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Valery Gergiev
Mariinsky Orchestra

Musik von Gustav Mahler und Richard Wagner

Aufführungsdauer: ca. 3h 10' (eine Pause)

Sonntag, 16. September 2018, 19.00 Uhr
Alfried Krupp Saal in der Philharmonie Essen

 



Philharmonie Essen
(Homepage)

Meisterwerke von Wagner und Mahler

Von Thomas Molke / Fotos: © Saad Hamza

40 Jahre ist es mittlerweile her, dass Valery Gergiev am Mariinsky-Theater, das damals noch Kirov-Theater hieß, mit Prokofjews Krieg und Frieden debütierte. Seitdem hat er nicht nur in St. Petersburg sehr viel erreicht. 1988 wurde er Musikdirektor, acht Jahre später auch künstlerischer Leiter und Generaldirektor am Mariinsky-Theater und widmete sich unter anderem der ersten vollständigen russischen Ring-Produktion in deutscher Sprache, die ab 2003 in mehreren Zyklen auch am Festspielhaus Baden-Baden zu erleben war. Seit 2015 ist er außerdem Chef der Münchner Philharmoniker und wird 2019 in Bayreuth die Neuproduktion des Tannhäuser dirigieren. Nun ist er im Rahmen der Reihe Große Stimmen mit dem Mariinsky Orchestra in die Philharmonie Essen gekommen und kombiniert zwei Meisterwerke, die einzeln betrachtet schon fast umfangreich genug für ein komplettes Konzert gewesen wären: eine konzertante Aufführung des 1. Aktes aus Richard Wagners Die Walküre, dem "ersten Tag" der Ring-Tetralogie, und Gustav Mahlers Sinfonie Nr. 6 a-Moll, die mit ca. 80 Minuten ebenfalls recht lang ist. Dass der Abend mit Wagner beginnt, mag ein wenig überraschen. Doch Gergiev hält Mahler nach eigenem Bekunden für den "genialsten" Komponisten und setzt seine Sinfonie folglich als Höhepunkt ans Ende.

Von den vier Teilen des Ring des Nibelungen nimmt Die Walküre mit Sicherheit eine Sonderstellung ein. Zum einen wird in diesem Stück die Liebe in ihrer reinsten Form präsentiert, auch wenn es sich dabei mit dem Wälsungenpaar Siegmund und Sieglinde eigentlich um eine inzestuöse Beziehung handelt. Dennoch erreicht Wagner musikalisch zwischen diesen beiden Figuren eine Innigkeit, die im weiteren Verlauf des Rings ihrem gemeinsamen Sohn Siegfried und Brünnhilde, deren Liebe letztendlich Verrat und Betrug zum Opfer fällt, nicht zuteil wird. Zum anderen werden in keinem anderen Teil der Tetralogie der persönliche Schmerz und die Tragik der Figuren spürbarer, da das Schicksal des Wälsungenpaars, das nur am Ende des ersten Aufzugs einen ganz kurzen Moment des persönlichen Glücks erfährt, zu Tränen rührt. Von daher verwundert es nicht, dass dieser zweite Teil bisweilen im Repertoire auch ein Eigenleben führt und außerhalb des kompletten Zyklus zur Aufführung gelangt. Im Konzertrepertoire beschränkt man sich bisweilen sogar auf den ersten Aufzug der Walküre, wie beispielsweise im fünften Symphoniekonzert der Bochumer Symphoniker unter der Leitung von Steven Sloane in der letzten Spielzeit (siehe auch unsere Rezension).

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Sieglinde (Anja Kampe) und Siegmund (Mikhail Vekua)

Von den drei Solisten singt nur der russische Tenor Mikhail Vekua die Partie des Siegmund vom Blatt ab. Anja Kampe gelang mit der Partie der Sieglinde an der Seite von Plácido Domingo an der Washington National Opera ihr internationaler Durchbruch. Diese Rolle hat sie auch an zahlreichen großen Bühnen, inklusive Bayreuth, verkörpert, so dass sie mit dem Text sehr vertraut ist und ihn auch mit entsprechender Mimik und Gestik umsetzt. Vekua kann sich als Siegmund leider nur bedingt auf Kampes intensives Spiel einlassen, da er sich stark auf eine korrekte Diktion konzentrieren muss. Wagners Text macht es einem ja auch nicht gerade leicht. Dabei legt er die Partie anfangs recht lyrisch an, was gut zu der Eingangsszene passt, wenn Siegmund von der Flucht geschwächt in Hundings Haus Zuflucht sucht. Vorher hat Gergiev das Mariinsky Orchestra mit nahezu bedrohlicher Vehemenz durch das Vorspiel gepeitscht und Siegmunds Flucht vor Hundings Sippe eindrucksvoll bebildert. Kampe reagiert durch ein überzeugendes Mienenspiel auf die unruhige Stimmung und sucht scheinbar Schutz in dem blauen Tuch, das sie über ihrem Kleid trägt. Ganz hervorragend ist ihre Textverständlichkeit, so dass man bei ihr die Übertitel gar nicht benötigt. Mit viel Feingefühl untermalt Gergiev mit dem Orchester die zärtlichen Gefühle zwischen dem Wälsungenpaar, wobei Kampes Sopran und Vekuas Tenor wunderbar harmonieren.

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Applaus nach dem 1. Akt der Walküre: von links: Valery Gergiev, Mikhail Vekua (Siegmund), Anja Kampe (Sieglinde) und Mikhail Petrenko (Hunding), im Hintergrund: Mariinsky Orchestra

Aus dieser romantischen Atmosphäre wird man durch Hundings Auftritt jäh herausgerissen. Mikhail Petrenko verfügt als Hunding über einen dunklen und sehr textverständlichen Bass, der die Bedrohung, die mit seinem Auftritt ins Haus kommt, wunderbar beschreibt. Auch szenisch nimmt man ihm das Misstrauen dem Fremden gegenüber ab. Kampe gestaltet Sieglindes Leid in dieser Situation erneut mit großartigem Spiel und erkennt, dass sie nun handeln muss, indem sie ihrem Gatten einen Schlaftrunk verabreicht. Bei den folgenden "Wälse"-Rufen macht Vekua deutlich, dass er auch als Helden-Tenor glänzen kann, ohne in den Höhen zu forcieren. Bei der berühmten fast schon an eine klassische Arie erinnernden Szene "Winterstürme wichen dem Wonnemond" leuchtet Vekuas Tenor in strahlenden Höhen. Da verwundert es nicht, dass es ihm gelingt, das Schwert aus der Esche Stamm zu ziehen. Kampe glänzt noch einmal mit sauberen Höhen, wenn sie in dem Gast ihren Bruder Siegmund erkennt, dem sie sich in Liebe hingeben will. Bei der nun folgenden ekstatischen Musik ergreift Kampe Vekuas Hand. Dieser strahlt sie zwar an, bleibt allerdings szenisch etwas statisch. Die Musik macht auch, ohne dass man es sieht, deutlich, was zwischen den beiden nun passiert. Die Solisten, Gergiev und das Orchester werden mit großem Jubel bedacht.

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Valery Gergiev mit dem Mariinsky Orchestra

Kann es dazu noch eine Steigerung geben? Ja, und die folgt mit Mahlers 6. Sinfonie nach der Pause. Dieses Werk, das am 27. Mai 1906 im Rahmen des 42. Tonkünstlerfestes des Allgemeinen Deutschen Musikvereins im Essener Saalbau uraufgeführt wurde, gilt als Mahlers persönlichste Komposition und trägt häufig den Beinamen Tragische, da die Sinfonie im Nachhinein wie eine Vorahnung der Katastrophen erscheint, die ein Jahr später mit der Diagnose eines Herzleidens, dem Tod der Tochter Anna und dem Ende der Stellung als Hofoperndirektor über Mahler hereinbrachen. Viel ist auch über die Reihenfolge der beiden Binnensätze diskutiert worden. Kurz vor der Uraufführung setzte Mahler ganz nach dem seit den Wiener Klassikern bekannten Prinzip das "Andante" an die zweite Stelle und ließ ein wuchtiges "Scherzo" folgen. Bei der Erstveröffentlichung vertauschte er allerdings die beiden Sätze. Gergiev entscheidet sich, die vor der Uraufführung festgelegte Reihenfolge beizubehalten, auch wenn das Programmheft das "Scherzo" fälschlicherweise an die zweite Stelle setzt.

Mit einem energischen Marschrhythmus beginnt der erste Satz. Von mehreren Instrumentengruppen wird immer wieder eine Art Choral angestimmt, dem jeweils eine Dur-Moll-Wendung vorausgeht. Nach Mahlers eigenen Worten soll das mit "schwungvoll" bezeichnete Seitenthema, das von den Violinen angestimmt wird, ein musikalisches Porträt seiner Frau Alma darstellen. Gergiev arbeitet mit dem Mariinsky Orchestra die vielschichtigen Klangfarben differenziert heraus. Es folgt das "Andante moderato" mit ausdrucksvollen Violinen, die fast wie das Spiel kleiner Kinder wirken, die am Strand durch den Sand laufen. Soll das die kleine Anna sein, die ein Jahr nach der Uraufführung verstarb? Das "Scherzo" greift dann das Marschthema wieder auf, wandelt es dabei aber sehr phantasievoll ab. Im Finalsatz treibt dann ein düsterer, marschartiger Choral die Entwicklung weiter. Beeindruckend ist auch der dröhnende Hammerschlag, der die Musik regelrecht zu zermalmen scheint. Wenn der Orchesterspieler zu dem riesigen Hammer greift, erinnert er ein wenig an den Gott Donner in Wagners Rheingold. Regelrecht düster wird am Ende die Introduktion wieder aufgegriffen, die den Zusammenbruch mit einem pointierten Motiv besiegelt. Das Publikum wird regelrecht mitgerissen von dem emotionsgeladenen Spiel des Mariinsky Orchestra und spendet begeisterten Beifall.

FAZIT

Valery Gergiev stellt mit zwei Meisterwerken von Richard Wagner und Gustav Mahler die musikalische Qualität des Mariinsky Orchestra unter Beweis und beglückt das Publikum mit einem emotionsgeladenen, wenn auch etwas langen, Konzertabend.



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Ausführende

Anja Kampe, Sieglinde (Sopran)

Mikhail Vekua, Siegmund (Tenor)

Mikhail Petrenko, Hunding (Bass)

Mariinsky Orchestra

Valery Gergiev, Dirigent


Werke

Richard Wagner
1. Akt aus Die Walküre
(konzertante Aufführung mit Übertiteln)

Gustav Mahler
Sinfonie Nr. 6 a-Moll
Tragische
Allegro energico. Heftig, aber markig
Andante moderato
Scherzo. Wuchtig
Finale.
Sostenuto - Allegro moderato - Allegro energico

 


Weitere Informationen
erhalten Sie von der

Philharmonie Essen
(Homepage)



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