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Philippe Jaroussky
La storia di Orfeo

Werke von Claudio Monteverdi, Antonio Sartorio, Luigi Rossi, Francesco Cavalli, Biagio Marini und Dario Castello

Aufführungsdauer: ca. 1h 25' (keine Pause)

Samstag, 3. Juli 2021, 20.00 Uhr
Alfried Krupp Saal in der Philharmonie Essen

 



Philharmonie Essen
(Homepage)

Orpheus-Pasticcio bei Kerzenschein

Von Thomas Molke / Fotos: © Volker Wiciok / TUP

Die Geschichte um den thrakischen Sänger Orpheus, der mit seinem Gesang nicht nur wilde Tiere zu zähmen, sondern auch Pflanzen und Steine zu bewegen vermochte, ist seit den Anfängen der Oper untrennbar mit dieser Gattung verbunden und hat immer wieder Komponisten zu musikalischen Ausgestaltungen des Mythos inspiriert. Gerade für den in den letzten Jahren boomenden Countergesang ist die Partie des Sohns der Muse Kalliope und des Gottes Apollo eine Paraderolle, weil durch die hohe Stimmlage nachvollziehbar wird, wie Orpheus' Zauber funktioniert haben könnte. Philippe Jaroussky, den die Süddeutsche Zeitung einmal als "Strahlengott unter den Countertenören" bezeichnet hat, hat 2017 eine CD unter dem Titel La storia di Orfeo produziert, auf der er anlässlich des 450. Geburtstags von Claudio Monteverdi verschiedene Vertonungen des Mythos zu einem Pasticcio zusammensetzt. Auf der CD interpretiert die ungarische Sopranistin Emőke Baráth die Partie der Euridice. Musikalisch begleitet wird die Aufnahme von dem Ensemble I Barocchisti unter der Leitung von Diego Fasolis. Bei der Konzerttournee 2017 mit diesem Programm (unter anderem auch im Konzerthaus Dortmund, siehe auch unsere Rezension) übernahm Amanda Forsythe die Rolle der Eurdice. Nun widmet sich Jaroussky erneut dem Thema "Orpheus" im Rahmen der Reihe "Alte Musik bei Kerzenschein" und hat dieses Mal Emőke Baráth als Euridice an seiner Seite. Als Orchester begleitet ihn das 2002 von ihm mitgegründete Ensemble Artaserse, das in wechselnden Besetzungen ohne Dirigent arbeitet.

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Emőke Baráth als Euridice und Philippe Jaroussky als Orfeo

Jaroussky hat darin die Werke von Claudio Monteverdi, Luigi Rossi und Antonio Sartorio zu einer neuen Orpheus-Oper zusammengesetzt und erzählt die Geschichte der großen Liebe zwischen Orfeo und Euridice bis zum doppelten Verlust der Geliebten, einmal durch den Schlangenbiss und anschließend auf dem Weg zurück aus der Unterwelt. Nach der Toccata aus Monteverdis L'Orfeo, die vom Ensemble Artaserse beherzt und mit viel Schwung präsentiert wird, beginnt die Geschichte mit der 1672 in Venedig uraufgeführten musikalischen Dramatisierung von Antonio Sartorio. In dieser Fassung ist Aristaeus, dessen Nachstellungen im Mythos dazu führen, dass Euridice auf der Flucht vor ihm auf eine Schlange tritt und stirbt, Orfeos Bruder. Orfeo hält hier seine Gattin sogar für untreu, da er die Annäherungsversuche seines Bruders beobachtet. Doch dieser Teil der Geschichte spielt an diesem Abend keine Rolle, und so beginnt es mit dem innigen Liebesduett "Cara e amabile catena", in dem Orfeo und Euridice die "lieblichen Ketten" besingen, die sie nach der Hochzeit verbinden werden. Baráths absolut warmer und glockenklarer Sopran verschmilzt dabei mit Jarousskys strahlendem Counter in den Koloraturen zu einer betörenden Innigkeit. Dabei wird deutlich, wie liebevoll die beiden Figuren miteinander verwoben sind.

Im Anschluss folgt dann "Rosa del ciel" aus Claudio Monteverdis 1607 uraufgeführten Oper, die, obwohl Jacopo Peris L'Euridice sieben Jahre vorher komponiert wurde, als die "Ur-Form aller Opern" gilt. Monteverdi hat die Partie des Orfeo eigentlich für einen Tenor oder hohen Bariton komponiert, so dass Jarousskys Interpretation zwar ungewohnt, dabei aber keineswegs fremdartig klingt. Im Gegenteil hat man das Gefühl, dass Jarousskys samtweicher Counter mit den leuchtenden Höhen die tief empfundene Liebe des Sängers zu seiner Gattin noch viel eindringlicher zum Ausdruck bringen kann.

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Noch träumt Euridice (Emőke Baráth) von einer glücklichen Zukunft mit Orfeo.

Es geht weiter mit Luigi Rossis Oper L'Orfeo, die 1647 in Paris uraufgeführt wurde und als eine der ersten Opern gilt, die in Frankreich gespielt wurden. Auch bei Rossi werden dem Liebespaar noch einige Momente des Glücks geschenkt, bevor Euridice kurz nach der Hochzeit durch den Schlangenbiss stirbt. Baráth bewegt mit hellem Sopran in der Arie "Mio ben, teco il tormento", in der sie Euridices große Liebe zu ihrem zukünftigen Gemahl bekennt, nachdem die Göttin Venus versucht hat, ihr einen anderen Mann schmackhaft zu machen. Es folgt das innige Duett "Che dolcezza è la certezza", in dem Jarousskys Altus und Baráths Sopran erneut wunderbar harmonieren und die tiefen Gefühle der beiden Liebenden unterstreichen. In Orfeos temperamentvollen Arie "Vi ricorda, o boschi ombrosi" aus Monteverdis Oper kann Jaroussky noch einmal als Orfeo sein Glück genießen, und im anschließenden Duett "M'ami tu?" aus Rossis Oper gestehen sich die beiden erneut ihre Liebe. Mit strahlendem Sopran preist Baráth in "Al imperio d'amore" die Macht der Liebt, bevor das Unglück geschieht.

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Orfeo (Philippe Jaroussky) beklagt den Verlust seiner Gattin.

Wie ein Pistolenknall wird der Biss der Schlange musikalisch instrumentiert. Für Euridices Sterbeszene wird auf Sartorios Oper zurückgegriffen. In der herzzerreißenden Arie "Ahimè, Numi, son morta" beklagt Baráth eindringlich Euridices Unglück, bevor sie auf einen Stuhl in der Mitte der Bühne sinkt. Jaroussky bleibt nichts anderes übrig, als mit "Lagrime, dove sete?" aus Rossis Oper in fragilen hohen Tönen den Verlust der Geliebten zu beklagen. Zu einem instrumentalen Zwischenstück von Biagio Marini verlöscht das Licht im Saal, und man taucht wie Orfeo in die Finsternis der Unterwelt hinab. Baráth legt sich einen schwarzen Umhang um und tritt hinter das Orchester, während Jaroussky mit "È morta Euridice" aus Sartorios Oper immer noch nicht verwinden kann, seine Frau verloren zu haben. Als Geist scheint Euridice ihn in der anschließenden Arie "Orfeo, tu dormi?" wie aus einer anderen Welt zu rufen und aufzufordern, sie aus der dunklen Unterwelt zurückzuholen. Orfeo macht sich zu Monteverdis "Sinfonia inferno" auf den Weg und versucht, mit dem berühmten "Possente spirto" den Fährmann Charon zu überreden, ihn über den Fluss Lethe zu bringen. Auch diese Arie klingt in Jarousskys Stimmlage neu, und man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Fährmann sich von einem solch hohen lieblichen Gesang viel besser einlullen lässt.

Für den Weg aus der Unterwelt wird erneut die Fassung von Sartorio ausgewählt. Orfeo trifft auf seine Geliebte Euridice und bekommt sie unter der Auflage zurück, dass er sich auf dem Weg zurück zur Erde nicht nach ihr umdrehen darf. Jaroussky dreht dafür Baráth den Rücken zu, um anzudeuten, dass er diesem Gebot Folge leisten will. Doch das gelingt ihm natürlich nicht. Bei Sartorio ist es Euridice, die Orfeo immer wieder bittet, Geduld zu haben und der Weisung zu folgen. Aber Orfeos Vertrauen ist zu schwach. Er unterliegt seinem inneren Kampf und blickt sich um. Sofort verschwindet Euridice. Orfeo bleibt nichts anderes übrig, als sich seinem ewigen Schmerz zu ergeben. Jaroussky wählt dafür die Arie "Lasciate Averno" aus Rossis Oper. Wie bei Monteverdi wird auch hier Orfeo am Ende zum Sternbild erhoben, während er sich bei Sartorio in die Einsamkeit zurückzieht und beschließt, der Liebe und den Frauen auf ewig zu entsagen. In der Mythologie wird er von rasenden Bacchantinnen getötet und damit erneut mit Euridice in der Unterwelt vereint. Jaroussky sinkt am Ende wie Baráth auf den Stuhl in der Mitte der Bühne, und das Licht im Saal verlischt. Das Publikum belohnt die eindringliche Interpretation mit großem Jubel.

Als Zugabe möchten Jaroussky und Baráth etwas Optimistisches präsentieren. Dazu bietet der Orpheus-Stoff wegen des tragischen Endes natürlich nicht viel. So fällt die Wahl auf Poppeas und Nerones berühmtes Schlussduett "Pur ti miro" aus Monteverdis L'incoronazione di Poppea. Baráth und Jaroussky machen dabei noch einmal deutlich, wie sehr ihre beiden Stimmen miteinander harmonieren.

FAZIT

Philippe Jaroussky und Emőke Baráth gelingt es, die Geschichte des Orpheus mit drei Vertonungen aus dem 17. Jahrhundert neu und eindrucksvoll zu erzählen.



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Ausführende

Emőke Baráth, Sopran

Philippe Jaroussky, Altus und Leitung

Ensemble Artaserse


Werke

Claudio Monteverdi
Toccata aus L'Orfeo

Antonio Sartorio
Sinfonia aus L'Orfeo

"Cara e amabile catena"
Duett Euridice / Orfeo aus L'Orfeo

Claudio Monteverdi
"Rosa del ciel"
Duett Euridice / Orfeo aus L'Orfeo

Luigi Rossi
"Mio ben, teco il tormento"
Arie der Euridice aus L'Orfeo

"Che dolcezza è la certezza"
Duett Euridice / Orfeo aus L'Orfeo

Sinfonia aus L'Orfeo

Francesco Cavalli
Sinfonia aus L'Orione

Claudio Monteverdi
"Vi ricorda, o boschi ombrose"
Arie des Orfeo aus L'Orfeo

Luigi Rossi
"M'ami tu?"
Duett Euridice / Orfeo aus L'Orfeo

"Al imperio d'amore"
Chorus / Euridice aus L'Orfeo

Antonio Sartorio
"Ahimè, Numi, son morta"
Arie der Euridice aus L'Orfeo

Luigi Rossi
"Lagrime, dove sete?"
Arie des Orfeo aus L'Orfeo

Biagio Marini
"Passacaglia a quattro"
aus Per ogni sorte di strumento musicale, op. 22

Antonio Sartorio
"È morta Euridice"
Arie des Orfeo aus L'Orfeo

Sinfonia aus L'Orfeo

"Orfeo, tu dormi?"
Arie der Euridice aus L'Orfeo

Claudio Monteverdi
Sinfonia inferno aus L'Orfeo

"Possente spirto"
Arie des Orfeo aus L'Orfeo

Dario Castello
"Sonata à 4"

Antonio Sartorio
"Numi, che veggio"
Arie des Orfeo aus L'Orfeo

"Chiuso, ahimè, die Cocito!"
Arie des Orfeo aus L'Orfeo

"Rendetemi Euridice"
Arie des Orfeo aus L'Orfeo

Luigi Rossi
"Lasciate Averno"
Arie des Orfeo aus L'Orfeo


Weitere Informationen
erhalten Sie von der

Philharmonie Essen
(Homepage)



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