Premiere an der Deutschen Oper am Rhein in Düsseldorf am 27.6.1997
Madama Butterfly (Cio-Cio San) - Stephanie Friede Suzuki - Marta Marquez Kate Pinkerton - Taru Sippola B.F.Pinkerton - Bruce Rankin Sharpless, Konsul - Eugene Holmes Goro Nakodo - Alexander Krawetz Der Fürst Yamadori - Markus Müller Onkel Bonzo - Andrzej Saciuk Heiratskommissar - Thomas Laske Standesbeamter - Robert Klöpper Mutter - Marianne Tillmanns Onkel - Oldrich Polasek Tante - Natascha Orlob Base - Mara Trump Kind - Katrin Blazejak / Lesley Johannwerner
Leider passiert innerhalb dieses gelungenen Bildes im Laufe des Abends nur wenig Interessantes, man scheint sich auf den Einfällen zur Bühnengestaltung auszuruhen. Die handelnden Personen werden immer wieder nur aufgestellt, häufig verharren sie bloß als Beobachter der rastlosen Butterfly, so vor allem der Konsul Sharpless. Die verschiedenen Charaktere werden nicht besonders profiliert, und auch kein Beziehungsgeflecht entsteht zwischen ihnen. Den gerissenen Kuppler Goro Nakodo zeichnet die Regie zudem wenig überzeugend als aufgescheucht umhereilende, alberne Figur. Die insgesamt starre Inszenierung ist daher auch nicht frei von erheblichen Längen. Aus diesem Mangel ragt allerdings die Bühnenpräsenz von Stephanie Friede als Butterfly glänzend heraus. Friede zeigt bereits zu Beginn der Geschichte die Butterfly nicht als naives Mädchen, sondern als eine zum Glück entschlossene junge Frau. Die japanische Gestik und die Höflichkeitsformen, um die sie sich in ihrem engagierten Spiel bemüht, wirken manchmal allerdings etwas hektisch verstört.
Im zweiten Akt entwickelt sich die Butterfly zu einer vom Alleinsein und Warten sonderbar gewordene Frau, die gegen alle vernünftige Einsicht und gutes Zureden an ihrem Amerika-Splin festhält. Höchst wunderlich und unzugänglich zeigt sie sich bei aufgescheuchtem Hin-und Herrennen und eiliger, latent aggresiver formelhafter Gestik. Gelungenes Element der Inszenierung ist der Altar, den Butterfly ihrem Idol eingerichtet hat, auf dem zwei Amerika-Fähnchen, ein großes Foto von Pinkerton und andere Erinnerungsstücke aufgebaut sind. Dieses Schränkchen steht allein und mächtig auf dem japanischen Inselreich, und Butterfly liegt vor ihm auf den Knien. In diesem starken Bild kniet nicht allein die Butterfly, sondern ihr ganzes Land in Bewunderung und Gehorsam vor dem Idol, dem es sich angleichen will, für das es seine eigene Identität allzu leichtfertig aufgibt. Ihr Land und seine Sitten führen Butterfly schließlich auch in den Tod, denn die für Frauen so verhängnisvolle Heiratsregelung ihres Landes läßt im Verlaufe der Geschichte kein ehrenvolles Leben mehr für sie zu, also sucht sie den an Ehre reichen rituellen Freitod und findet damit nach aller Fremdorientierung an Amerika letztlich zur Kultur des eigenen Landes zurück. Mit den ebenso klaren wie bedeutungsvollen Bildern auf der Bühne wird diese übergeordnete Ebene der Butterfly-Geschichte sichtbar gemacht. Die blasse Personenführung der Inszenierung trägt zur Aussage nichts weiter bei.
Während des Orchesterzwischenspiels (in der Urfassung von 1904 gibt es nur eins, das zweite fügte der Komponist erst bei der Umarbeitung hinzu) wird Butterflys Traum von Pinkertons Rückkehr und der Versöhnung aller Beteiligter dargestellt und zwar in aufwendiger Ausstattung aber naiver Zeichnung. Sicher, so einfältig und nicht anders erträumt jeder sich dann und wann mal sein Glück. Da aber dem Zuschauer wirklich klar ist, worin Butterflys Wünsche bestehen, fragt es sich, ob eine solche Traum-Sequenz wirklich so plakativ eingeschoben werden muß.
Das große Manko der gesamten Aufführung ist, daß die Sänger meistens von dem enormen Klangvolumen des Orchesters verdeckt werden. Bis auf einzelne geringe Unstimmigkeiten musiziert das Orchester unter der Leitung von Jonathan Darlington intensiv und differenziert, aber was nützt das, wenn nichts mehr von den Sängern zu hören ist. Bruce Rankin als Pinkerton weiß sich beispielsweise stimmlich gar nicht dagegen zu behaupten. Er scheint eine schöne Stimme zu besitzen, so ahnt man gelegentlich, sie ist aber nicht kräftig genug für diese Aufführung, denn nur die stärksten kommen durch. Leider bleibt auch Rankins spielerische Darstellung des Pinkerton schwach. Stephanie Friede als Butterfly besitzt glücklicherweise stimmlich genügend Potential sich durchzusetzen, sie hat eine dramatische Höhe, die intensiv klingt und mit der sie den Schmerz der Butterfly ausdrucksstark umsetzt. Von lyrischen Abstufungen, Nuancen in der Mittellage ist nur manchmal etwas zu hören, das liegt aber nicht an ihr, sondern am Orchester. In ihrer großen Arie "Un bel dì, vedremo" wird ihr im Mittelteil einmal Freiraum zur Gestaltung gelassen, das Orchester nimmt sich zurück und läßt ihr Zeit, und da ist zu hören, wie anspruchsvoll sie ihre Partie zu gestalten weiß. Auch Marta Marquez als Suzuki und Eugene Holmes als Sharpless brachten solide gesangliche Leistung, zumindest soweit sie zu hören waren.
Der letzte Teil der Aufführung wird getragen von der packenden Darstellung der Hauptfigur: Stephanie Fried legt in ihrem Spiel noch enorm zu und zeigt eine starke, entschlossene Butterfly. Diese versteht sofort, was los ist, als sie die fremde Frau in ihrem Haus erblickt - keine Spur mehr von weiterer Verblendung. Und nun weiß sie genau, was zu tun ist, ist wach, gefaßt, und entschieden führt sie ihr Leben zu einem selbst gewählten Ende. Diese Butterfly paßt allerdings gar nicht so recht zu der merkwürdig verstörten Frau, die zuvor zu sehen war, ganz überzeugend fügen sich die verschiedenen Bilder der Figur nicht zusammen.