Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Konzerte
Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum



Alte Musik bei Kerzenschein
Anna Prohaska
Dido & Cleopatra

Il Giardino Armonico
Dirigent: Giovanni Antonini

Aufführungsdauer: ca. 2h (eine Pause)

Donnerstag, 03.12.2015, 20.00 Uhr
Alfried Krupp Saal in der Philharmonie Essen

 



Philharmonie Essen
(Homepage)

Starke Frauen der Antike

Von Thomas Molke / Foto von © Holger Hage (Deutsche Grammophon)

Nachdem die in der Philharmonie Essen seit mehreren Jahren beliebte Reihe "Alte Musik bei Kerzenschein" vor zwei Monaten mit dem Countertenor Franco Fagioli und Werken von Antonio Vivaldi und Georg Friedrich Händel einen umjubelten Start gehabt hat, folgt nun eine junge Sopranistin, die sich schon seit einigen Jahren einen Namen in der Barockszene gemacht hat: Anna Prohaska. In ihrem Programm, das sie gemeinsam mit dem 1985 in Mailand gegründeten Barock-Ensembles Il Giardino Armonico unter der musikalischen Leitung des Gründungsmitgliedes Giovanni Antonini bestreitet, konzentriert sie sich allerdings weniger auf namhafte Barockkomponisten als vielmehr auf zwei große Frauengestalten der Antike, die die Komponisten seit dem 17. Jahrhundert immer wieder zu Vertonungen inspiriert haben. Dabei handelt es sich zum einen um die mythologische Gründerin Karthagos, Dido, deren unerfüllte Liebe zu dem Trojaner-Fürsten Aeneas Grundstein der gegenseitigen Feindschaft gewesen sein soll, die Jahrhunderte später in drei Punischen Kriegen mündete. Zum anderen geht es um Cleopatra, die historische Königin Ägyptens, deren Liebesbeziehungen zu Julius Caesar und Marcus Antonius weitreichende Konsequenzen für die römische Innen- und Außenpolitik des ersten Jahrhunderts v. Chr. haben sollten.

Bild zum Vergrößern

Anna Prohaska

Das Programm ist dabei allerdings nicht zweigeteilt, sondern präsentiert große Arien und Szenen dieser beiden Persönlichkeiten in loser Folge gemischt. Lediglich die Auszüge aus Henry Purcells Oper Dido and Aeneas bilden am Anfang und am Ende einen Rahmen um das weitere Programm. Nach der Ouvertüre der 1689 erstmals an einer Mädchenschule in Chelsea uraufgeführten Oper beginnt Prohaska mit Didos Auftritts-Klage "Ah! Belinda, I am prest", in der sie ihrer Vertrauten Belinda ihr Unbehagen mitteilt, dass mit der Ankunft des trojanischen Fürsten Aeneas zusammenhängt, und beendet den Abend knapp zwei Stunden später mit Didos berühmtem Lamento aus der gleichen Oper, "When I am laid". Zwischen dem aus Liebe aufkeimenden Unbehagen und dem gebrochenen Herzen am Ende der Oper präsentiert Prohaska nun eine Achterbahn der Gefühle, die die beiden Protagonistinnen in den unterschiedlichsten Vertonungen erleben. Bekannt dürfte dabei nur die Händel-Arie "Se pietà di me non senti" aus Giulio Cesare in Egitto sein, in der Cleopatra die Götter bittet, ihrem Leiden ein Ende zu setzen. Auf die wesentlich bekanntere Arie "Piangerò la sorte mia" wird an diesem Abend allerdings verzichtet.

Stattdessen gibt es nicht nur Arien aus unbekannten Vertonungen, sondern auch von Komponisten, deren Namen heute nur noch eingefleischten Barock-Fans ein Begriff sein dürfte. Zu nennen ist hier Christoph Graupner, der an der Hamburger Oper am Gänsemarkt sein "Singe-Spiel" Dido, Königin von Carthago zur Uraufführung brachte. Wie es zur damaligen Zeit in Hamburg üblich war, wurden einige Arien im Gegensatz zu den Rezitativen auch auf Italienisch gesungen. Nachdem Dido hier im zweiten Akt in einem Rezitativ Aeneas' Untreue beklagt, macht sie in der folgenden Arie "Infido Cupido" dem Liebesgott schwere Vorwürfe. Dieser Vorwurf geht übergangslos in eine schnelle Gleichnis-Arie aus dem ersten Akt über, in der Dido sich mit einem Schiff vergleicht, das von einem Sturm über das Meer getrieben wird und auf der Suche nach einem sicheren Hafen ist. Prohaska beweist in den schnellen Läufen eine enorme Beweglichkeit und glänzt mit perlenden Koloraturen. In der Mittellage fehlt ihr allerdings ein bisschen die Autorität, die eine Königin auszeichnet. Da wirkt sie ein bisschen zu brav.

Auch Antonio Sartorio, der im 17. Jahrhundert zu den führenden venezianischen Komponisten zählte, ist heute kaum noch bekannt. Aus seiner Oper Giulio Cesare in Egitto präsentiert Prohaska zwei Arien, in denen sie mit großer Beweglichkeit in der Stimmführung punktet. Vor allem die zweite Arie "Quando voglio, con un vezzo", in der Cleopatra beschließt, ihre Verführungskünste einzusetzen, sprudelt nur vor halsbrecherischen Koloraturen, die von Prohaska punktgenau umgesetzt werden. Giovanni Antonini begleitet beide Arien auf der Sopranflöte mit eindringlichem Spiel. Im Anschluss gibt es von dem heute ebenfalls unbekannten Komponisten Daniele da Castrovillari aus seiner Oper La Cleopatra das große Lamento der Titelfigur, "A Dio regni, a Dio scettri", in der die Königin nach Marcus Antonius' Tod beschließt, ihrem Leben ein Ende zu setzen. In dieser großen Abschiedsszene fehlt es Prohaska erneut an majestätischer Grandezza, die man sich für das Abtreten einer so charismatischen Opernfigur gewünscht hätte, auch wenn sie in ihrem golden glitzernden Kleid optisch durchaus königliche Züge trägt und auch der freie Vortrag die szenische Interpretation unterstützt.

Von Johann Adolf Hasse präsentiert Prohaska dann nach der Pause Arien aus zwei Opern, wobei die eine Dido, die andere Cleopatra gewidmet ist. In der Arie "Già si desta la tempesta", in der Dido Aeneas verflucht, lässt Prohaska mit beweglichen Koloraturen und sauberen Spitzentönen den Hass der Königin durchblitzen, der wunderbar mit dem über dem Meer aufziehenden Sturm korrespondiert. Mit der Arie der Cleopatra, "Morte col fiero aspetto" aus Hasses Marc' Antonio e Cleopatra nimmt Prohaska als Cleopatra Abschied vom Leben, nachdem ihr Geliebter Marcus Antonius in der Schlacht bei Actium gefallen ist.

Das auf Originalinstrumenten musizierende Barock-Ensemble Il Giardino Armonico begeistert unter der Leitung von Giovanni Antonini, der einzelne Arien auch mit der Flöte begleitet, durch einen präzisen Barock-Klang und eindringliche Interpretation. Nach der Pause eröffnet das Ensemble mit einem beherzt präsentierten Concerto grosso c-Moll von Georg Friedrich Händel, in dem bereits Cleopatras große Arie "Piangerò la sorte mia" anklingt. Interessant klingt auch die "Sonata decimasesta a 4 per stromenti d'arco" von Dario Castello, die von zwei Geigen, einem Cello, dem Kontrabass, der Theorbe und dem Cembalo präsentiert werden. Luigi Rossis Passacaglia, die nur von der Theorbe gespielt wird, leitet fließend in Purcells Dido and Aeneas über. So gibt es an diesem Abend für alle Beteiligten großen Applaus. Trotzdem lässt sich Prohaska nur zu einer Zugabe überreden. Nach dem traurigen Lamento der Dido aus Purcells Dido and Aeneas beschließt sie den Abend mit Didos fröhlichem Duett "Fear no danger to ensue" aus dem ersten Akt der gleichen Oper, wobei statt der zweiten Stimme aber Antonini an der Sopranblockflöte zum Einsatz kommt.


FAZIT

Anna Prohaska präsentiert ein breites Spektrum unbekannter Barockperlen und huldigt mit der Arien-Auswahl zwei starken Frauen der Antike.



Ihre Meinung ?
Schreiben Sie uns einen Leserbrief

Ausführende

Anna Prohaska, Sopran

Il Giardino Armonico

Giovanni Antonini, Künstlerische Leitung


Werke

Henry Purcell
Ouvertüre zu Dido and Aeneas

"Ah! Belinda, I am prest"
aus der Oper Dido and Aeneas

Christoph Graupner
"Holdestes Lispeln der spielenden Fluthen"
aus der Oper Dido, Königin von Carthago

Antonio Sartorio
"Non voglio amar"
aus der Oper Giulio Cesare in Egitto

Matthew Locke
The Tempest
Suite für Streicher
Auszüge: The First Musick: Galliard -
The Second Musick: Lilk - Curtain Tune

Daniele da Castrovillari
"A Dio regni, a Dio scettri"
aus der Oper  La Cleopatra

Antonio Sartorio
"Quando voglio, con un vezzo"
aus der Oper Giulio Cesare in Egitto

Henry Purcell
"Dance for the Chinese Man and Woman"
aus The Fairy Queen

Christoph Graupner
"Der Himmel ist von Donner Keylen schwer...
Infido Cupido"
aus der Oper Dido, Königin von Carthago

"Agitato del tempeste"
aus der Oper Dido, Königin von Carthago

Georg Friedrich Händel
Concerto grosso c-Moll, op. 6 Nr. 8, HVW 326
Allemande: Andante / Grave /
Andante allegro / Adagio /
Siciliana: Andante / Allegro

Johann Adolf Hasse
"Già si desta la tempesta"
aus der Oper Didone abbandonata

Georg Friedrich Händel
"Se pietà di me non senti"
aus der Oper Giulio Cesare in Egitto

Dario Castello
"Sonata decimasesta a 4 per stromenti d'arco"
aus Sonate concertate in stil moderno, Libro II

Francesco Cavalli
"Re de' Getuli altero... Il mio marito"
aus der Oper La Didone

Johann Adolf Hasse
"Morte col fiero aspetto"
aus der Oper Marc' Antonio e Cleopatra

Luigi Rossi
Passacaglia

Henry Purcell
"Oft she visits"
aus der Oper Dido and Aeneas

"Thy Hand, Belinda... When I am laid"
aus der Oper Dido and Aeneas


Weitere Informationen
erhalten Sie von der

Philharmonie Essen
(Homepage)



Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum
© 2015 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de

- Fine -