Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Konzerte
Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum



2. Sinfoniekonzert der Essener Philharmoniker
Ariane

Musik von Christoph Willibald Gluck, François-Joseph Gossec und Bohuslav Martinů

Aufführungsdauer: ca. 1h 45' (eine Pause)

Donnerstag, 08.10.2015, 20.00 Uhr
Alfried Krupp Saal in der Philharmonie Essen

 



Philharmonie Essen
(Homepage)

Mythologische Klammer vom 18. zum 20. Jahrhundert

Von Thomas Molke

Während im Aalto-Theater die neue Spielzeit vor zwei Wochen mit Bohuslav Martinůs letzter Oper The Greek Passion eröffnet worden ist (siehe auch unsere Rezension), widmet Generalmusikdirektor Tomáš Netopil auch das 2. Sinfoniekonzert diesem Komponisten, dem in der letzten Zeit auf den deutschen Opernbühnen vermehrte Aufmerksamkeit geschenkt wird. Für das Konzert hat Netopil Martinůs mythologischen Einakter Ariane ausgewählt, der parallel zur griechischen Passion entstand und dem Komponisten nach eigenem Bekunden eine Atempause bei seiner letzten großen Oper gegeben haben soll. Da der Einakter mit knapp 45 Minuten natürlich zu kurz für ein komplettes Sinfoniekonzert ist, sind zwei Werke der konzertanten Oper vorangestellt, die zeitlich und musikalisch keinerlei Bezug zu Martinů haben. Immerhin begibt man sich mit Christoph Willibald Glucks Ouvertüre zu Iphigénie en Aulide inhaltlich ebenfalls in die griechische Mythologie, so dass dies als Klammer um den Abend betrachtet werden kann.

Die Ouvertüre zu Glucks 1774 in Paris uraufgeführten ersten Iphigenie-Oper, die von Iphigenies Opferung in Aulis handelt, damit ihr Vater Agamemnon günstige Winde erhält, um mit seiner Flotte in den Krieg gegen Troja ziehen zu können, wurde von Richard Wagner während seiner Zeit als sächsisch-königlicher Hofkapellmeister komplett umgearbeitet, wobei es wohl vor allem diesen neu geschriebenen Vor-, Zwischen- und Nachspielen zu verdanken ist, dass das Werk sich überhaupt im Repertoire halten konnte. Erst durch den Trend zur historischen Aufführungspraxis verschwand diese Fassung seit den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts wieder zugunsten des französischen Originals von den Spielplänen. In der emotionsgeladenen Ouvertüre lässt sich diskutieren, ob man hier mehr den Opernreformer Gluck oder den jungen "Revoluzzer" Wagner heraushört. Die Essener Philharmoniker setzen die Ouvertüre jedenfalls unter der Leitung von Netopil, zumindest was die Streicher betrifft, recht brav an, so dass in diesem ersten Teil des Abends der Funke noch nicht richtig überspringt.

Es folgt eine Sinfonie von François-Joseph Gossec der als Revolutionskomponist in die französische Geschichte eingegangen ist. Obwohl er mit seinen rund 50 Sinfonien sicherlich zu den bedeutendsten französischen Sinfonikern des 18. Jahrhunderts zählt, wird er heute primär als Komponist von Kirchenmusik geschätzt. Ähnlich wie Gluck versuchte Gossec, das Musiktheater von zu affektierten Momenten zu befreien, was wohl als Grund dafür dient, dass seine Symphonie à grand orchestre D-Dur Glucks Ouvertüre vor der Pause zur Seite gestellt wird. Das Werk, das den Titel "La Chasse" trägt, beschreibt in vier Sätzen sehr lautmalerisch eine herrschaftliche Jagd. Während man im "Grave maestoso" mit großem Pomp die Jagdgesellschaft aufmarschieren hört, scheinen der zweite und dritte Satz einzelne Teilnehmer der Jagd bei ihrem eher zaghaften Aufspüren der Beute zu begleiten, bevor dann im vierten Satz, "Tempo di caccia", die komplette Gesellschaft vereint zu einer regelrechten Hetzjagd ansetzt, die an Schnelligkeit und Turbulenz kaum zu überbieten ist. Eine herausragende Stellung nehmen hierbei die Holz- und Blechbläser ein, die in den einzelnen Sätzen die Melodienbögen häufig vorgeben. In dieser Sinfonie überzeugen die Essener Philharmoniker durch lebhaftes Spiel.

Der Teil nach der Pause gehört dann Martinůs Einakter. Nach der Lektüre von Georges Neveux' 1942 entstandenen Drama Le voyage de Thésée beschloss Martinů, nach der surrealistischen Oper Juliette, die ebenfalls auf einem Libretto von Neveux basiert, den zahlreichen Ariadne-Vertonungen eine weitere von Ansätzen der Psychoanalyse durchzogenen Variante hinzuzufügen. Die große Arie der Ariane (Ariadne) am Ende der Oper hatte er eigentlich für Maria Callas komponiert, in der Hoffnung, dass sie bei einer Uraufführung in New York diese Partie übernehmen würde. Allerdings sollte er eine Aufführung dieses Werkes nicht mehr erleben, und die Oper kam weder mit der Callas noch in New York heraus. Zwei Jahre nach Martinůs Tod kam das Stück am Musiktheater im Revier Gelsenkirchen zur Uraufführung, wobei es mit Kurt Weills Mahagonny-Songspiel und Ivo Lhotka-Kalinskis Der Analphabet zu einem Triptychon erweitert wurde.

Die Fassung weist einige Abwandlungen vom bekannten Ariadne-Mythos auf. So liebt Ariane eigentlich den Minotaurus, ihren Halbbruder. Als Theseus nach Kreta kommt, um den Minotaurus zu bekämpfen, verliebt sie sich in den jungen Athener und fleht den Minotaurus an, Theseus zu verschonen. Ein weiterer junger Athener, Bouroun, ist eifersüchtig auf Theseus und befürchtet, dass dieser wegen Ariane nun seine Mission vergessen habe. Deswegen will er allein gegen den Minotaurus kämpfen, wird von diesem allerdings getötet. Als Theseus dem Minotaurus anschließend entgegentritt, sieht er sich im Minotaurus selbst und tötet mit dem Minotaurus einen Teil von sich. Anschließend segelt er ohne Ariane nach Athen zurück, woraufhin diese beschließt, Selbstmord zu begehen.

Martinů legt die Musik in dieser Oper absolut tonal an und arbeitet lautmalerisch in drei Sinfonien, die die einzelnen Szenen der Oper beschreiben, die jeweilige Stimmung der Protagonisten differenziert heraus. So ist beim Minotaurus beispielsweise das Schlagzeug sehr dominant. Netopil lotet mit den Essener Philharmonikern die vielschichtige neoklassizistische Struktur der Musik sorgsam aus. Auch die Solisten sind allesamt hervorragend besetzt. Baurzhan Anderzhanov stattet den Minotaurus mit schwarzem Bass aus und gibt der Figur dadurch eine bedrohliche Färbung. Tijl Faveyts überzeugt als alter Mann mit profunder Tiefe. Abdellah Lasri gibt zunächst den Wachmann, der die Ankunft der jungen Athener ankündigt, und später den Athener Bouroun, der übermütig in den Kampf gegen den Minotaurus zieht, mit strahlendem Tenor. Zoltán Nagy unterstreicht als Theseus mit kräftigem Bariton, dass er einerseits als Held der Geschichte den Minotaurus besiegen kann, macht mit seiner tiefen Stimme aber auch andererseits deutlich, dass er selbst ein Teil des Minotaurus ist.

Simona Šaturová begeistert in der Titelpartie mit strahlendem Sopran. In ihrem großen Lamento am Ende singt sie die Koloraturen sauber aus und meistert auch im Duett mit Theseus zuvor zahlreiche Vokalsprünge mit Bravour. So gibt es am Ende großen Applaus für alle Beteiligten.


FAZIT

Es ist schade, dass bei diesem Sinfoniekonzert in der Philharmonie einige Plätze frei geblieben sind. Der konzertante Operneinakter nach der Pause hätte musikalisch ein volles Haus verdient.



Ihre Meinung ?
Schreiben Sie uns einen Leserbrief

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Tomá
š Netopil

Essener Philharmoniker

 

Solisten

Ariane
Simona
Šaturová

Theseus
Zoltán Nagy

Minotaurus
Baurzhan Anderzhanov

Bouroun / Wachmann
Abdellah Lasri

Alter Mann
Tijl Faveyts

Junge Männer aus Athen
Michael Haag
Mateusz Kabala
Armen Manukyan
Stoyan Milkov
Eduard Unruh
Swen Westfeld


Werke

Christoph Willibald Gluck
Ouvertüre zu Iphigénie en Aulide
(Orchestrierung von Richard Wagner)

François-Joseph Gossec
Symphonie à grand orchestre D-Dur, RH 41
"La chasse"
Grave maestoso - Allegro
Allegretto poco allegro
Minuetto
Tempo di caccia

Bohuslav Martinů
Ariane
Oper in einem Akt
(konzertante Aufführung)


Weitere Informationen
erhalten Sie von der

Philharmonie Essen
(Homepage)



Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum
© 2015 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de

- Fine -