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Kaisersaalkonzerte 2014

Kantaten von Johann Sebastian Bach,
Georg Philipp Telemann und Georg Anton Benda

Kaisersaal im Römer, Frankfurt am Main, 12. Oktober 2014

 


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Alte Musik neu entdeckt

Von Ingo Negwer

Auf dem Programm des jüngsten Kaisersaalkonzerts im Frankfurter Römer stand die Wiederaufführung zweier geistlicher Kantaten, die seit dem 18. Jahrhundert in den Archiven quasi einen Dornröschenschlaf hielten. Dieses Schicksal teilt Georg Philipp Telemanns „Ein ungefärbt Gemüte“, das Eingangsstück des Abends, mit einer großen Anzahl seiner Werke, die noch auf ihre Entdeckung warten. Telemann war von 1712 bis 1721 Städtischer Musikdirektor in Frankfurt am Main. 1714/15 komponierte er hier den sogenannten „französischen“ Kantatenjahrgang. Zu diesem Zyklus zählt auch die Kantate „Ein ungefärbt Gemüte“, deren Arien konsequent an französischen höfischen Tänzen, wie Passepied, Courante und Gavotte, orientiert sind. Zu Sopran, Tenor, Bass, Chor, Streichern und Basso continuo gesellen sich zwei Hörner und sorgen für eine zu dieser Zeit noch recht außergewöhnliche Besetzung und originelle Klangfarben.

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Solisten (v.l.n.r.): Healim Oh, Cecilia Rodriguez-Morán, Julien Freymuth, Christian Wagner, Xiaoyu Wei, Ltg: Konrad Junghänel. Im Hintergrund: Neumeyer Consort, Gutenberg-Kammerchor (Foto: Ingo Negwer)

Eine weitere Rarität dieses Konzerts war die neuzeitliche Wiederaufführung von Georg Anton Bendas „Der Glaube kann Gott, den Allmächtigen, bezwingen“. Diese Kantate gehört mit ihrem mal stürmischen, mal empfindsamen Charakter bereits ganz der Vorklassik an. Die Nähe zu Carl Philipp Emanuel Bach, mit dem Benda am Hof Friedrichs II. von Preußen wirkte, ehe er schließlich als Hofkapellmeister nach Sachsen-Gotha wechselte, ist nicht nur musikalisch spürbar. Benda und C.P.E. Bach standen lebenslang in engem persönlichen Kontakt. So wundert es nicht, dass die Kantate über Bachs Nachlass Eingang in das Archiv der Singakademie zu Berlin fand. 1999 kehrte sie zusammen mit diesem Archiv als Rückgabe von Kriegsbeute aus der Ukraine zurück nach Deutschland.

Nach der Konzertpause erklang Musik, die jeder kennt, der regelmäßig zur Weihnachtszeit Kirchenkonzerte besucht, nun allerdings in ihrer ursprünglichen und doch für uns ungewohnten Gestalt: Johann Sebastian Bach schrieb sein Dramma per Musica „Herkules am Scheidewege“ BWV 213 anlässlich des elften Geburtstags des Kurprinzen Friedrich Christian von Sachsen und führte sie am 5. September 1733 mit dem Collegium musicum im Zimmermannischen Caffee-Hauß zu Leipzig auf. Ein gutes Jahr später konnte man einen Großteil der Chöre und Arien dieser weltlichen Kantate erneut hören – zur Weihnachtszeit als Teile des „Weihnachtsoratoriums“. Aus der Arie der Wollust „Schlafe, mein Liebster, und pflege der Ruh, folge der Lockung entbrannter Gedanken(...)“ wurde Jesu Wiegenlied „Schlafe, mein liebster, genieße der Ruh“. Aus Herkules’ wütender Ablehnung „Ich will dich nicht hören, ich will dich nicht wissen, verworfene Wollust(...)“ wurde die sanfte Arie „Bereite dich Zion, mit zärtlichen Trieben“. – Insofern war auch dieser Programmpunkt eine Entdeckung alter, eigentlich alt-bekannter Musik. Zeigte sie doch Bachs geniale Fähigkeit, das für den einmaligen Anlass Geschaffene und für gut Erachtete umzuwandeln und im neuen Zusammenhang quasi allgemeingültig fortleben zu lassen.

Das Forum Alte Musik bot dem Nachwuchs im Rahmen dieses Kaisersaalkonzerts erneut ein öffentliches Podium. Die Solisten werden alle im Exzellenzprogramm Barock vokal der Hochschule für Musik Mainz ausgebildet. Angehende Opern- und Konzertsänger können in dieser künstlerischen Weiterbildung zusätzliche Kompetenz auf dem Gebiet der Alten Musik (17./18. Jahrhundert) erwerben. In ihrer noch jungen Karriere sind die Gesangssolisten, die im Römer zu hören waren, durchaus unterschiedlich weit vorangeschritten. Cecilia Rodriguez-Morán präsentierte in der Telemann-Kantate einen leuchtenden, lyrischen Sopran, hatte mit der Textgestaltung aber noch einige Mühe. Healim Oh verfügt über eine feine, bewegliche Stimme, die ich mir eher in einem filigranen Dowland-Song als in der Rolle der Wollust in Bachs „Herkules“ vorstellen könnte. Ähnliches gilt für den jungen Altus Julien Freymuth (Herkules), der in den Höhen durchaus beeindrucken konnte, in der Tiefe allerdings die nötige Präsenz noch weitgehend vermissen ließ. Aufhorchen ließ vor allem Xiaoyu Wei, dessen bereits sehr gut entwickelter lyrischer Tenor kaum Wünsche offen ließ, sieht man einmal von der (noch) nicht ganz akzentfreien Deklamation ab. Ihm zur Seite konnte auch Christian Wagner überzeugen, obschon seinem Bass (Bariton?) die charakteristische dunkle Tiefe nicht im manchmal erforderlichen Maße gegeben ist.

Für die Glanzpunkte des Konzerts sorgte allerdings der Gutenberg-Kammerchor der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz (Einstudierung: Felix Koch) mit einer geradezu makellosen Darbietung. Der instrumentale Part lag in den bewährten und kompetenten Händen des Neumeyer Consorts. Die Gesamtleitung hatte Konrad Junghänel, der die Akteure engagiert und mit präziser Gestik durch die hochbarocken Kantaten führte. – Begeisterung und lang anhaltender Applaus der wieder zahlreichen Zuhörer erfüllten den Kaisersaal am Ende eines beachtlichen Konzertabends.




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Ausführende

Healim Oh
Cecilia Rodriguez-Morán
Julien Freymuth
Christian Wagner
Xiaoyu Wei

Neumeyer Consort

Gutenberg Kammerchor

Konrad Junghänel, Dirigent

Programm

Georg Philipp Telemann
Ein ungefärbt Gemüte (TWV 1:434)

Georg Anton Benda
Der Glaube kann Gott den Allmächtigen zwingen

Johann Sebastian Bach
Herkules am Scheideweg (BWV 213)

 


 


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