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Manon Lescaut

Lyrisches Drama in vier Akten
von Giacomo Puccini

Premiere des Theaters Aachen
am 19. Dezember 1998

rezensierte Aufführung: Premiere

Von Heike Schumacher / Fotos von Ludwig Koerfer




Zwischen Kunst und Kommerz:
Manon im Geist der 20 er Jahre

Manon Lescaut , zurecht Puccinis erster großer Erfolg, schildert den Aufstieg und Fall der Titelheldin, von der Klosterschülerin vom Lande über die ausgehaltene Geliebte des Steuerpächters Geronte zur Deportierten in Amerika. Dem Libretto, an dem insgesamt fünf verschiedene Librettisten mitgewirkt haben, liegt der 1731 veröffentlichte Roman "Histoire du chevalier des Grieux et de Manon Lescaut" des Abbé Prévost zugrunde. Puccini verlagerte den Akzent der Handlung vom Chevalier des Grieux auf die weibliche Titelfigur und schuf mit der Figur der Manon das Vorbild für die "femme fatale", die schöne, männervernichtende Frau.

Foto: Aachen/Manon Lescaut Foto 1:
Francesca Patané (Manon Lescaut),
und Robert Woroniecki (Des Grieux),
und der Opernchor des Theaters Aachen

Die Inszenierung von Generalintendant Elmar Ottenthal versetzt die Geschichte in die 20er Jahre - in die frühe Blütezeit der Filmindustrie. Die Opernfigur Manon Lescaut wird zur Filmdiva. Die Handlung zeigt das Psychogramm einer Frau, die sich und ihr Herz für Erfolg und Geld verkauft und schließlich daran zugrunde geht. Damit verlagert er den Akzent der Manon von der Täter- zur Opferrolle. Sie ist nicht die Handelnde, sondern sie wird zum Spielball der verschiedenen Einflüsse: zunächst der Leidenschaft von Des Grieux, dann der Geldgier ihres Bruders Lescaut, der sie verkuppelt und schließlich Opfer der Doppelmoral der Gesellschaft, die sie als Prostituierte brandmarkt und ihrem Schicksal preisgibt.

Ottenthal konzentriert zwar die dramatische Handlung auf das Titelpaar - was zu Lasten der Figuren des Bruders Lescaut und des reichen Geronte geht - aber er bevölkert die Bühne mit vielen kleinen Nebenhandlungen, die von den Akteuren des Chores erzählt werden. Da ist die verzweifelte Ankleiderin, die immer wieder versucht, Manon vernünftig zu kleiden, oder ihrem großen "Boß" eilfertig jeden Wunsch von den Lippen abzulesen. Oder die betrunkene Hauptdarstellerin . Oder der Kellner, der die Einrichtung zu retten versucht, oder die bigotte Gesellschaft, oder, oder, oder . Es gibt immer etwas zu schauen, die Akteure des Chors und des Extrachores sind andauernd in Bewegung und leisten Großes.

Foto: Aachen/Manon Lescaut Foto 2:
v.l. Mario Taghadossi (Lescaut), Andreas Joost (Totengräber),
Robert Woroniecki (Des Grieux), Francesca Patané (Manon Lescaut),
Opernchor des Theaters Aachen

Die Bühne Detlev Beaujeans lebt vom Kontrast zwischem schwarzem Vordergrund mit herabhängenden Zelluloidvorhängen und den projizierten Dias im Hintergrund. Da wird ein französisches Straßencafé gezeigt, der Wagen, mit dem die Liebenden schließlich fliehen oder erotische Bildchen im Stil alter Photographien. Die Ouvertüre des dritten Aktes schließlich wird untermalt durch einen Brief, den eine Hand auf der Projektionsfläche schreibt und in dem die Motivation von Des Grieux für seine Handlungen aufgezeigt werden. Einzig bei der Sterbeszene des letzten Aktes störte das Geflimmer der Zelluloidstreifen und das Rauschen der Bühnenmaschinerie, das ein wahres pianissimo unmöglich machte. Eine nostalgisch anmutende Szenerie, auf der die bunten Kostüme von Heike Betz im Stil der 20er Jahre und des Rokokko die Hingucker sind. Ansonsten ist die Bühne äußerst sparsam möbliert und eintönig düster ausgeleuchtet.

Was nun die musikalische Ausführung angeht, so gibt es (fast) nichts zu meckern - gute Stimmen und ein hervorragendes Orchester machten den Abend zum wahren Ohrenschmaus. Mit den größten Beifall bekam Elio Boncompagni für die Leistung seines Orchesters. Glanzstück war die Ouvertüre zum dritten Akt, die allein schon den Besuch der Oper wert war. Zurecht wurde sie mit Szenenapplaus bedacht.

Foto: Aachen/Manon Lescaut Foto 3:
Francesca Patané (Manon Lescaut) ,
Mario Taghadossi (Lescaut),

Francesca Patané, die in Aachen bereits als Turandot brillierte, erweckte die Figur der Manon mit ihrer großartigen Stimme zu wahrem Leben. Ihre Stimme ist sowohl in der Höhe als auch besonders in der Tiefe ein warmes, sicheres Instrument, das sie in allen möglichen und unmöglichen Positionen genau einsetzen kann. Man hat den Eindruck, daß sie selbst auf dem Kopf stehend keine Probleme hätte, noch Koloraturarien zu singen.

Robert Woroniecki als Des Griex, vom Publikum stürmisch gefeiert, zeigte ebenfalls eine große Leistung mit einer kleinen Tendenz zum Forcieren in den höheren Lagen. Mario Taghadossi lief an diesem Abend außer Konkurrenz, da er trotz einer schweren Indisposition sang und auch gut den Abend durchhielt. Götz Seiz als Geronte war durch die Regie zu andauerndem statischen Spiel als "Ekel vom Dienst" verurteilt, zeigte aber sängerisch, daß er sehr viel wandlungsfähiger ist. Andreas Joost schließlich, Publikumsliebling der Aachener, war gleich in mehreren Rollen präsent, wurde allen verschieden gearteten Anforderungen gerecht und fand den besonderen Beifall als affektierter Tanzlehrer der Manon.

Hervorragend wie immer der Chor: präzise, spielfreudig, von enormer Wandlungsfähigkeit - einfach grandios über welches stimmliche und schauspielerische Potential Aachen mit seinen Choristen verfügt. Ein großartiger Puccini-Abend mit rauschhaften Klängen.


FAZIT:

Behutsame Modernisierung in rauschhaftem Klanggewand

Logo: Theater Aachen

Musikalische Leitung
GMD Elio Boncompagni

Inszenierung
Elmar Ottenthal

Bühnenbild
Detlev Beaujean

Kostüme
Heike Betz

Choreinstudierung
Norbert Hebel

Dramaturgie
Astrid Sadrieh


Besetzung

Manon Lescaut
Francesca Patané

Lescaut, ihr Bruder
Mario Taghadossi

Renato Des Grieux, Autor
Robert Woroniecki

Geronte de Ravoir,
Produzent und Regisseur
Götz Seiz

Edmond, Produktionsassistent
Andreas Joost

Wirt
Wolfgang Biebuyck

Filmstar
Georgina Chakos

Tanzlehrer
Andreas Joost

Totengräber
Andreas Joost

Kapitän
Manfred Reiner

Maskenbildnerin
Jeanne Rose

Ankleiderin
Barbara Klinkert



Opernchor des Theaters Aachen
Extrachor des Theaters Aachen

Sinfonie Orchester Aachen



Weitere Informationen

Theater Aachen (Homepage)


Weitere Aufführungen

Dezember ' 98: 22., 26., 30.
Januar '99: 3., 8., 17., 21.,
23., 28., 30.
Februar '99: 21., 24.
März '99: 7., 21., 26.
April '99: 5.



Foto: Aachen/Ariadne auf Naxos
Francesca Patané (Manon Lescaut),
Götz Seiz (Geronte),
Opernchor des Theaters Aachen


Foto: Aachen/Ariadne auf Naxos
Robert Woroniecki (Des Grieux),
Francesca Patané (Manon Lescaut),




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