem Lochner-Gemälde entschwebt sein könnten, gegenüber - zusätzlich öffnet sich der Raum und der Blick auf eine leibhaftige, nackte Eva nebst Plastikflora wird frei. Dieses Bild erinnert eher an einen Besuch im Neandertal-Museum, als an eine historische künstlerische Darstellung, die zweifellos damit zitiert werden sollte. Zuviel Realistik.)



FAZIT:

Eine absolut lohnenswerte Opernerfahrung wagnerschen Ausmaßes. Nicht nach dem ersten Akt aufgeben !

Logo: Deutsche Oper am Rhein

Musikalische Leitung
Hans Wallat

Inszenierung
Nikolaus Lehnhoff

Bühne
Tobias Hoheisel

Kostüme
Bettina J. Walter

Choreinstudierung
Volkmar Olbrich

Solisten

Giovanni Pierluigi Palestrina,
Kapellmeister an der Kirche
St. Maria Maggiore in Rom
William Cochran

Ighino, sein Sohn, 15 Jahre
Lisa Griffith

Silla, sein Schüler, 17 Jahre
Kristina Hammarström

Papst Pius IV.
Günter Missenhardt

Giovanni Morone,
Kardinallegat des Papstes
Bodo Brinkmann

Bernardo Novagerio,
Kardinallegat des Papstes
Pär Lindskog

Kardinal Christoph Madruscht,
Fürstbischof von Trient
Günter Missenhardt

Carlo Borromeo, römischer Kardinal
Wicus Slabbert

Der Kardinal von Lothringen
Peter Nikolaus Kante

Abdisu, der Patriarch von Assyrien
Roderic Keating

Anton Brus von Müglitz,
Erzbischof von Prag
Malcolm Smith

Graf Luna,
Orator des Königs von Spanien
Stefan Heidemann

Der Bischof von Budoja,
italienischer Bischof
Bruce Rankin

Avosmediano,
Bischof von Cadix, spanischer Bischof
Peteris Eglitis

Ein spanischer Bischof
Elimar Köster

Theophilus, Bischof von Imola,
italienischer Bischof
Helmut Pampuch

Dandini von Grosseto
Wilhelm Richter

Bischof von Feltre
Christophe Duringer

Bischof von Fiesole
Heinz Leyer

Ein junger Doktor
Anne Donnadieu

Bischof Ercole Severolus,
Zeremonienmeister des Konzils von Trient
Hermann Becht

Kapellsänger von St. Maria Maggiore in Rom
Peteris Eglitis
Tuomas Pursio
Helmut Pampuch
Jörg Schneider
Malcolm Smith

Meister
Christophe Duringer
Peteris Eglitis
Stefan Heidemann
Günter Missenhardt
Helmut Pampuch
Tuomas Pursio
Bruce Rankin
Jörg Schneider
Malcolm Smith

Erscheinung Lukrezias
Cornelia Berger

Engelstimmen
Christine Graham
Alexandra von der Weth
Katharina Wingen



Der Chor der Deutschen
Oper am Rhein

Die Düsseldorfer Symphoniker

Bühnenmusik: Volkmar Olbrich



Weitere Informationen

Deutsche Oper am Rhein
(Homepage)






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