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Cecilia Bartoli
Franco Fagioli
Pergolesi "Stabat mater"

Werke von Alessandro Marcello, Antonio Vivaldi, Georg Friedrich Händel und Giovanni Battista Pergolesi 

Aufführungsdauer: ca. 1h 55' (keine Pause)

Sonntag, 18. Dezember 2021, 20.00 Uhr
Alfried Krupp Saal in der Philharmonie Essen

 



Philharmonie Essen
(Homepage)

Gipfeltreffen zweier Klassik-Stars

Von Thomas Molke

Wenn Cecilia Bartoli in die Philharmonie nach Essen kommt, muss man sich frühzeitig um Karten bemühen. Schließlich zählt sie nicht nur zu den derzeit erfolgreichsten Sängerinnen der Klassik, die außerdem als Vorbild für eine gesamte Generation junger Musiker*innen dient, sondern ist auch für ihre außergewöhnlichen Programme bekannt, in denen sie es sich zur Aufgabe gemacht hat, versunkene Schätze der Barockmusik dem Vergessen zu entreißen. Wenn sie dann auch noch gemeinsam mit Franco Fagioli anreist, der mit seinem enormen Stimmumfang und seiner unglaublichen Modulationsfähigkeit zu den gefragtesten Countertenören unserer Zeit zählt, muss man sich noch mehr sputen, um für ein derartiges Gipfeltreffen zweier Stars eine Karte zu ergattern, zumal die Anzahl der Plätze aufgrund der geltenden Beschränkungen durch die Corona-Pandemie immer noch begrenzt ist. So kann man den Besitz einer Karte durchaus als vorgezogenes Weihnachtsgeschenk bezeichnen, auch wenn das Programm zwar sakral, dabei aber keineswegs weihnachtlich ist. Unter dem Titel "Stabat mater" wird nicht nur Pergolesis berühmte Vertonung des mittelalterlichen Gedichtes über Maria und ihren Schmerz um den gekreuzigten Jesus präsentiert. Es gibt auch noch geistliche Werke von Antonio Vivaldi und Georg Friedrich Händel. Begleitet wird das Programm von dem Barockensemble Les Musiciens du Prince unter der Leitung von Gianluca Capuano. Das Ensemble wurde auf Bartolis Initiative hin im Frühjahr 2016 im Fürstentum Monaco gegründet und ist seitdem ein regelmäßiger Begleiter auf Bartolis Tourneen.

Den Anfang macht Antonio Vivaldis Vertonung des Psalms 126, "Nisi dominus". Er handelt davon, dass das Leben nicht ohne Gottes Hilfe gelingt und führt dafür mehrere Beispiele wie den Hausbau, die Gründung von Städten und den Erfolg in der Landwirtschaft an, bevor er in einer Lobpreisung auf Vater, Sohn und Heiligen Geist endet. Vivaldi komponierte dieses Stück wahrscheinlich zwischen 1713 und 1717. Trotz des sakralen Themas lässt sich im Gesangspart und im virtuosen Einsatz der Solovioline Vivaldis Nähe zur Oper deutlich erkennen. Franco Fagioli brilliert bei der Einleitung mit atemberaubender Beweglichkeit in den Koloraturen und macht in der ausdrucksstarken Modulation seiner Stimme, die quasi bruchlos einen Registerwechsel zu vollziehen vermag, deutlich, wieso er zu den größten Countertenören zählt. Mit scheinbarer Leichtigkeit tritt er in einen Wettstreit mit der Solovioline und zeigt sich dabei stimmlich absolut flexibel. Wenn er beim anschließenden "Vanum est vobis" dann sehr zarte und leise Töne anschlägt, hat man das Gefühl, man könne im Saal eine Stecknadel fallen hören. Die Textausdeutung hat dabei durchaus theatralische Wirkung und kommt der Barockoper relativ nahe. So brilliert er im abschließenden "Amen" erneut mit großartiger Beweglichkeit in der Stimme und bringt den Saal nach diesem gut halbstündigen Werk regelrecht zum Toben.

Es folgt eine Arie aus Vivaldis Gloria D-Dur, einer Art Kantate in zwölf abgeschlossenen musikalischen Sätzen. Das komplette Werk komponierte Vivaldi vermutlich um 1715 zu einem festlichen Anlass in dem Ospedale della Pietà, einem kirchlichen Mädchen-Waisenheim, in dem er zum musikalischen Leiter aufstieg. Bartoli präsentiert aus diesem Werk die Arie "Domine Deus", eine Preisung des allmächtigen Vaters, und wird dabei von einer Solo-Oboe begleitet, die Pierluigi Fabretti spielt. Mit weich angesetzten Höhen und leicht perlenden Koloraturen tritt Bartoli hier in einen bewegenden Dialog mit der gefühlvoll von Fabretti gespielten Oboe. Dieses Stück geht direkt über in eine Arie eines anderen großen Komponisten: Georg Friedrich Händel. Als sein Ruhm als Opernkomponist in London bereits zu sinken begann und er sich immer mehr dem Oratorium zuwandte, komponierte er 1739 die Ode for St. Cecilia's Day auf ein Gedicht von John Dryden. Darin wird die Heilige Cäcilia gepriesen, die als Schutzpatronin der Musik gilt. Ein Herzstück daraus ist die Arie "What Passion cannot Music raise and quell", in der der biblische Urvater der Musik Jubal und das himmlische Spiel auf seiner Leier besungen werden. Auch hier begeistert Bartoli durch leise und sanfte Töne, die wunderbar mit der zarten Einleitung und dem filigranen Nachspiel des Solocellos harmonieren. Als Rarität folgt dann ein Oboenkonzert des relativ unbekannten Komponisten Alessandro Marcello, eines Zeitgenossen von Händel und Vivaldi. Fabretti glänzt hierbei erneut mit intensivem Spiel an der Oboe und wird von dem Ensemble Les Musiciens du Prince - Monaco unter der Leitung von Gianluca Capuano bewegend begleitet.

Zum Abschluss folgt dann Pergolesis Stabat mater. Pergolesi, der bereits im Alter von 26 Jahren verstarb, verfasste dieses Werk kurz vor seinem Tod in Neapel 1736 und schuf damit ein Stück, das die traditionelle Kirchenmusik um durchaus opernhafte Elemente erweiterte, was vor allem von Seiten der Kirche zunächst heftig kritisiert wurde. Trotzdem entwickelte sich Stabat mater zu einem Meisterwerk für Sopran und Alt, in dem zwei Größen wie Bartoli und Fagioli zu glänzen verstehen. Der Text besteht eigentlich aus zehn sechszeiligen Strophen, die Pergolesi in zwölf unterschiedliche Sätze einteilte, wobei fünf Sätze als Arien und die restlichen sieben als Duette gestaltet sind. Im ersten Duett "Stabat mater dolorosa" wird das Bild der schmerzerfüllten Maria zu Füßen ihres gekreuzigten Sohnes beschrieben. Hier finden Fagioli und Bartoli in düsterem Lamento bewegend zu einer unter die Haut gehenden Klage zueinander. Über der Bühne ist eine riesige Leinwand angebracht, auf die zu jedem neuen Satz ein Bild einer Statue projiziert wird, die die leidende Maria zeigt, was den Gesang auch optisch unterstreicht. Bartoli und Fagioli bringen die Trauer in ihren Arien gefühlvoll zur Geltung und punkten durch eine bewegende Klage. In den Duetten finden ihre beiden Stimmen inniglich zueinander und erhellen sich schließlich in der Aufforderung, mit der Trauer um den gekreuzigten Jesus selbst ins Paradies zu gelangen. Musikalisch ist man quasi schon da, wenn das Stück in einem fast optimistischem "Amen" endet.

Natürlich lässt das begeisterte Publikum Bartoli und Fagioli nicht ohne Zugabe gehen. Bartoli beginnt mit einer Arie des Piacere aus Händels frühem Oratorium Il trionfo del Tempo e del Disinganno, das sie als künstlerische Leiterin der Salzburger Pfingstfestspiele in diesem Jahr als szenische Produktion auf dem Spielplan hatte und in dem sie selbst auch die Rolle des Piacere interpretiert hat. Die Arie "Lascia la spina", in der das Vergnügen rät, auf die Dornen acht zu geben und nur die Rose zu pflücken, gelangte später unter dem Titel "Lascia ch'io pianga" in Händels erster Oper für London, Rinaldo, zu Weltruhm. Dank eines überreichten Blumenstraußes eines begeisterten Fans kann diese Arie sogar nahezu szenisch umgesetzt werden, da Capuano Bartoli die Rose, die sie ihm vor der Arie aus dem Strauß getrennt hat, wieder zurückgibt. Fagioli greift bei seiner Zugabe das "Amen" aus Vivaldis "Nisi dominus" noch einmal auf und stellt erneut seine Koloraturkunst unter Beweis. Als letzte Zugabe haben Bartoli und Fagioli passend zum Thema noch ein Duett vorbereitet. Johann Sebastian Bach hat 1748 Pergolesis Stabat mater neu unter dem Titel Tilge, Höchster, meine Sünden arrangiert. Daraus präsentieren Bartoli und Fagioli das "Amen" und brillieren erneut mit beweglichen Läufen, so dass man nahezu beschwingt nach diesem doch sehr sakralen Abend die Philharmonie verlässt.

FAZIT

Cecilia Bartoli und Franco Fagioli stimmen mit diesem eigentlich überhaupt nicht weihnachtlichen Sakral-Programm dennoch gebührend auf Weihnachten ein.



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Ausführende

Cecilia Bartoli, Sopran

Franco Fagioli, Countertenor

Pierluigi Fabretti, Oboe

Les Musiciens du Prince - Monaco

Gianluca Capuano, Musikalische Leitung


Werke

Antonio Vivaldi
"Nisi dominus"
g-Moll für Alt, Viola d'amore,
Streicher und Basso continuo, RV 608

"Domine Deus"
Arie aus Gloria D-Dur
für Soli, Chor und Orchester RV 589

Georg Friedrich Händel
"What Passion cannot Music raise and quell"
Arie aus Ode for St. Cecilia's Day, HWV 76

Alessandro Marcello
Concerto d-Moll für Oboe, Streicher und
Basso continuo, Z 799
Andante e spiccato
Adagio
Presto

Giovanni Battista Pergolesi
Stabat mater
für Sopran, Alt, Streicher und Basso continuo


Weitere Informationen
erhalten Sie von der

Philharmonie Essen
(Homepage)



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