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Vier Jahreszeiten mit Opernarien von Vivaldi Von Thomas Molke / Fotos: © Pascal Amos Rest Fast 20 Jahre ist es her, dass Cecilia Bartoli mit ihrem Vivaldi-Album entscheidend dazu beigetragen hat, das Interesse an den Opern des venezianischen Geigenvirtuosen wiederzubeleben. Seitdem hat sie es sich immer wieder zur Aufgabe gemacht, versunkene Schätze der Barockmusik dem Vergessen zu entreißen. Erinnert sei an dieser Stelle an ihr Programm Mission, in dem sie sich dem Opernschaffen Agostino Steffanis widmete, den sie selbst als musikalisches Bindeglied zwischen Monteverdi und Händel betrachtet (siehe auch unsere Rezension), oder St. Petersburg mit Werken, die seit langer Zeit in den Archiven der Kaiserlichen Hofoper in St. Petersburg schlummern und belegen, dass auch hier Barockmusik eine bedeutende Rolle gespielt hat (siehe auch unsere Rezension). Zuletzt hat sie sich gemeinsam mit der Ausnahme-Cellistin Sol Gabetta auf einem Streifzug durch die Barockmusik ein Dolce Duello geliefert, das unter der musikalischen Leitung von Gabettas Bruder Andrés von dem im Dezember 2010 gegründeten Ensemble Cappella Gabetta begleitet wurde (siehe auch unsere Rezension). Nun ist sie zu Antonio Vivaldi zurückgekehrt und verwebt mit dem auf ihre Initiative hin im Frühjahr 2016 im Fürstentum Monaco gegründeten Barockensemble Les Musiciens du Prince unter der Leitung von Gianluca Capuano mit Andrés Gabetta an der Solo-Violine bekannte Konzertstücke mit unbekannten Opernarien. Dabei entsteht ein Programm aus einem Guss, da die einzelnen Stücke fließend und perfekt choreographiert ineinander übergehen und somit den bei Arienabenden üblichen Zwischenapplaus unterbinden. Cecilia Bartoli mit Andrés Gabetta (links) und Enrico Capuano (rechts) (im Hintergrund: Les Musiciens du Prince) Eingebunden ist alles in Vivaldis berühmte vier Konzerte für Violine, Streicher und Basso continuo, Le quattro stagioni (Die vier Jahreszeiten). Gabetta hat mit einem fulminanten Violin-Solo einen atemberaubenden Einstand in das Allegro aus "La primavera" ("Der Frühling"), bevor man aus dem Saal ein Instrument vernimmt, das Vogelgezwitscher imitiert, welches den Frühling lautmalerisch unterstreicht. Dieses Gezwitscher tritt in einen Dialog mit Jean-Marc Guojon an der Querflöte und Cecilia Bartoli, die in einem blauen Kleid mit einer langen Schleppe fast unbemerkt die Bühne betritt und mit sehr zarten Tönen die Arie der Nymphe Silvia aus der Pastorale La Silvia, "Quell'augellin", anstimmt, in der die junge Frau die Freiheit eines kleinen Vogels bewundert. Dieser lautmalerische Klang, der eine friedliche Idylle beschreibt, geht in die Klage des römischen Edelmanns Lucio aus der Oper Tito Manlio über, in der Lucio den römischen Konsul Tito Manlio um Mitgefühl für dessen Tochter Vitellia bittet, die nach Manlios Meinung für ihre feindliche Haltung Rom gegenüber den Tod verdient hat. Bartoli tritt hierbei in einen bewegenden Dialog mit der Oboe, die die Klage des jungen Mannes eindrucksvoll aufgreift. In der folgenden Arie des Caio Silio aus Vivaldis erster Oper Ottone in villa schießt Bartoli dann ein regelrechtes Koloraturfeuerwerk ab, wenn sie der Eifersucht des verschmähten Liebhabers freien Lauf lässt. Im Anschluss wird vom Orchester "La primavera" wieder aufgegriffen. Cecilia Bartoli bei der ersten Zugabe mit Pier Luigi Fabretti (links), Thibaud Robinne (rechts), Enzo Capuano und Les Musiciens du Prince im Hintergrund Im Anschluss wird nur noch jeweils eine Arie in die Auszüge aus Le quattro stagioni eingebettet. Zwischen den Arien nimmt Bartoli auf einem Stuhl neben dem Orchester Platz und lauscht andächtig dem perfekten Klang des Ensembles und den großartigen Soli Gabettas. Zwei Arien übernimmt Bartoli aus ihrem früheren Vivaldi-Programm, da sie sich wunderbar in die vier Jahreszeiten einfügen lassen. Nach der Pause startet sie mit der Arie der Hippolyte aus Ercole sul Termodonte, "Zeffiretti, che sussurrate", und nutzt dabei den ganzen Saal des Konzerthauses als Spielfläche. Während Gabetta zunächst aus dem Off von der Bühne mit leisen Violinklängen beginnt, schaffen die Holzbläser aus unterschiedlichen Positionen im Saal eine Art Wald-Idylle, in der Vögel auf unterschiedlichen Bäumen ihre Lieder trällern, während Bartoli als Hippolyte durch diese Landschaft hinab zur Bühne schreitet, und mit sanfter Stimmführung dem Klang der Winde und Bäche lauscht. Langjährige Fans der Bartoli werden sich auch noch an ihre großartige Interpretation der Arie "Gelido in ogni vena" aus Farnace erinnern, in der der König den vermeintlichen Tod seines Sohns betrauert. Mit ihrer eindringlichen Interpretation hat Bartoli schon in ihrem damaligen Vivaldi-Programm frenetischen Jubel ausgelöst. Dieser wird der bewegenden Arie dieses Mal natürlich verwehrt, weil er direkt vom eisigen Allegro non molto aus "L'inverno" aufgegriffen wird. Erneut stellt Bartoli in dieser bewegenden Arie die ganze Bandbreite ihres Könnens unter Beweis und changiert zwischen leisen, nahezu zerbrechlichen Tönen und dramatischem Ausbruch. Die Musiker greifen mit dem eindringlichen Spiel die innere Zerrissenheit des Herrschers eindrucksvoll auf. Die übrigen Arien bieten einen ausgewogenen Wechsel zwischen fulminanten Koloraturen und eher ruhigen, leidenden Tönen. So schlüpft Bartoli nach dem ersten Block zunächst in die Rolle des Anastasio, des Kaisers von Byzanz, aus der Oper Il Giustino und beschreibt in der Arie "Vedrò con mio diletto" eindringlich dessen Gefühle für seine Ehefrau Arianna. Anschließend präsentiert sie die Arie des Ruggiero aus Orlando furioso, "Sol da te, mio dolce amore", mit beweglicher Stimmführung zur virtuosen Begleitung der Querflöte, in der der junge fehlgeleitete Mann seine Gefühle für die Zauberin Alcina besingt. Es folgt eine fulminante Arie der Zanaida aus Argippo, in der Bartoli mit halsbrecherischen Koloraturen zum Ausdruck bringt, dass ihre Rache noch heftiger als ein Blitz einschlagen wird. Mit diesem Feuerwerk entlässt sie das begeisterte Publikum in die Pause. Anschließend folgt neben den bereits erwähnten Arien noch ein weiteres Koloraturfeuerwerk aus Orlando furioso, "Ah, fuggi rapido". Astolfo rät hier Ruggiero, von Alcinas Insel zu fliehen. Als letztes gibt es dann noch die Arie des Cesare aus Catone in Utica, in der sich Bartoli in sauber angesetzten Höhen in zarten Gefühlen für die schöne Marzia ergeht. Mit dem Largo und Allegro aus "L'inverno" endet das offizielle Programm. Natürlich lässt das Publikum Cecilia Bartoli nicht ohne Zugaben gehen. Hierbei greift sie allerdings auf andere Komponisten zurück. Zunächst gibt es eine großartige Rache-Arie der Zauberin Melissa aus Händels Amadigi di Gaula: "Desterò dall' empia Dite". Darin beschwört Melissa die Mächte der Unterwelt herauf, um Amadigi und seine Geliebte Oriana zu quälen. Bartoli glänzt hier nicht nur mit sauber angesetzten halsbrecherischen Koloraturen, sondern geht auch noch einen regelrechten Wettstreit mit der Trompete ein. Das Publikum bedankt sich mit stehenden Ovationen. Es folgt Cherubinos berühmte Arie "Voi che sapete" aus Mozarts Le nozze di Figaro, die Bartoli mit spitzbübischem Charme fast schüchtern vorträgt. Als Abschluss ist dann wohl ein "italienischer Schlager" geplant: "Non ti scordar di me" ("Vergiss mich nicht"). Das wird man in Dortmund sicherlich nicht. Aber auch danach will man die Bartoli noch nicht gehen lassen. Folglich präsentiert sie im Anschluss noch einen ganz besonderen Höhepunkt mit der Arie "A facile vittoria" aus Agostino Steffanis Tassilone. Hier liefert sich Bartoli mit dem Trompeter Thibaud Robinne einen äußerst witzigen Wettstreit, wobei es ihr jeweils gelingt, mit ihrer beweglichen Stimme der Trompete Paroli zu bieten, egal welche Melodieführung, welches Tempo und welche Tonlänge Robinne auch vorgibt. Wenn Robinne dann zu einem jazzigen Blues-Sound ausholt, kontert Bartoli nach kurzer Überlegung mit Gershwins "Summertime", so dass sich Robinne schließlich geschlagen gibt. Unter frenetischem Jubel verabschiedet sich Bartoli anschließend von ihren Fans. FAZIT Dieses großartige Programm wird noch in zahlreichen europäischen Konzerthäusern zu erleben sein. Ein Großteil der Arien ist auf Bartolis vor kurzem bei DECCA erschienenen Vivaldi-CD enthalten.
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Ausführende Cecilia Bartoli, Mezzosopran Andrés Gabetta, Violine Les Musiciens du Prince Gianluca Capuano, Dirigent
Antonio Vivaldi "Quell'augellin" "Non ti lusinghi la crudeltade" "Gelosia, tu già rendi" Allegro aus "La primavera" "Vedrò con mio diletto" Allegro non molto aus "L'estate" "Sol da te, mio dolce amore" Adagio aus "L'estate" Presto aus "L'estate" "Se lento ancora il fulmine" "Zeffiretti, che sussurrate" Allegro aus "L'autunno" "Ah, fuggi rapido" Allegro aus "L'autunno" "Gelido in ogni vena" Allegro non molto aus "L'inverno" "Se mai senti spirar sul volto" Largo aus "L'inverno" Allegro aus "L'inverno"
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